Auf Kölner Militärring36-Jähriger soll nach Unfall Freundin im Auto angezündet haben
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Köln – Aus dem Seat Ibizia schlagen die Flammen meterhoch, als die Feuerwehr am 13. Juli 2019 morgens gegen 5.30 Uhr zum Militärring gerufen wird. Auf der gegenüberliegenden Seite liegen zwei verletzte Personen, Fahrer und Beifahrerin. Olga B. ist schwerverletzt, mehr als vierzig Prozent ihrer Hautoberfläche ist zweiten und dritten Grades verbrannt, sie schwebt in akuter Lebensgefahr.
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Der Fahrer Jawad S. (36), Lebensgefährte der 30-Jährigen, gibt sich als Lebensretter aus: Er habe sie in letzter Sekunde aus dem brennenden Auto gezogen. Er spricht von einem Unfall, sei übermüdet gegen den Baum gefahren, der Motor habe gebrannt. Später berichtet er gegenüber Zeugen, er habe wegen überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, sei aus der Kurve geflogen. Dabei habe er auch noch eine Bordsteinkante übersehen.
Ungereimtheiten nach Unfall in Köln machen Ermittler hellhörig
Tatsächlich ist die Fahrbahn dort eine gerade Strecke. Es gibt weder Brems- noch Ausweichspuren, auch keinen Bordstein oder eine Verkehrsinsel, die er hätte streifen können. Und ein Kfz-Sachverständiger stellt eine „Aufprallgeschwindigkeit von weniger als 30 Stundenkilometer“ fest. Auch hatten die Airbags nicht ausgelöst. Die Ungereimtheiten machen die Ermittler hellhörig, aus dem Unfall und dem angeblichen Lebensretter wird eine Straftat und ein Angeklagter.
Seit Dienstag wird S. vor dem Landgericht der Prozess gemacht. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Brandstiftung war er zwei Monate nach dem Geschehen festgenommen worden und in Untersuchungshaft gekommen. Er wischt sich die Augen, als er schluchzend aus der Haft vorgeführt wird. Doch die Tränen sind rasch getrocknet, als der Prozess beginnt.
Angeklagter ist absichtlich mit Auto gegen Baum gefahren
„Er hat den Unfall fingiert, ist absichtlich gegen den Baum gefahren“, gibt Anwalt Bernhard Scholz für seinen Mandanten ein Geständnis ab. Allerdings habe er das Benzin lediglich im Fahrzeuginnenraum ausgeschüttet, keinesfalls seine Partnerin damit übergossen.
Für den Staatsanwalt hat der Angeklagte den Unfall bewusst inszeniert, möglicherweise, weil er sich in der langjährigen Beziehung zu Olga B., der Mutter der gemeinsamen beiden Kinder (8 und 4 Jahre alt), schon lange nicht mehr wohl fühlte. Zu oft hatte sich das Paar in letzter Zeit gestritten. S. kam 2010 mit seiner ersten Frau aus dem Iran nach Deutschland. Die Ehe blieb kinderlos, obwohl sich S. so sehr Kinder wünschte. S. begann eine Affäre mit Olga B., beide Frauen wussten nichts voneinander. Auch dann nicht, als Olga 2012 den gemeinsamen Sohn zur Welt brachte. Ein Jahr später kam alles raus – die Ehe wurde geschieden.
Doch zwischen S. und B. kriselte es immer wieder, obwohl 2016 noch eine Tochter geboren wurde. Freunde berichteten immer wieder von Spannungen zwischen dem Paar, das nie eine gemeinsame Wohnung bezog.
Schwerverletzte mit Hubschrauber in Klinik geflogen
In der Tatnacht hatte das Paar mit Freunden in der Kölner Innenstadt noch groß den 30. Geburtstag von Olga B. gefeiert. Alkohol floss reichlich, nur S. hatte anscheinend kaum etwas getrunken, seine Freundin jedoch umso mehr.
Noch in der Unfallnacht war die Schwerverletzte mit dem Hubschrauber ins Zentrum für Schwerverletzte in das Klinikum Duisburg geflogen worden. Sie lag einen Monat im künstlichen Koma, die schweren Verbrennungen im Gesicht, Hals, am Oberkörper und an den Armen mussten mehrfach operiert werden. Bis Ende des Jahres 2019 war Olga B. stationär in einer Reha-Klinik.
Olga B. kann sich an das Tatgeschehen nicht erinnern. Nach Überzeugung des Anklägers hatte S. seine betrunkene Freundin am Tatort mit Benzin übergossen und dann angezündet. Die Ermittler hatten mehrere Flaschen mit Benzinanhaftungen im Innenraum des Autos sichergestellt. Er kann von Glück sagen, dass die Anklagebehörde ihm kein versuchtes Tötungsdelikt zur Last legt. Die Tatsache, dass er die Freundin letztlich aus dem brennenden Auto zog, wurde ihm als strafbefreiender Rücktritt vom Versuch zugute gehalten.