Ludwig Sebus zu Corona„Die, die so alt sind wie ich, wissen: Es gibt Schlimmeres“
- Der Kölner Sänger Ludwig Sebus gehört mit seinen 94 Jahren zur so genannten „Risikogruppe“.
- Dennoch habe er keine Angst vor dem Virus. Man wisse um ein sicheres Zuhause und es sei keiner da, der einen täglich mit dem Tod bedrohe.
- Mit uns hat der Altmeister der kölschen Liedkultur über die aktuelle Krise, seine Vergangenheit und seinen derzeitigen Alltag ohne Netflix, Internet und Smartphone gesprochen.
Köln – Das Alter macht einen zur „Risikogruppe“, es kann aber auch helfen, eine gute Einstellung zum Risiko zu finden. Ludwig Sebus wird in diesem Jahr 95. Eine schwere Lungenentzündung, die ihm im vergangenen Jahr schwer zusetzte, macht ihn zusätzlich anfällig. „Aber viele, die so alt sind wie ich, wissen, dass es viel Schlimmeres gibt als die Zustände zurzeit“, sagt der Grandseigneur des kölschen Fastelovends. Die Menschen hätten schließlich keine „körperliche Not“.
Man wisse um ein sicheres Zuhause und es sei keiner da, der einen täglich mit dem Tod bedrohe. Der Sänger hat als Jugendlicher die NS-Zeit erlebt, als Mitstreiter in verbotenen katholischen Jugendgruppen saßen ihm die Nazis im Nacken. Er erlebte Verhöre, Repression und Gewalt sowie die Zerstörung durch Bombenangriffe. 1943 wurde er einberufen und schließlich an die Ostfront geschickt, wo die Rote Armee der Sowjetunion die deutschen Soldaten vor sich her trieb. Er kam in sowjetische Kriegsgefangenschaft, fast fünf Jahre lang nicht wissend, ob und wann er zurück nach Köln kommen würde.
„Die Einschränkungen sind vergleichsweise leicht"
Nun hält er den aufgeregten Appellen der Politiker, man müsse Maßnahmen gegen die größte Krise in der Nachkriegsgeschichte beschließen, seine Erfahrungen aus der Zeit davor entgegen. „Die Einschränkungen, die wir heute haben, sind vergleichsweise leicht.“
Hier lesen Sie die wichtigsten Informationen zu den Auswirkungen des Virus in Köln.
Sebus hat sich selbst eine weitgehende häusliche Quarantäne verordnet. Der Kontakt zur großen Familie beschränkt sich im Wesentlichen auf Telefonate. „Besuche sind nicht angebracht.“ Die Enkel hätten sich angeboten, die Einkäufe zu übernehmen. Der Altmeister der kölschen Liedkultur hält sich an die Vorgaben zum Gesundheitsschutz. Der Mann, der nach wie vor bei Festen und Feiern in der Stadt präsent ist, weiterhin singt und die Menschen unterhält, verzichtet zurzeit auf vieles, was ihm sonst wichtig ist. Der Kontakt zu anderen ist Lebenselixier. Eigentlich muss er unter Leute. Darauf muss er nun verzichten.
„Mir geht es den Verhältnissen entsprechend gut“, sagt er am Telefon. Er gehe möglichst nicht aus dem Haus, vermeide körperliche Kontakte und passe auf sich auf. „Ich habe keine Angst vor Corona“, sagt er trotzig. „Ich weiß, wie ich mich zu verhalten habe.“ Seinen Optimismus und seine ansteckende Lebensfreude soll ihm das Virus nicht nehmen.
Kein Netflix, kein Smartphone, kein Internet
Internet, Smartphone, Netflix – mit den Freizeitangeboten, mit denen sich andere in diesen Tagen die Zeit vertreiben, kann er nichts anfangen. Wie verbringt er die viele Zeit ohne Termine und Verabredungen? „Ich mache Korrespondenz.“
Er selbst habe keine Angst, aber viele aus seiner Generation würden sich schon große Sorgen machen. Denen wolle er ein wenig beistehen. „Viele freuen sich über ein bisschen Ablenkung. Mit einem kleinen Flachs kann man die Leute aufleben lassen.“ Sebus telefoniert und schreibt Briefe. Jetzt habe er auch mal Zeit, allen zu antworten, die ihm in letzter Zeit geschrieben haben. Und er empfiehlt allen: „Manchmal ist ein Kartengruß angebracht.“
Humor als Mittel zu jeder Konfliktbewältigung
Gerade in der Krise bewahrheite sich seine alte Lebensweisheit: „Humor hilft.“ Für ihn ist der Humor eine „lebensbedeutende Sache“ und ein Mittel zu jeder Konfliktbewältigung. „Lachen entspannt.“
Die Beschränkungen der Freiheit nehme er hin. Er vertraut darauf, dass die Verantwortlichen in der Politik die Krise „mehr oder weniger im Griff“ haben und „Schlimmeres von uns fern halten“.
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Was die Zeit nach Corona angeht, ist er jedoch weniger optimistisch als andere, die davon träumen, dass sich die Welt zum Guten wandeln. Natürlich wünsche er sich auch, dass die „enge Verbindung zwischen den Menschen“ angesichts von „gravierenden Dingen, die wir nicht beeinflussen können“ bleibe. Aber er wisse aus Erfahrung auch: „In guten Zeiten vergessen die Menschen schnell all das, was schlecht war, und das, was anders werden sollte.“
Sebus wünscht den Kölnern „ein bisschen mehr Tiefe“
Köln solle sich seiner viel besungenen, angeblichen Tugenden besinnen. Die Menschen sollten zusammenrücken und aufeinander aufpassen. „Doch der Kölner neigt dazu, die Dinge oberflächlich und spontan anzugehen. Dann lodert die Flamme bis zum Himmel, geht aber auch schnell wieder aus.“ Ein bisschen „mehr Tiefe“ wünsche er den Kölnern für die Zeit nach der Krise. „Damit die Flamme nicht nur einmal lodert, sondern weiter brennt.“