2001 verschwindet Jan Gavin Friedrichs spurlos in Portugal. Wurde er Opfer eines Verbrechens?
Eine Kölner Ermittlerin hat sich den rätselhaften Fall noch einmal vorgenommen – und die Hartnäckigkeit zahlt sich aus.
Ein Bekannter des damals 25-jährigen Kölners übergibt ihr ein Foto, das bisher kaum jemand kannte. Nun sucht die Polizei deutschlandweit nach Hinweisen.
Köln – Das letzte Lebenszeichen von Jan Gavin Friedrichs stammt aus Portugal, es ist 19 Jahre alt – ein Telefonat zwischen Jan und seinem Vater am späten Abend des 12. Juni 2001. Seitdem fehlt von dem damals 25 Jahre alten Kölner jede Spur.
Ein Jahr zuvor war Jan Friedrichs mit seiner Lebensgefährtin nach Portugal ausgewandert, zu ihrer Familie. Ist er dort womöglich freiwillig abgetaucht? Ist er verunglückt und seine Leiche bis heute verschollen? Oder wurde er Opfer eines Verbrechens? „Alles ist möglich“, sagt Philipp Hüwe, Sprecher der Kölner Polizei. „Wir können nichts ausschließen“. Aber nun gibt es neue Hoffnung.
Kölner Ermittlerin der Vermisstenstelle nimmt sich Fall vor
Eine Ermittlerin der Vermisstenstelle der Kölner Polizei hat sich den rätselhaften Fall 2013 noch einmal vorgenommen – reine Routine, sie wollte ungelöste Altfälle auf neue Ermittlungsansätze prüfen. In den folgenden Jahren befragt sie Menschen aus Jans altem Umfeld in Köln und Umgebung, die seinerzeit nicht als Zeugen vernommen worden waren. Sie wertet Fotos aus, nimmt noch einmal Kontakt zu Jans Eltern auf – und die Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Ende 2019 übergibt ein ehemaliger Bekannter des 25-Jährigen der Ermittlerin ein Foto, das bisher kaum jemand kannte.
Das Bild zeigt den auffälligen, schwarz-gelb gemusterten VW-Bus von Jan Friedrichs, der auf einer Düne am Meer dicht hinter einem blauen Kleinbus parkt, offensichtlich irgendwo in Portugal. Wann und wo genau das Bild entstanden ist, wer es aufgenommen hat, ist unklar. Auch der Fahrer des blauen Busses ist bis heute unbekannt. In welcher Beziehung stand er zu Jan Friedrichs? Weiß er womöglich etwas über dessen Verschwinden?
„Wir hoffen, dass jemand den blauen Bus erkennt und uns Hinweise geben kann, wem er damals gehörte und wer ihn gefahren hat“, sagt Hüwe. Eine weitere wichtige Frage: „Wer hat den schwarz-gelben Bus von Jan Friedrichs nach dem 12. Juni 2001 noch gesehen und kann Angaben zu den Fahrzeuginsassen machen?“
Polizei sucht Zeugen in ganz Deutschland
Die Polizei sucht Zeugen in ganz Deutschland, vor allem in der Surferszene, denn Jan Friedrichs war begeisterter Wassersportler. Der Aufruf richte sich an alle, die sich zwischen 2000 und 2002 im Süden von Portugal aufgehalten haben, betont die Polizei – vor allem in der Gegend um Santa Clara-a-Velha, Ericeira, Peniche und Mafra.
In einem Besprechungsraum des Polizeipräsidiums in Köln sitzt an einem sonnigen Vormittag Ende Juli Jans Vater. Seinen Namen möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen. Es gehe um seinen Sohn, sagt er zur Begründung, und nicht um ihn oder seine Emotionen. Der Rentner klingt gefasst, wenn er über Jan spricht, auch wenn dessen Schicksal ihm seit 19 Jahren keine Ruhe lässt.
Solange er nicht wisse, was mit seinem Sohn geschehen sei, sagt der Vater, könne er auch nicht abschließen. Wie hat er Jan in Erinnerung? Neugierig sei er gewesen. Friedfertig, lebensbejahend, immer positiv. Ein Weltbürger, der gerne gereist sei, am liebsten mit Rucksack. Durch Thailand, auf die Philippinen, nach Australien. Der gelernte Landschaftsgärtner war vielseitig interessiert, arbeitete zuletzt als Produktionshelfer für die damalige WDR-Serie „Die Anrheiner“.
Mit Freundin nach Portugal ausgewandert
Im Frühjahr 2000 wandert Jan Friedrichs mit seiner Freundin nach Portugal aus. Sie heiraten, wohnen zunächst bei ihren Eltern. Nach ein paar Monaten ziehen sie in ein Häuschen, das Jans Mutter in der Nähe gekauft hat und das er versprochen hatte, in Schuss zu halten. Zu seinen Eltern in Köln hält er weiter guten Kontakt, wie der Vater betont. Jan habe Briefe geschrieben und zwischendurch angerufen. „Wir haben ihn immer unterstützt, in dem was er tut“, sagt der Vater.
Dann kommt der 16. Juni 2001, ein Samstag. Jans Mutter reist wie verabredet nach Portugal, sie will ihren Sohn besuchen. Der hat versprochen, sie am Flughafen abzuholen. Aber er kommt nicht. Sie fährt zu ihm nach Hause, aber auch da ist er nicht. Auch seine Frau und der schwarz-gelbe VW-Bus sind verschwunden. Die Ehefrau taucht Monate später wieder auf. In einer Befragung bei der portugiesischen Polizei gibt sie an, sie wisse nicht, wo Jan sei. Wahrscheinlich sei er – freiheitsliebend wie er war – auf eigene Faust weitergezogen. Aber ist das glaubhaft? „Wir wissen nichts“, sagt der Vater. Und spekulieren wolle er nicht.
Portugiesische Polizei stellt Nachforschungen offiziell ein
2004 stellt die portugiesische Polizei – zuständig für alle Ermittlungen vor Ort – ihre Nachforschungen offiziell ein. Mit Erwachsenen, die plötzlich und scheinbar spurlos verschwinden, verhält es sich dort genauso wie in Deutschland: Ohne triftigen Grund, zum Beispiel Hinweise auf ein Verbrechen, ermittelt die Polizei niemandem einfach so hinterher. Jeder gesunde, volljährige Mensch darf hingehen, wo er möchte. Wem er davon erzählt, ist allein seine Sache. Für die Angehörigen ist das häufig nur schwer zu ertragen. Im Fall von Jan Friedrichs indes gibt es zumindest keine offensichtlichen Tatsachen oder auch nur Andeutungen im Vorfeld, dass er geplant haben könnte, sich freiwillig aus dem Staub zu machen.
2006 werden in der Gegend um Santa Clara-a-Velha Knochen gefunden. Ein Abgleich mit DNA-Proben von Jans Eltern ergibt keinen Treffer. Im November 2015 wird ein menschlicher Schädel gefunden. Auch diesmal kein DNA-Treffer, aber zu wem der Schädel gehört, ist bis heute unklar. Die Ermittlungen der portugiesischen Polizei laufen noch immer. „Bisher gibt es keinen konkreten Zusammenhang zwischen dem Schädelfund und Jan Friedrichs“, sagt Kölns Polizeisprecher Philipp Hüwe.
Und so bleiben Jans Eltern vorerst nur die Erinnerungen an ihren Sohn. „Wir sind dankbar für die Zeit, die wir mit Jan Gavin hatten“, sagt der Vater. „Stolz darauf, ihn so in unseren Erinnerungen behalten zu können, wie er war.“