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Kölns Stadtkämmerin zur Finanzlage„Wir müssen gelassen bleiben, Panik hilft nicht“

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Stadtkämmerin Dörte Diemert

KölnFrau Diemert, verbarrikadieren Ihre Kollegen im Rathaus die Tür, wenn sie Sie sehen, weil sie fürchten, Sie wollen ihnen Geld streichen?Dörte Diemert: Es gibt im Verwaltungsvorstand großes Einvernehmen, dass die Situation, in der sich die Stadt und unser Haushalt befinden, alles andere als einfach ist. Wir haben entschieden, gleichwohl keinen Sparhaushalt vorzulegen. Und als Stadt werden wir, trotz der wirklich schwierigen Situation und obwohl wir selbst mit massiven Kostenerhöhungen konfrontiert sind, unsere Belastungen Großteils auch nicht weitergeben. Also: Nein, meine Kolleg*innen verbarrikadieren nicht die Tür. Alle Beteiligten wissen aber, dass in dieser schwierigen Zeit nicht alles finanzierbar ist.

Wie würden Sie die aktuelle finanzielle Lage der Stadt Köln beschreiben?

Corona steckt uns noch in den Schuhen und die nächste Krise steht schon vor der Tür. Der Ukraine-Krieg hat vielfältige Auswirkungen, es gibt eine enorm unsichere wirtschaftliche Entwicklung. Wir sind von der Konjunktur, von der Steuer-Entwicklung abhängig. Mehr als 50 Prozent unserer Erträge sind steuerabhängig. Gleichzeitig sehen wir uns mit zig zusätzlichen Aufgaben konfrontiert. Für die Flüchtlingsunterbringung haben wir derzeit massiv zusätzliche Aufwendungen. In diesem Jahr sind das zum Beispiel über 100 Millionen Euro, die uns nur in Teilen erstattet werden. Da bleibt ein großes Loch im Haushalt, weil das zu Jahresbeginn niemand einkalkulieren konnte. Im Moment rettet uns noch die relativ gut Steuerentwicklung. Hier hat es im ersten Halbjahr eine deutlich spürbare Erholung gegeben. Wir wissen aber nicht, wie es weitergeht.

Trotzdem setzen wir alles daran, Planungssicherheit zu schaffen für die Träger, die Vereine, die Strukturen in dieser Stadt. Und Risikovorsorge zu betreiben. Wir haben zum Beispiel für 2023 20 Millionen Euro eingeplant, mit denen wir die gestiegenen Energiekosten für städtische Gebäude auffangen wollen. Bisher ist uns das Krisenmanagement gut gelungen. Wir müssen gelassen bleiben, Panik hilft nicht. Wir müssen aber auch klar sagen, dass wir uns in schwierigem Gewässer befinden.

Sie sagen, der Haushaltsentwurf für 2023/24 sei kein Sparhaushalt. Aber gespart wird darin trotzdem.

Ein Sparhaushalt würde Leistungen grundlegend in Frage stellen, ein Konsolidierungsprogramm auflegen und massiv Aufgaben kürzen. Genau das tun wir nicht. Wir stellen für 2023 240 Millionen Euro mehr im Haushalt zur Verfügung, 2024 sind es 480 Millionen mehr als 2022. Das heißt aber nicht, dass es nicht mal Umschichtungen innerhalb der Budgets geben kann oder sich Schwerpunkte verschieben. Da gibt es beispielsweise befristete Projekte oder Förderungen, die in unserem Haushaltsentwurf nicht automatisch fortgeführt wurden, weil in der Vergangenheit politisch entschieden worden ist, diese erstmal nur für ein, zwei Jahre zu finanzieren. Natürlich werben die betreffenden Institutionen jetzt darum, dass ihre Projekte weiter unterstützt werden. Das ist Teil der politischen Beratungen, die ja noch nicht abgeschlossen sind.

