Köln – Mit einer scharfen Attacke des Verteidigers in Richtung der Anklage bog am Dienstag der Prozess um den ehemaligen Kölner CDU-Politiker Hans-Josef Bähner auf die Zielgerade ein. Anwalt Mutlu Günal warf Staatsanwalt Sinan Sengöz vor, wegen seines eigenen Migrationshintergrundes womöglich voreingenommen zu sein. Als vermeintliches Indiz zog Günal einen Auszug aus der Gerichtsakte heran. Ein Urteil im Verfahren um eine Schussabgabe könnte bereits am Montag fallen.
Verteidiger behauptet: Staatsanwalt ist beleidigt
„Sehr geehrter Herr Cengiz“, so beginnt ein Schreiben von Bähners früherem Verteidiger Daniel Wölky an Staatsanwalt Sengöz. In dem Schriftstück wurde an dieser Stelle mit Kugelschreiber ein Fragezeichen gesetzt und der falsche Name unterstrichen. Für Anwalt Günal war klar: „Wir haben hier einen Staatsanwalt, der womöglich aufgrund seines Migrationshintergrundes beleidigt ist, weil man seinen Namen falsch geschrieben hat.“ Kommentieren wollte Sengöz das am Dienstag nicht.
Mit seiner Unterstellung führt Günal seine Strategie fort, Bähner als Opfer darzustellen. Zwar ist unstrittig, dass der heute 74-Jährige vor rund zwei Jahren an seinem Grundstück in Porz auf einen jungen Mann geschossen hat. Die Motivlage wurde im laufenden Prozess aber kontrovers diskutiert. Der Beschossene spricht von vorangegangenen rassistischen Beleidigungen, die sich auch in der Anklageschrift von Sengöz wiederfinden. Bähner weist zumindest diesen Vorwurf vehement zurück.
Weiter spricht Bähner von Notwehr, der junge Mann hätte ihn auch körperlich angegriffen, dabei habe sich der Schuss gelöst. Sein Verteidiger hatte im Vorfeld sogar das Ziel eines Freispruchs ausgegeben. „Viele Menschen werden sich bei Herrn Bähner noch entschuldigen müssen“, hatte Mutlu Günal dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt. Dass Bähner straffrei ausgeht, erscheint jedoch unwahrscheinlich. Allein für illegalen Waffenbesitz droht ihm eine Gefängnisstrafe. Bähner hatte mit einer nicht auf ihn registrierten Pistole hantiert.
„Rechtes bis rechtsextremes Weltbild“
Um eine mögliche rassistisch motivierte Tat zu untermauern, wurde im Prozess das politische Weltbild des Angeklagten beleuchtet. Am Dienstag zeigte der Vorsitzende Richter Ralph Ernst diverse Facebook-Einträge vom Profil „Hajo Bähner“. Der Senior hatte über Jahre mehrere Artikel geteilt, die sich mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung beschäftigten und diese teilweise hart kritisiert. Verlinkt waren auch fragwürdige Quellen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden.
Bei Bähner ergebe sich daraus „ein politisch rechtes bis rechtsextremes Weltbild“, sagte Opfer-Vertreterin Edith Lunnebach. Die Anwältin regte an, einen Soziologen zu dieser Frage zu hören, was der Richter jedoch ablehnte. „Von rechter Rhetorik bis zur tatsächlich ausgeführten Gewalt ist es nur ein kurzer Weg, das sieht man an Hanau“, so Lunnebach. Bähner habe sich hinter einer bürgerlichen Existenz versteckt und gleichzeitig Waffen und kiloweise Munition in seinem Haus gehortet.
Zeugen hätten sich nach der Tat abgesprochen
Verteidiger Günal argumentiert damit, dass der Beschossene und dessen Freunde erst einige Tage nach dem Vorfall von Beleidigungen wie „Dreckskanaken“ oder „scheiß Ausländer“ gesprochen hätten, bei ersten Vernehmungen durch die Polizei hingegen nicht. Die Männer, die am Tattag am Rheinufer Alkohol getrunken und Musik gehört hatten, hätten sich dahingehend abgesprochen und „noch eine Schippe draufgepackt“, um Bähner noch mehr zu belasten, meint der Verteidiger.
Nach der Verlesung des Auszuges aus dem Bundeszentralregister – demnach ist Bähner nicht vorbestraft – und der Zurückweisung mehrerer Anträge schloss Richter Ernst am Dienstagnachmittag die Beweisaufnahme. Der Prozess um gefährliche Körperverletzung, der auch von Scharmützeln zwischen Verteidiger Günal und Nebenklage-Vertreterin Lunnebach geprägt war, steht somit vor dem Abschluss. Ab Montagmorgen wird plädiert, womöglich fällt im Anschluss direkt ein Urteil.