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Urteil vom Landgericht KölnHohe Haftstrafen nach „Hinrichtung“ in Kneipe – aber nicht für die Schützen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Polizistin am Tatort in Nippes im Jahr 2015

Eine Polizistin am Tatort in Nippes im Jahr 2015

Der Prozess um die tödlichen Rocker-Schüsse in Nippes ging mit hohen Gefängnisstrafen zu Ende. Staatsanwältin und Richterin sprachen von einer regelrechten Hinrichtung,

Mit hohen Gefängnisstrafen und einer Verhaftung im Gerichtssaal endete am Freitag der Strafprozess um die tödlichen Rocker-Schüsse in der Nippeser Kneipe „No Name“. Doch nicht die eigentlichen Schützen – im Verdacht stehen zwei Mitglieder der ehemaligen Kölner Hells-Angels-Gruppierung „C-Town“ – saßen auf der Anklagebank, sondern zwei mutmaßliche Komplizen wegen Beihilfehandlungen. Deren Anwälte hatten zuvor von möglichen Freisprüchen gesprochen.

Köln: Richterin spricht von „Hinrichtung“ in Nippeser Kneipe

Nach Staatsanwältin Sabine Heimers sprach auch Richterin Sabine Kretzschmar von einer regelrechten Hinrichtung, die sich an jenem Novembertag im Jahr 2015 in der Gaststätte auf der Neusser Straße ereignet habe. Ein Rollkommando hatte das „No Name“ aufgesucht und sofort auf mehrere Anwesende geschossen. Ein Mann starb, nachdem er auf einem Barhocker sitzend einen Schuss in die Brust abbekommen hatte. Herz, Lunge und Leber des Opfers wurden dabei getroffen.

Der 35-jährige Angeklagte beim Prozessauftakt mit seinem Verteidiger Gottfried Reims

Der 35-jährige Angeklagte beim Prozessauftakt mit seinem Verteidiger Gottfried Reims

Der Bluttat voraus ging ein Einbruch in die Shisha-Bar „Hangover“ auf der Bonner Straße, die der Bruder des damaligen Rockers Ibrahim K. betrieben hatte. Geldkassetten aus den Spielautomaten hatten die Einbrecher mitgenommen. Ob sich unter der Beute womöglich auch versteckte Kokainvorräte befanden, konnte der Prozess indes nicht klären. Die Rocker hatten danach jedenfalls eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise auf die Täter ausgelobt und zwar öffentlich via Facebook.

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Köln: Einbrecher von eigenem Bekannten verraten

Und hier kam einer der Angeklagten ins Spiel. Der kannte den Betreiber der Shisha-Bar und dessen Rocker-Umfeld, gleichzeitig war er aber auch mit Mitgliedern einer albanischen Einbrecherbande bekannt und hatte mit diesen auch selbst Einbrüche begangen. Die Belohnung vor Augen und daher von Gier getrieben, so formulierte es die Richterin, habe er seine Bekannten an die Rocker verraten – dabei ist bis heute nicht geklärt, wer tatsächlich für den Einbruch in der Südstadt verantwortlich ist.

Der 38-jährige Angeklagte mit seinem Verteidiger Claus Eßer beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Der 38-jährige Angeklagte mit seinem Verteidiger Claus Eßer beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Laut Urteil schmiedeten die Rocker um Ibrahim K. und den damaligen „C-Town“-Chef Erkan A. daraufhin einen Vergeltungsplan. In einem abgehörten Telefonat sprachen sie vor dem Aufsuchen der mutmaßlichen Einbrecher davon, noch „eine Sache“ besorgen zu müssen. Damit sei die Tatwaffe gemeint gewesen. Der Tippgeber hatte auch den Aufenthaltsort der Zielpersonen genannt, die zu dem Zeitpunkt offiziell wegen Renovierungsarbeiten geschlossene Kneipe in Nippes.

Köln: Verurteilungen wegen Beihilfehandlungen

Der „Verräter“ habe billigend in Kauf genommen, dass die Rocker gegenüber den Einbrechern Gewalt ausüben könnten. Einen tödlichen Ausgang habe er aber nicht voraussehen müssen, das Urteil lautete daher auf Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung. Zweieinhalb Jahre Gefängnis setzte das Gericht dafür fest. Aufgrund weiterer begangener Straftaten, so wurde auch ein versuchter Raub mitverhandelt, muss der alleinerziehende Vater von zwei Kindern aber insgesamt sieben Jahre in Haft.

Als Beihilfe zum Mord wertete das Gericht hingegen die Tatbeteiligung des zweiten Angeklagten. Der soll einen weiteren Tatbeteiligten zum Tatort gefahren, dort auch einen Zeugen, den Betreiber des Lokals, in Schach gehalten haben. Dass die Angelegenheit tödlich enden könnte, soll er spätestens bei Erblicken der Tatwaffe erkannt haben. Der heute 35-Jährige habe auch nach den ersten Schüssen keinerlei Anstalten gemacht, sich der Situation zu entziehen. Stattdessen habe er seine Gehilfenrolle weiter ausgeführt.

Köln: Mutmaßliche Schützen in die Türkei geflohen

In einem ersten Prozess hatte der Mann noch ein Teilgeständnis abgelegt, diesmal aber sämtliche Vorwürfe bestritten und sogar einen bereits rechtskräftig verurteilten Mittäter entlastet. Das sei nicht glaubhaft und als Schutzbehauptung zu werten, konstatierte die Richterin. Für die Beteiligung am „No Name“-Mord erhielt der Mann nun sieben Jahre Haft. Wegen weiterer Taten, darunter Trickbetrug zum Nachtteil von Senioren, muss der Täter insgesamt zwölf Jahre ins Gefängnis.

Mit dem Urteilsspruch verkündete die Richterin auch einen neuen Haftbefehl, der 35-Jährige kam wieder in Untersuchungshaft. Nach der Aufhebung eines ersten Urteils durch den Bundesgerichtshof war dieser auf freiem Fuß. Die Opfer-Anwälte Dörthe Clemens und Ingo Lindemann begrüßten die Entscheidung des Gerichts, die Verteidiger Claus Eßer, Gottfried Reims und Dirk Schlei hingegen kündigten eine erneute Revision an. Offen ist, ob jemals gegen die eigentlichen Schützen verhandelt werden kann. Die mutmaßlichen Täter befinden sich seit der Bluttat in der Türkei.