Generell gilt: Wir haben in Köln ein beeindruckendes Leistungsangebot. Im sozialen, kulturellen, im Sport- oder Jugendbereich sind wir sehr breit aufgestellt. Dass macht die Attraktivität Kölns aus und darum werden wir von vielen Städten beneidet. Wir unternehmen große Anstrengungen, das zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass immer alles unverändert bleibt. Denn neben den neuen Belastungen durch Krieg und Preisentwicklung dürfen wir auch die zentralen Zukunftsausgaben wie Klimaschutz, Digitalisierung oder Mobilitätswende nicht aus dem Blick verlieren.

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„Wir befinden uns in schwierigen Gewässern“, sagt Kölns Kämmerin Dörte Diemert.

Die Stadt hat derzeit gut drei Milliarden Euro Schulden. 2027 rechnen Sie mit mehr als sieben Milliarden Euro. Wie ist dieser große Anstieg zu erklären?

Die Summen, die Sie nennen, beinhalten zwei Arten der Verschuldung. Das sind zum einen die sogenannten Investitionskredite, welche wir für bestimmte Investitionsvorhaben aufnehmen, zum Beispiel für Brücken oder Bauprojekte. Diesen Krediten stehen also Werte gegenüber, weshalb sie gerne als „gute Schulden“ bezeichnet werden. Anders ist das bei den sog. Liquiditätssicherungskrediten. Sie sind eine Art Dispo-Kredit der Stadt. Wenn die Stadt für das laufende Geschäft über die Jahre mehr ausgibt, als sie einnimmt, dann führt das automatisch dazu, dass diese Kredite steigen. Sie sind quasi das Gedächtnis der Defizite der Vergangenheit. Um die strukturelle Lage der Stadt zu beurteilen, muss man daher die Liquiditätssicherungskredite in den Blick nehmen. Auch wenn der absolute Stand dieser Kredite derzeit noch eher moderat ist, gibt ihre Entwicklung Anlass zur Sorge. Deshalb muss am Ziel des Haushaltsausgleichs zwingend festgehalten werden.

Zumal die Kredite immer teurer werden, weil die Europäische Zentralbank den Leitzins schon jetzt deutlich angehoben hat und die nächste Zinserhöhung angekündigt ist. Nach den Plänen der Landesregierung dürfen wir die Kosten durch Corona und den Krieg zwar voraussichtlich aus unserem Haushalt herausrechnen, aber das ist nur eine Bilanzhilfe, um nicht in die Haushaltssicherung zu fallen. Dadurch sehen unsere Zahlen zwar temporär besser aus, aber bezahlen müssen wir das alles ja trotzdem. Wir haben also ein echtes Finanzierungsproblem und deshalb brauchen wir auch echte Hilfe und echtes Geld.

Von wem fordern Sie echtes Geld und wofür genau brauchen sie es vor allem?

Schon seit langem ist der Bereich Unterbringung von Geflüchteten ein zentraler Punkt. Wir sind Stadt der Integration und stolz darauf. Wir möchten Menschen Schutz bieten und das gibt es nicht zum Nulltarif. Bund und Land haben versprochen, die Städte mit diesen Belastungen nicht allein zu lassen. Wir bekommen Erstattungen, aber es gibt hier eine erhebliche Finanzierungslücke, die im kommenden Jahr nochmal um 45 Millionen Euro wächst. Der Bund ist auch im Bereich der Energiekosten gefordert. Es gilt zu verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger, die immer gut gewirtschaftet haben, jetzt auf Transferleistungen angewiesen sind. Das entlastet auch die Stadt mittelbar. Und auch die derzeit diskutierten Steuerentlastungen führen zu Ausfällen bei der Stadt im zweistelligen Millionenbereich. Diese Steuerausfälle müssen kompensiert werden.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte, es müssten Großprojekte auf den Prüfstand gestellt werden, um zu sparen. Es die Rede von einer „Streichliste“. Sind Sie darin involviert?

