Ein Bereichsleiter musste sich bisher dem Vorwurf des Totschlags durch Unterlassen stellen.
Keine Strafe nach Tragödie auf A3So begründet das Kölner Landgericht das plötzliche Prozess-Ende
Die Ursache für den Unfalltod der 66-jährigen Kölnerin Anne Mutz wird strafrechtlich nicht mehr ganz aufgeklärt. Das Kölner Landgericht stellte am Montag die Verfahren gegen zwei Angeklagte Bauingenieure gegen Geldzahlungen von 90.000 und 60.000 Euro ein. Gegen einen weiteren Beschuldigten war das Verfahren bereits im Vorfeld gegen 30.000 Euro eingestellt worden. Der spektakuläre Prozess endet damit ernüchternd – ohne Schuldfeststellung und ohne wirkliche Strafe.
Köln: Staatsanwalt regte die Einstellung des Verfahrens an
Die Staatsanwaltschaft hatte nach weitgehender Beweisaufnahme angeregt, den seit Anfang September laufenden Strafprozess endgültig ohne ein Urteil zu beenden. Dem stimmten alle Beteiligten, darunter auch die Mutter und die Schwester der Getöteten als Nebenklägerinnen, letztlich zu. Die Schwurgerichtskammer stellte daraufhin das vorläufige Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme aus ihrer Sicht dar. Danach war der Weg frei für die Einstellung.
Der schwerste Vorwurf, der des Totschlags durch Unterlassen, richtete sich gegen einen damaligen Bereichsleiter der Firma, die vor fast 20 Jahren mit dem achtspurigen Ausbau der A3 zwischen den Anschlussstellen Dellbrück und Köln-Ost beauftragt worden war. Dazu gehörte auch die Errichtung von 200 Schallschutzplatten. Bei sieben dieser jeweils sechs Tonnen schweren Betonwände soll es zu Problemen bei der Montage gekommen sein. Was dann kam, war laut Anklageschrift Pfusch am Bau.
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Köln: Oberbauleiter wurde Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen
Laut ursprünglicher Anklage soll der 62-jährige Oberbauleiter ein statisches Gutachten ignoriert haben, das bereits früh auf eine fehlende Tragfähigkeit der improvisierten Konstruktion hingewiesen hatte. Nachbesserungen seien unterblieben. Der Angeklagte habe daher mit einem Unglück rechnen müssen. Zwei früheren Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßenbau.NRW wurde fahrlässige Tötung vorgeworfen, da sie sich nach vorläufiger Abnahmelaut laut Anklage nicht weiter gekümmert hätten.
Laut Oberstaatsanwalt René Seppi seien nicht geeignete Haltewinkel verbaut und „eigenmächtige Schweißerarbeiten“ getätigt worden. Danach habe kein ausreichender Korrosionsschutz bestanden. Viele Jahre später, am 13. November 2020, kam es zur Katastrophe. Als die 66-jährige Anne Mutz auf dem Weg zu ihrer Mutter mit ihrem VW Polo auf der A3 unterwegs war, löste sich eine der 2,50 mal 5,30 Meter großen Betonplatten. Die Frau wurde in ihrem Auto erschlagen und starb noch vor Ort.
Richterin Sibylle Grassmann führte am Montag aus, dass nicht nachweisbar sein könnte, dass die Angeklagten positive Kenntnis von der fehlenden Tagfähigkeit der Betonwand-Halterungen gehabt hätten. Der gegen den Oberbauleiter gerichtete Anklagevorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes durch Unterlassen habe sich nicht bestätigt. Verteidigerin Kerstin Stirner hatte den Vorwurf immer als abwegig bezeichnet. Zumal der Mandant die A3 diese Stelleselbst regelmäßig befahren hätte.
Köln: Mögliche Schuld steht einer Einstellung nicht entgegen
Mit Rücksicht auf den Zeitablauf von rund zwölf Jahren zwischen Montage und der Tragödie, der Vielzahl der im Nachgang zur Montage nicht vorgenommenen Überprüfungen durch Dritte sowie der Gegebenheiten einer Großbaustelle mit verschiedensten beteiligten Gewerken, so das Landgericht, stehe eine Schwere der Schuld der Angeklagten einer vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens nicht entgegen. Die relativ hohe Geldbuße beseitige zudem das öffentliche Interesse.
Dass die Anregung zur Einstellung vom Staatsanwalt kam, überrascht nicht. René Seppi hatte bereits beim Prozessauftakt signalisiert, auch bereitwillig von der Anklageschrift abweichende Beweisergebnisse zu akzeptieren: „Und wenn sich am Ende des Tages herausstellen sollte, dass es ein tragisches Unglück war, dann war das eben so.“ Zumindest ein vorsätzliches Handeln konnte nun ausgeschlossen werden. Die Angeklagten sind, trotz der Geldauflagen, weiterhin nicht vorbestraft.