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„Kein Zurück in altes Leben“Missbrauchsopfer kritisiert Erzbistum Köln

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Kardinal Woelki Gutachten

Kardinal Rainer Maria Woelki, hier im Februar 2021 im Kölner Dom. 

Köln – Die katholische Kirche, ein „irritiertes System“? Das klingt nach Coaching-Sprech, ist es auch. Und meint die Übertragung dessen, was das Missbrauchsopfer Johanna Beck von sich sagt, auf die Leitung und das institutionelle Gefüge der Kirche: „Ich bin aus dem Leben gekippt. Alles ist aus den Fugen geraten, und es gibt kein Zurück in mein altes Leben.“ In einer Diskussion der Karl-Rahner-Akademie über die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zeigt sich einer im Grunde unirritiert.

Markus Hofmann, der Generalvikar von Kardinal Rainer Woelki, erklärt die Krise im Erzbistum und den Aufruhr unter den Gläubigen über den Umgang der Bistumsleitung mit dem Missbrauchsskandal als Folgen von Pioniertaten: „Wir waren sehr früh unterwegs im Erzbistum.“ Die erste Interventionsstelle, der erste Betroffenenbeirat, eine Studie, die als erste die Namen von Verantwortlichen für Vertuschung und Verharmlosung von Missbrauch nennen sollte. „Da gab es keine Vorerfahrungen“, und da seien auch Fehler gemacht worden. „Wir mussten schmerzhaft und bitter lernen, aber wir haben auch gelernt“, beteuert Hofmann.

Pater Klaus Mertes, der 2010 jahrzehntelangen Missbrauch am Berliner Canisiuskolleg der Jesuiten öffentlich machte und damit eine bundesweite Skandalwelle auslöste, widerspricht. Es habe sehr wohl Erkenntnisse gegeben, auf die sich die Kölner Bistumsleitung hätte stützen können. Und auch Opfer Johanna Beck findet: „Ein paar Basics sollten da sein“. Es gebe Grundregeln für den Umgang mit Betroffenen: Sensibilität, Begegnung auf Augenhöhe und vor allem – keine Instrumentalisierung der Opfer durch die Institution und ihre Vertreter. „Das darf man nicht machen.“ In Köln dagegen seien im Umgang des Erzbistums mit dem Betroffenenbeirat „schlimme Dinge passiert“.

Erzbistum Köln kann Missbrauch nicht selber aufarbeiten

Beck, die dem Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz angehört, meint damit insbesondere eine Erklärung des Erzbistums, die das Aus für ein Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei „Westpfahl Spilker Wastl“ und den Auftrag für ein Ersatzgutachten mit dem Wunsch der Betroffenen begründete. Wenige Tage später traten mehrere Mitglieder aus dem Gremium aus, weil sie sich vom Erzbistum über den Tisch gezogen fühlten. Heute ist der Beirat ein Rumpfgremium.

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Auf Nachfrage von Moderator Norbert Bauer, dem Leiter der Rahner-Akademie, arbeitet die Runde zwei Grundprobleme der Aufarbeitung heraus. Erstens: Die Institution der Missbrauchstäter und Vertuscher kann Missbrauch und Vertuschung nicht selbst aufarbeiten. Es brauche von der Kirche unabhängige Gremien und eine Selbstorganisation der Betroffenen. Eine Art Casting, in dem Bischöfe sich „ihre“ Betroffenen aussuchen, sei unangemessen und unwürdig.

Und zweitens: Weder die Kirchenleitung noch die Betroffenen dürften einer falschen Harmoniesucht erliegen. Eine Haltung „Wir und die Opfer gemeinsam“ – nichts sei schöner für die beschuldigte Institution, warnte Klaus Mertes. Als Kardinal Woelki 2018 erklärt habe, der Betroffenenbeirat helfe dem Erzbistum bei der Aufarbeitung, habe es ihn geschüttelt, so der Jesuit. „Das ist nicht die Aufgabe der Opfer. Es ist Aufgabe der Kirche, die Opfer zu hören und auf ihre Forderungen zu reagieren.“

Argumente „gut nachvollziehbar“

Hofmann sagt, er könne Mertes Argumente „gut nachvollziehen“. Und Hofmann räumt auch hier ein, dass Fehler passiert seien. Das Erzbistum hätte das „Angebot“ des Beirats für eine gemeinsame Erklärung nicht annehmen dürfen – ein Angebot, das es nach den Worten von Patrick Bauer, dem früheren Co-Sprecher des Beirats, allerdings nie gegeben hat.

Fragen nach Woelkis Zukunft im Bistum oder einem Rücktritt muss Hofmann an diesem Abend nicht beantworten. Akademieleiter Bauer zitiert am Ende den Salzburger Theologen Hans-Joachim Sander: Es gebe fortan keinen katholischen Glauben mehr, der unbeeinträchtigt ist vom Missbrauch.