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Neue BiographieKölsche Sänger Ludwig Sebus wird 94 Jahre alt

Lesezeit 5 Minuten

Ludwig Sebus und Autor Helmut Frangenberg

Köln – Ludwig Sebus? Kenn’ ich. Das mag sein, ja bestimmt ist es so. Vieles ist in den zurückliegenden Jahrzehnten über den Künstler gesagt und geschrieben worden. Und doch ist es Helmut Frangenberg gelungen, eine Biografie über Ludwig Sebus zu schreiben, die wie das fehlende Teil eines schon ziemlich perfekten Bildes wirkt.

Der Autor geht behutsam vor, er übermalt keine Bilddetails, komponiert aber Dinge neu, stellt sie in Beziehung zu Ereignissen in der Zeit des Nationalsozialismus, der Nachkriegszeit, des Karnevals und spürt ein paar verschüttete Informationen auf. Damit bekommt das gut und umfassend recherchierte Buch eine politische Dimension – „Ludwig Sebus – ein kölsches Jahrhundert“ ist ein Geschenk: für Sebusfans, für Freunde der kölschen Musik, für die, die sich für die Geschichte der Stadt und die Rolle des Karnevals interessieren. Und für den Sänger, der heute 94 Jahre alt wird.

Fototermin beim Fotografen

Ludwig Sebus wurde am 5. September 1925 in Köln geboren, hatte eine Kindheit und Jugend im Schatten des Nationalsozialismus. Als 18-Jähriger wurde er im Herbst 1943 zur Wehrmacht eingezogen und an Heilig Abend an die Ostfront beordert. Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er in russische Gefangenschaft. „Es begann die schlimmste Phase meines Lebens.“ Hunger wurde sein treuester Begleiter.

Alles zum Thema Bläck Fööss

Als 18-jähriger Wehrmachtssoldat

Dennoch gab es einen Lichtblick: Der Kölner wurde Mitglied eines Schlagerquartetts. Dazu schreibt Frangenberg: „Der Grundstein für die Karriere als Bühnenstar wurde trotz des Elends in einem russischen Kriegsgefangenenlager gelegt.“

Erst 1949 wurde Sebus aus der Gefangenschaft entlassen. Dem jungen Mann gelang es, in seiner Heimatstadt relativ rasch wieder Fuß zu fassen. Er kehrte zu seiner alten Firma zurück und gründete eine Familie. Übrigens wagte er später trotz aller Erfolge im Karneval nie den Schritt in die Selbstständigkeit als Berufskarnevalist. Das erschien dem Familienvater mit Frau und vier Kindern als zu unsicher.

Unschätzbares Zeitdokument

Autor Frangenberg, der als Redakteur beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ arbeitet, hört Ludwig Sebus zu: „Wenn er erzählt, wird Geschichte lebendig. Wer zuhört, staunt und lernt. Seine Erinnerungen sind ein unschätzbares Zeitdokument.“ Er fragt nach: „Wie findet ein Mann, der einmal sein eigenes Grab schaufeln musste und nur knapp seiner Erschießung entkam, zurück in ein »normales« Leben? Was begleitet einen Menschen, der als Jugendlicher zum Gestapoverhör musste, und als 18-Jähriger in eine todgeweihte Infanteriedivision geschickt wurde? Was lässt sich verdrängen, was verarbeiten, was wird zum immer wiederkehrenden Albtraum?“

Sebus verweist in diesem Zusammenhang auf seinen tiefen christlichen Glauben, der ihn getragen, begleitet und ihm weitergeholfen habe. Dazu gesellt sich eine positive Grundeinstellung. Sein Lebensmotto klingt bestechend einfach: „Wann de glöcklich sin wells, maach andere glöcklich.“ Umgesetzt hat er dies mit seinen Liedern und seiner Empathie für andere Menschen. Der Sänger sei, so Frangenberg, fest davon überzeugt, dass es die von ihm besungene „kölsche Siel“ wirklich gibt.

