Kölner Schlagzeugerin„Ich bin es gewohnt, keine Kolleginnen zu haben“
Köln – Mareike Wiening ist die neue Jazz-Kuratorin für den Kölner Club Jaki im Stadtgarten. Ein Gespräch über die Kölner und New Yorker Szene, Frauen im Jazz und weshalb sie als Kind tierisches Lampenfieber auf der Bühne hatte.
Frau Wiening, Sie sind die neue Jazz-Kuratorin für den Club Jaki im Stadtgarten. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Wiening: Ich freue mich total, neue Bands kennenzulernen und noch mehr in die Kölner Jazzszene einzusteigen. Ich bin noch relativ neu in der Stadt. Ich freue mich aber auch drauf, Kontakte von außerhalb nach Köln zu bringen.
Wie geht man als Kuratorin bei der Programmgestaltung vor?
Es hat sich schnell herumgesprochen, weshalb ich schon sehr viele Anfragen bekommen habe. Da kann ich also auswählen aus dem, was stilistisch passt. Es gibt hier den Fokus auf Modern Jazz, Straight-Ahead-Jazz, also eher in Richtung amerikanischer Jazz. Das heißt was Experimentelles wird eher aussortiert. Außerdem achte ich darauf, dass 50 Prozent Musikerinnen oder Bandleaderinnen dabei sind, was ich schon bis Mai geschafft habe. Da kommen natürlich auch welche von außerhalb, weil die Anzahl der Musikerinnen aus Köln begrenzt ist. Das wird für die Zukunft sicher nicht so einfach.
Sie haben jahrelang in New York gelebt, seit 2019 sind Sie in Köln und pendeln nach Amerika. Wie muss man sich das zur Zeit vorstellen?
Pendeln war vor Corona. Da war ich alle zwei, drei Monate mehrere Wochen in New York, zwischenzeitlich waren dann die Grenzen zu. Ich sollte im Dezember fliegen, aber dann wurde wieder alles abgesagt. Jetzt steht im Februar eine Tour an. Ich habe dort noch meine Band, mein Label ist vor Ort, es gibt viele Kontakte.
Zur Person
Mareike Wiening ist 34 Jahre alt und aus Erlangen. Sie ist auch Teil der Kölner Jazz Konferenz, der politischen Interessenvertretung des organisierten Jazz in Köln.
Mareike Wiening: „Bewusst für Köln entschieden“
Weshalb hat es Sie nach Köln gezogen?
Ich wollte schon zum Studium nach Köln, es gab allerdings keine freien Plätze in dem Jahr, also bin ich zum Studieren nach Mannheim, weil dort viele in der Lehre auch gleichzeitig in Köln unterrichtet haben wie Schlagzeuger und Professor Michael Küttner. Ich wollte eigentlich immer wechseln, habe mich aber erstmal für Kopenhagen entschieden. Danach wollte ich nach New York und dachte, ich gehe nach Köln, falls es nicht klappt. Nach sechs Jahren Aufenthalt habe ich mich dann bewusst für Köln entschieden. Ich hatte es immer im Hinterkopf und kannte immer Leute aus dem Jazz hier. Köln und Berlin sind für Jazz die zwei Hauptstandorte.
Was ist denn ein besonders hervorstechendes Merkmal der Kölner Szene?
Das Engagement der Musiker. Überall machen Clubs zu, auch in den letzten Jahren und hier macht zum Beispiel der Jazzclub King-Georg auf. Es gibt plötzlich ein Jazzfestival. Hier passieren Sachen, und das ist ein großer Unterschied zu anderen Städten in Deutschland.
Worin unterscheidet sich die New Yorker Szene?
Es ist viel, viel größer, dadurch auch unübersichtlicher und die Konkurrenz ist größer. Hier kennt man schnell Leute, das ist schön. In New York ist das ein bisschen zäh. Es gibt ganz viele Teilszenen, allein in Brooklyn gibt es vier oder fünf. Es dauert viele Jahre, bis man da durchsteigt und Kontakte knüpft.
Frauen im Jazz: „Man muss besser sein, um gleich wahrgenommen zu werden“
Eine Ihrer Intentionen ist, den Fokus mehr auf Frauen im Jazz zu legen. Der Jazz ist in männlicher Hand. Hatten Sie das Gefühl, sich durchsetzen zu müssen?
Als Frau muss man sich gerade im Jazz immer durchsetzen. Man wird nicht einfach so akzeptiert. Ich glaube, das hat sich in den letzten Jahren etwas gebessert. Als ich damals angefangen habe zu studieren, war ich die zweite, da war es krasser. Dadurch, dass es ein präsentes Thema ist, hat sich viel getan.
Sie spielen zudem Schlagzeug, ein erst recht männlich besetztes Instrument.
Ich bin es gewohnt, keine Kolleginnen zu haben. Man muss besser sein, um gleich wahrgenommen zu werden. Man muss mehr Präsenz zeigen, um die gleiche Aufmerksamkeit zu erhalten.
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Ist das Klima in der Hinsicht an der Hochschule offener?
Ja, definitiv. Es gibt oft Studentinnen, dadurch ist es einfach offener. Ich hatte immer Lehrer, die das unterstützt haben, die geschaut haben, dass Frauen da sind, dass ich keine Nachteile hatte. Sowohl hier als auch in New York. Ich hatte auch negative Erlebnisse, aber ich versuche mich auf die positiven Seiten zu konzentrieren. Wenn ich mich runtermachen lasse, komme ich nicht weiter.
Wie sehr schränkt die Pandemie Sie als Musikerin derzeit ein?
Was am meisten nervt, ist die Planungsunsicherheit. Es ist alles super kurzfristig und das macht es stressig. Zum Beispiel soll ich sechs Wochen auf Tour, aber ich weiß nicht, ob sie dann auch wirklich stattfindet, aktuell sieht es noch so aus. Im März habe ich auch noch Gigs in Deutschland. Die habe ich allerdings noch nicht abgesagt, weil wenn die Konzerte in den USA nicht stattfinden sollten, will ich die hier aber wahrnehmen.
Sie haben als Kind begonnen, Klavier zu spielen, sind dann zu Querflöte gewechselt und schließlich beim Schlagzeug gelandet. Gab es einen Aha-Moment für diesen Umschwung?
Ich habe immer Klassik am Klavier gespielt, auch mit der Querflöte, habe bei Jugend musiziert mitgemacht. Von Eltern und Klavierlehrern wurde das erwartet, dass ich Klassik studiere. Das war aber nie was für mich. Ich hatte immer totales Lampenfieber, es war schrecklich. Als ich dann das Schlagzeug kennengelernt habe, habe ich erst verstanden, was es heißt Musik zu machen. Da war es plötzlich auch total schön, auf der Bühne zu sein, mit anderen Musikern, da hatte ich auch kein Lampenfieber mehr. Diese Nervosität hatte ich mit dem Schlagzeug nie wieder.
Sie leiten ein Quintett, komponieren die Stücke. Wenn Sie Ihren Bandkollegen etwas vorstellen, nehmen sie das immer direkt an?
Ich komponiere meine Stücke so ziemlich durch, weshalb sie dann auch so angenommen werden. Beim Spielen passiert es schonmal, dass man etwas verändert, ohne darüber zu sprechen. Manche komponieren eher Skizzen, den Rest erarbeiten sie dann in er Band. Aber ich bringe das fertige Stück schon mit. Das sind die Vorteile einer Bandleaderin. (lacht)