Seit Jahren gibt es Streit darüber, ob die KVB-Linien 1, 7 und 9 in der Innenstadt unter die Erde verlegt werden.
Kurz vor der OB-Stichwahl fordern nun prominente Verbände wie der ADAC, die Handwerkskammer und die IHK mit einem Positionspapier die Tunnellösung.
Die U-Bahn habe herausragende Vorteile, argumentieren die Autoren.
Köln – Eigentlich wolle sich Jürgen Fenske, Ex-Chef der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) und Ehrenpräsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen nicht mehr zu wichtigen Verkehrsprojekten äußern, sagt er. „Doch hier mache ich eine einmalige Ausnahme, weil es von überragender Bedeutung für die Stadt ist.“ Die Rede ist von der Ost-West-Achse der KVB zwischen Heumarkt und Aachener Weiher.
Fenske und Architekt Ulrich Coersmeier haben ein „Positionspapier“ präsentiert, das sie mit Ulrich Soénius (IHK), Garrelt Duin und Ulrich Fesser (Handwerkskammer), Roman Suthold (ADAC) und Felix Huber, Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal, ausgearbeitet haben. Es ist ein flammender Appell für eine U-Bahn auf der überlasteten Ost-West-Achse, statt einer oberirdischen Lösung mit längeren Zügen. Ein Tunnel sei „ein Quantensprung für die Entwicklung der Innenstadt“, so Fenske.
Expertisen sollen Grundlage für weitere Entscheidung sein
2018 hatte der Stadtrat beschlossen, sowohl eine unterirdische wie eine oberirdische Strecke durchzuplanen. Die Expertisen sollen Grundlage sein für die weitere Entscheidung. SPD, CDU und FDP wollen eine U-Bahn, Grüne und Linke wollen die Straßenbahn behalten und aufwerten . Als Kompromiss zwischen den bisherigen Bündnispartnern Grüne und CDU wurde ins Auge gefasst, erst eine Straßenbahn mit 90- statt 60-Meter-Zügen und verlängerten Bahnsteigen zu realisieren und in Zukunft über einen Tunnel nachzudenken.
Der Sieg der Grünen bei der Kommunalwahl habe die Verfasser zu ihrem Positionspapiers bewogen, sagt Fenske. „Wir haben die Sorge, dass die Möglichkeit einer U-Bahn unter den Tisch fällt, weil die stärkste Fraktion sagt, das sie ohnehin keine haben will.“ Man müsse die Sache aber „ideologiefrei“ bewerten und brauche „einen großen Konsens im Rathaus“.
Autofreie Pipinstraße?
Die Argumente für eine U-, statt einer Straßenbahn zwischen Heumarkt und Aachener Weiher seien nach Auffassung der Verfasser des Positionspapiers gravierend. Durch den Wegfall der oberirdischen Gleise würden „Riesenräume entstehen“ für eine Fahrradstraße, eine Promenade, Gastronomie und Begrünung, sagt Coersmeier, dessen Büro schon 1992 den Wettbewerb der Gestaltung der Ost-West-Achse gewann und die U-Bahn-Station „Heumarkt“ entwarf. Der Autoverkehr könne gebündelt, die Pipinstraße autofrei werden.
Bereiche wie der Elogiusplatz könnten mit anderen Arealen verbunden, die Kirche St. Maria im Kapitol „inszeniert, kurzum die „trennende Wirkung“ der oberirdischen Trasse von Süd- und Innenstadt aufgehoben werden. Für Heumarkt, Neumarkt und Rudolfplatz sei es eine „Befreiung“ von hohem Verkehrsaufkommen. „Es entsteht eine innerstädtische Kraftlinie“ mit hoher Aufenthaltsqualität, sagt Coersmeier. Die Decke der U-Bahn-Haltestelle Heumarkt, die bereits für eine Ost-West-U-Bahn vorbereitet ist, könne einen Glasstreifen bekommen, durch den Licht in die Zwischenebene fällt.
Nach Worten von Fenske biete eine U-Bahn mehr Fahrgastkapazität, weil sie keinen Kontakt mit dem Autoverkehr habe. Zudem halte er es bei einer Straßenbahn für problematisch, wenn die geplanten, auf 90 Meter verlängerten Bahnen hochfrequentierte Kreuzungen, wie an der Nord-Süd-Fahrt passieren, was wegen der Dimension der Züge länger dauere. Die höheren Kosten einer U-Bahn von geschätzt 760 Millionen Euro zur Straßenbahnlösung von avisierten 250 Millionen Euro hält Fenske ebenso vertretbar wie die seiner Meinung nach „drei bis vier Jahre“ längere Bauzeit. Dabei solle eine U-Bahn zwischen Heumarkt und Aachener Weiher nur ein „erste Schritt“ sein. Perspektivisch sei ein Tunnel von Melaten, unter dem Rhein hindurch, bis zum Bahnhof Deutz „wünschenswert. Aber schon besagter erster Schritt sei städtebaulich „eine der größten Chancen, die Köln nach 1945 realisieren kann“, wirbt Fenske.