Im Frack im „Circus Colonia“

Den ersten großen Erfolg als Sänger erzielte er mit dem Titel „Jede Stein en Kölle“ in der Session 1954/55. Ludwig Sebus ordnet seine Musik, egal ob Marsch oder Walzer, als „Krätzje“ ein. Für ihn ist ein „Krätzjersänger“ jemand, der alles selber macht. Das Texten, das Komponieren und der Vortrag müssen aus einer Hand kommen. Auch das Humorvolle, das Augenzwinkernde ist beim „Krätzje“ wichtig. Das hat Sebus bei Liedern wie „Wat e paar Bein“, „Och Verwandte, dat sin Minsche“ oder „Schön bruchste hück nit uszesinn“ meisterhaft umgesetzt.

Lesung mit Musik in der Domstube

Im Rahmen des dritten Kölner Krätzjer-Festes liest Helmut Frangenberg am Montag, 14. Oktober, 19.30 Uhr im Gaffel am Dom aus seinem Buch. Ludwig Sebus berichtet von Erfahrungen und Erlebnissen aus seinem Leben und wird das ein oder andere Liedchen singen. Als musikalischer Gast ist Klimpermännchen Thomas Cüpper dabei. Eintritt 12 Euro.

www.kölnerkrätzjefest.de

Er war lange Zeit so etwas wie das Bindeglied zwischen der alten Garde der Vortragskünstler wie Jupp Schmitz, Karl Berbuer, August Batzem, Gerhard Ebeler, Toni Steingass und Jupp Schlösser und den Bands wie Bläck Fööss, Höhner, Paveier und Räuber, die völlig neue Töne auf die Karnevalsbühnen brachten. 1985 verkündete der damals 60-Jährige offiziell seinen Rücktritt als Einzelinterpret. Fast könnte man sagen: „Und keiner hat’s gemerkt“. Denn er schrieb weiter Lieder für andere Künstler und stellte eine Gruppe zusammen, die bekannte Köln-Lieder als „Melodienreigen“ vortrug.

„Alles su widder dun.“

Mittlerweile ist der agile 94-Jährige wieder in die Rolle des Brückenbauers geschlüpft. Oder hat er sie nie verlassen? Jedenfalls war er beim „Sitzungszirkus“ in der Volksbühne am Rudolfplatz oder beim „Kölner Krätzjer-Fest“ ein hochgeschätzter Gast auf der Bühne. Ebenso selbstverständlich sprach er beim Kulturfest „Birlikte“ und warnte vor Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Mit 92 Jahren veröffentlichte er das nach Meinung von Helmut Frangenberg vielleicht schönste Lied seiner Karriere. Das Stück, das in Zusammenarbeit mit Wolfgang Löhr entstand, heißt: „Alles su widder dun.“

Eine weitere Besonderheit des Buches verdient es, herausgestellt zu werden: Im Zuge der Recherchen wurde die „Chronik des Haus Büchel“ im Bergischen gefunden, die Sebus bis dahin selbst nicht kannte. In dem Buch sind erstmals einige Seiten dieses der regionalen Geschichtsforschung bislang unbekannten Zeitdokuments aus den 30er und 40er Jahren abgedruckt.

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Die Chronik dokumentiert die katholische und bündische Jugendarbeit vor und nach dem Krieg. Das kleine Haus im Naaftal im Bergischen Land wurde zu einem Treffpunkt und Zufluchtsort für Kinder und Jugendliche vor allem aus der Pfarrei St. Michael im Belgischen Viertel. Einer von ihnen war der junge Ludwig Sebus. Das Haus lag so gut versteckt, dass weder die Hitlerjugend noch die Gestapo es bei ihren gezielten Suchaktionen im Bergischen fanden.

„Ludwig Sebus – ein kölsches Jahrhundert“

von Helmut Frangenberg; Dabbelju-Verlag, 14,99 Euro.

Um das Wirken von Ludwig Sebus als Sänger anschaulich darzustellen, sind einige Lieder über so genannte QR-Codes verlinkt. Wenn man diese mit dem Smartphone scannt, kann man die Lieder hören.

Das Buch ist auch im Shop des Kölner Stadt-Anzeiger erhältlich: DuMont Shop, Breite Str. 80-90, Köln, Tel. 0221- 56799303

www.ksta.de/shop