- Kardinal Joachim Meisner ist mit 83 Jahren gestorben
- Er soll „friedlich eingeschlafen“ sein
Köln – Bis in die letzten Tage seines Lebens war Kardinal Joachim Meisner ein Sorgender - im umfassenden Sinn des Wortes. Zwar heißt jeder Priester auch „Seelsorger“, abgeleitet vom lateinischen Wort der „cura animarum“. Aber bei dem an diesem Mittwoch gestorbenen langjährigen Erzbischof von Köln war das Wort Programm. Meisner war in Sorge um das Seelenheil der Menschen, mit denen er zu tun hatte, und er war in Sorge um die Kirche.
Dass er – wie das Erzbistum Köln mitteilt – jetzt in seinem Urlaub „friedlich eingeschlafen“ ist, hat insofern auch etwas Symbolisches: Ganz am Schluss durfte Joachim Meisner loslassen, brauchte nicht mehr zu kämpfen, konnte sich schlicht der Hand Gottes überlassen. So hätte er es gesehen, und so zuversichtlich-gelassen hat er immer wieder von seinem eigenen Tod geredet. Hätte er dann noch einen Wunsch frei gehabt, dann hätte der wohl gelautet, in Köln zu sterben, im Schatten des Doms, in dessen direkter Nachbarschaft er die letzten Jahre gelebt hat.
Meisner fremdelte mit Papst Franziskus
Erst vor wenigen Wochen noch hatte Meisner mit drei anderen Kardinälen einen Brief an den Papst geschrieben. Darin bat er Franziskus, die seiner Meinung nach entstandenen Unklarheiten über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und das eindeutige Zeugnis der katholischen Kirche für die Unauflöslichkeit der Ehe zu beseitigen.
Dem Pontifex in Rom zu widersprechen, den Meisner in einem sehr selbstverständlichen und sehr direkten Sinn als den Stellvertreter Christi auf Erden ansah, das zeigt, wie weit Meisner in seiner Sorge gehen konnte.
Mit dem amtierenden Papst hat er von Anfang an sichtbar und vernehmlich gefremdelt. „Seine“ Referenz-Größen waren natürlich der heiliggesprochene polnische Papst Johannes Paul II., sein Entdecker und großer Förderer, und Benedikt XVI.
Dessen Theologie und Kirchenverständnis waren ganz im Sinne Meisners: ein Schiff, das von den Wellen der Welt und der Moderne gebeutelt, das Meer der Zeit durchpflügt, seinen Passagieren Sicherheit gibt und letztlich unbehelligt den rettenden Hafen erreichen wird. Die „verbeulte Kirche“ oder das „Feldlazarett“ (Papst Franziskus) waren nicht Meisners Bilder.
In seiner Liebe zur Kunst, der Köln und die Kulturwelt das großartige Museum Kolumba verdanken, spiegelt sich seine Auffassung von der Schönheit und Reinheit, von der Größe und Wahrheit des christlichen Glaubens – und von der Kirche, die diesen Glauben zu verkünden hat. All diese Charakteristika sollten dann auch für die Amtsträger der Kirche gelten: für die Priester, die Bischöfe, den Papst – als den Repräsentanten Christi in Person. „Wer den Priester berührt, berührt Christus“, das war Meisners feste Überzeugung.
Beim Weltjugendtag in Köln 2005 legte er eine geradezu glühende Zuneigung und Verehrung für den deutschen Papst an den Tag und freute sich wie ein Kind, dass dem vormals als „Panzerkardinal“ und „Großinquisitor“ apostrophierten Kardinal Joseph Ratzinger in seiner neuen Rolle die Menschen – und insbesondere die Jugend – zujubelten.
Verborgene Seite des Kardinals
Die Sorge um die Kirche und die Sorge um den Menschen konnte Meisner streng machen, auch unerbittlich. Wer ihm privat begegnete, der konnte aber eine andere, meist verborgene Seite des Kardinals kennenlernen. Sein Bruder Peter schildert ihn auch als einen Familienmensch, der bei keinem der jährlichen Verwandtschaftstreffen fehlte. Und die Sorge von Eltern um ein krankes Kind, die Trauer um einen Verstorbenen konnte ihn sanft und mitfühlend machen.
Diese weiche persönliche Kontur bei gleichzeitiger Kantigkeit eines Prinzipienmenschens hat manche seiner Gesprächspartner überrascht und ihn selber zu einem gern bemühten Bonmot veranlasst: Das Bild, das die Medien (nicht gerade seine Lieblingszunft) von ihm verbreiteten, mache ihm die Kontaktaufnahme mit anderen leicht: „Ich kann mich immer nur verbessern“.
„Gelegen oder ungelegen“ – das war eines von Meisners Lieblingsworten, wenn ihm in kirchen- und gesellschaftspolitischen Streitfragen wieder einmal der Wind ins Gesicht blies – in Stürmen, die er immer wieder mit unbequemen, auch bewusst provokativen Äußerungen selbst ausgelöst hatte. Noch griffiger (für starke Metaphern war er seit seiner Zeit als junger Weihbischof im Bistum Erfurt bekannt, wo er dem späteren Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal auffiel) ist Meisners Selbstbeschreibung als „Wachhund“ Gottes – eines Wachhunds, der sein Fressen nicht verdiene, wenn er nicht bellt.
Der bequeme Weg ist nicht immer der richtige
So hat er es sich, aber auch den Menschen in und außerhalb seiner Kirche nie leicht gemacht. Aber das hätte er auch nicht gewollt. Er war der festen Überzeugung: Der angenehme, breite und bequeme Weg führt im Zweifel in die Hölle, der harte, steinige und steile aber in den Himmel.
Wenn der Gott, an den der Kardinal in beeindruckender, für viele faszinierender und mitreißender Festigkeit geglaubt hat, seine Verheißungen erfüllt, dann ist Joachim Meisner jetzt bei ihm im Himmel. Requiescat in Pace – er möge ruhen in Frieden.