„Wir haben keine Chance“Ukrainische Flüchtlinge verzweifeln am Kölner Ausländeramt
Köln – Nachdem Russland die Ukraine am 24. Februar angegriffen hat, sind Millionen Menschen aus dem osteuropäischen Land geflohen. Schätzungen zufolge haben etwa 12.000 von ihnen Schutz in Köln gefunden. Damit die Geflüchteten eine Arbeit aufnehmen, eine Wohnung suchen oder Geld vom Jobcenter erhalten können, benötigen sie eine Aufenthaltsbescheinigung vom Ausländeramt. Viele der Flüchtlinge haben aber seit Wochen Probleme, hier einen Termin zu erhalten. Den „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben in den vergangenen Wochen bereits mehrere solcher Klagen erreicht, so auch die von Marina Falkenstern.
Falkenstern (42) ist Ukrainerin und lebt seit acht Jahren in Köln. Nachdem Russland die Ukraine überfallen hat, war ihrer Familie, die bis dahin noch in der zentralukrainischen Stadt Kropyvnytskyi lebte, schnell klar, dass sie nicht in der Ukraine bleiben konnte. Noch im Februar detonierten Bomben auf dem Flughafen der Stadt, schlugen Raketen in einem militärischen Stützpunkt in einer Nachbarstadt ein.
Der Vater, der im Land geblieben ist, berichtet immer wieder von Explosionen. Falkensterns Mutter Tetiana Kovalenko (64), ihre Schwester Irina Rybalchenko (39) und ihre beiden Kinder Maxim (6) und Denis (3) packten daher ihre Sachen und verließen die Heimat.
Vier Tage auf der Flucht
Vier Tage waren sie in einem Minibus auf der Flucht, bis sie in Köln angekommen waren. Hier leben sie seit Anfang März in der Kalker Wohnung von Marina Falkenstern, die selbst eine Familie hat. Insgesamt vier Erwachsene und fünf Kinder auf 87 Quadratmetern. „Eine Zeitlang geht das ganz gut“, sagt Falkenstern, „aber es ist auf Dauer viel zu eng.“
Die Geflüchteten benötigen also eine eigene Wohnung und dazu müssten sie sich beim Ausländeramt anmelden. Das ist aber einfacher gesagt als getan. Seit Anfang März versuche die Familie online einen Termin bei der Behörde auszumachen, Tag für Tag scheitere sie, sagt Falkenstern.
„Leider wurde kein freier Termin gefunden. Es werden in regelmäßigen Abständen neue Termine freigeschaltet. Bitte schauen Sie täglich ins Buchungssystem“, heißt dann immer wieder auf der Internetseite der Stadt. „Wir probieren es jeden Tag, aber wir haben keine Chance“, sagt Falkenstern. Hinzu kommt, dass derzeit keine Präsenztermine im Ausländeramt angeboten werden.
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Anders als manche andere geflüchtete Ukrainer richtet sich Falkensterns Familie auf einen längeren Aufenthalt in Deutschland ein. Unklar ist, wann der Krieg in der Ukraine zu Ende gehen wird. Unklar ist, wie zerstört das Land im Anschluss sein wird. Mutter und Schwester wollen sich daher so schnell und so gut wie möglich in Köln integrieren.
Ein Bankkonto hat die Familie bereits, zu Sprachkursen ist sie angemeldet, ein Kind besucht eine Kindertagesstätte, das andere wird nach den Sommerferien eingeschult. Doch um weitere Integrationsschritte machen zu können, benötigt die Familie die Dokumente von der Ausländerbehörde. Denn ohne Aufenthaltsbescheinigung gibt es kein Geld vom Jobcenter, keine Chance auf eine eigene Wohnung oder eine Arbeit.
Ohne Bescheinigung gibt es keine Arbeit
Falkensterns Familie ist kein Einzelfall. Theodora Khan, Beraterin im Kalker Integrationshaus, kennt das Problem mit der Terminvergabe im Ausländeramt. „Es ist sehr schwer, Termine auszumachen. Das ist ein Riesending.“
Das Problem habe es bereits bei anderen Geflüchteten in der Pandemie gegeben. Damals seien Mitarbeitende des Ausländeramts über Monate weder vor Ort noch per E-Mail oder Telefon zu erreichen gewesen. In manchen Fällen seien Aufenthaltsbescheinigungen abgelaufen, hätten Geflüchtete deshalb ihren Job oder soziale Leistungen verloren.
Flüchtlingsrat befürchtet Zwei-Klassen-Gesellschaft
Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, befürchtet, dass es künftig eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Geflüchteten geben könnte. Diejenigen, die eine Bescheinigung von der Stadt bekommen hätten, erhielten höhere finanzielle Leistungen vom Jobcenter – 449 Euro. Der Rest müsse mit den geringeren Förderungen vom Sozialamt, 367 Euro, vorliebnehmen, die auch ohne Dokument ausgezahlt werden.
Die Stadt gibt an, dass 9000 ukrainische Geflüchtete im Ausländerzentralregister erfasst seien. Davon hätten 7000 Personen einen Aufenthaltstitel oder eine Fiktionsbescheinigung, einer vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung, erhalten. 2500 Geflüchtete seien inzwischen auch vollständig registriert, das heißt erkennungsdienstlich behandelt worden.
500 Termine pro Woche
Derzeit würden 500 Termine pro Woche für die Registrierung und Aufnahme des Antrags auf einen Aufenthaltstitel angeboten. Damit „werden die personellen und technischen Kapazitäten vollständig ausgeschöpft“, teilte die Stadt mit. Da aber momentan weniger Flüchtlinge nach Köln kämen, will die Stadt bis Ende August allen Geflüchteten aus der Ukraine die Möglichkeit geben, eine Aufenthaltsbescheinigung zu beantragen. Bis zum 31. August ist der Aufenthalt noch durch Bundeverordnung auch ohne Aufenthaltstitel erlaubt.