Ich halte es für absolut richtig, dass Großprojekte generell abgewogen und priorisiert werden. Investitionen binden Finanzressourcen – durch den Bau der Gebäude, und langfristig durch deren Unterhalt und durch Abschreibungen. Jeder Euro, der dort hineinfließt, steht für andere Aufgaben in der Stadt nicht zur Verfügung. Allerdings geht es nicht nur um Neubauprojekte, sondern auch um Sanierungsprojekte. Hier gilt häufig: Wenn wir nicht tätig werden, müssen wir die Gebäude, die Brücken irgendwann aus Gründen der Betriebssicherheit sperren. Das ist eine Folge des Investitionsstaus der Vergangenheit, der nun sukzessive abgearbeitet wird. Die Liste wird daher eine Gesamtschau sein, um Transparenz zu schaffen und zu entscheiden, ob es Projekte gibt, die anders priorisiert oder gegebenenfalls sogar gestrichen werden können. Das ist eine notwendige Debatte, der ich aber nicht vorgreifen will. Die Liste allein wird die Finanznöte der Stadt allerdings nicht lösen.

Was sind die Kostentreiber im Haushalt?

Das sind die sozialen Leistungen generell und ganz aktuell auch der Schulbau. Es ist wichtig, dass neue Schulen gebaut werden. Die Schattenseite ist, dass für diese Schulen natürlich auch laufende Belastungen anfallen. Soziales und Bildung nehmen rund 2,8 Milliarden Euro des Haushalts ein und damit etwa die Hälfte.

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Wie groß ist die Gefahr, dass wir in ein Haushaltssicherungskonzept rutschen, in dem die Stadt nur noch Dinge finanziert, zu denen sie verpflichtet ist?

Unser Ziel ist, das zu vermeiden. Angesichts der Dynamik der Entwicklungen gibt es aber erhebliche Unsicherheit. Sollten die Kommunen die Belastungen durch Corona und den Krieg aus dem Haushalt isolieren können, was noch nicht feststeht, müssten wir die Kosten jedenfalls irgendwann in der nahen Zukunft – wahrscheinlich ab 2026 – abstottern. Es hängt daher sehr davon ab, wie sich das weitere Kriegsgeschehen und damit auch die Wirtschaft und die Steuereinnahmen entwickeln. Wirtschaftswissenschaftler warnen inzwischen deutlich vor einer Rezession. Sollten wir einen massiven Einbruch der Steuern erleben, haben wir große Finanzierungslücken, wenn wir keine Kompensation von Bund und Land bekommen.

Schließen Sie Steuererhöhungen aus?

Wir verzichten auf eine Erhöhung der großen Steuern, also der Gewerbe- und der Grundsteuer. Wir halten das für ein falsches Signal. Es gibt aber kleinere Steuern, die derzeit in der Diskussion stehen. Die Kulturförderabgabe, von einigen auch Übernachtungssteuer genannt, könnte zum Beispiel wieder von allen Gästen erhoben werden. Zurzeit müssen Geschäftsreisende sie nicht zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt aber entschieden, dass unser ursprüngliches Kölner Modell, nämlich die Steuer von allen Gästen zu erheben, verfassungskonform ist. Das wären pro Jahr fünf Millionen Euro mehr und könnte den ganzen Bürokratieaufwand, der mit der Unterscheidung für Gäste, Stadt und Hoteliers einhergeht, beseitigen.

Eine Überprüfung hat weiter gezeigt, dass der Steuersatz auf Glücksspielgeräte von rund 13 auf 20 Prozent steigen könnte. Das könnte langfristig fünf Millionen Euro pro Jahr an Mehrerträgen bringen. Zur Ehrlichkeit gehört schließlich, dass partiell auch Gebührenerhöhungen für städtische Leistungen nicht ausgeschlossen werden können, wenn beispielsweise Kostensteigerungen durch die Inflation zu Gebührenanpassungen führen müssen.

Die Partei und Gruppen im Stadtrat beraten gerade über den Haushalt. Was erwarten Sie von der Politik?

Die Politik weiß, dass wir im Moment keine großen Spielräume haben. Wir müssen deshalb mit großer Verantwortung an die Haushaltsplanberatungen herangehen. Wir sind in keiner Normallage, es gibt kein Signal der Entspannung. Wir müssen den Umständen Rechnung tragen und die Stadt gut durch die Krise bringen.