Ralph Sterck will das Amt übergeben. Im Interview spricht er über Erfolge, Fehler und warum Köln seiner Ansicht nach ohne Grüne besser dastünde.
„ÖPNV in Köln ist eine Katastrophe“Ralph Sterck hört nach 25 Jahren als FDP-Fraktionschef auf
Sie sind seit 25 Jahren Fraktionschef der Kölner FDP. Wollen Sie das auch nach der Kommunalwahl 2025 bleiben?
Die FDP-Fraktion wählt turnusgemäß alle zwei Jahren ihren Vorsitzenden und bei der nächsten Wahl im November dieses Jahres werde ich nicht mehr antreten.
Warum?
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Weil ich dann die 25 Jahre voll habe und den Job gerne in andere Hände übergebe. Ich möchte mich mehr auf mein Thema, die Stadtentwicklung Kölns, konzentrieren.
Für den Rat kandidieren Sie also schon?
Ja, das würde ich gerne. Es gibt bei der Stadtentwicklung viel zu tun und ich habe viele Themen angestoßen, von denen ich das ein oder andere weiterverfolgen und möglicherweise bis zum Ende bringen möchte.
Und wer soll Ihnen nachfolgen?
Ich werde der Fraktion meinen Stellvertreter Volker Görzel als Nachfolger vorschlagen.
War Görzel deshalb in der Vergangenheit schon deutlich präsenter im Rat?
Wir arbeiten als Team zusammen, aber er hat sehr gute Beiträge in den Debatten. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, aber wir haben uns auf dieses Modell verständigt.
Sie sind jetzt 25 Jahre dabei. Wollen Sie lieber jetzt gehen, bevor die Leute sagen, es wird jetzt langsam Zeit?
Demokratie lebt vom Wechsel. Es kommen andere, jüngere nach bei uns, die Verantwortung übernehmen können.
Seit 1999 ist auch Ulrich Breite Fraktionsgeschäftsführer. Bleibt er?
Da er gewählt wird, entscheidet das die nächste Fraktion. Aber auch er will wieder für den Rat kandidieren. Nicht nur die FDP ist sehr froh, dass wir ihn haben.
Wie fällt denn Ihre Bilanz nach 25 Jahren aus?
Ich bin gelernter Oppositionspolitiker und habe in der Zeit viel Oppositionspolitik gemacht. Dafür bin ich zufrieden, wie viel wir umsetzen konnten. Große Stadtentwicklungsprojekte wie den neuen Stadtteil Kreuzfeld oder den Deutzer Hafen: Das haben wir mit angestoßen. Da bin ich stolz drauf.
Was war ihr größter Erfolg und was ihre größte Niederlage?
Ein Fehler war es, 1999 die Bezirksbeigeordneten abzuschaffen. Bis dahin kümmerte sich jeweils ein Beigeordneter um einen Bezirk, das war eine gute Sache. Doch die CDU wollte das nicht mehr und wir haben das mitgetragen. Und der größte Erfolg war der Wiederaufbau der Flora.
Sie haben die Rolle als Oppositionspolitiker angesprochen. Das heißt aber auch: Die FDP war 25 Jahre nie in einem Mehrheitsbündnis, um mehr gestalten zu können.
Wir waren dazu bereit, als wir 2015 die erste OB-Kandidatur von Henriette Reker (sie ist parteilos, Anmerkung der Redaktion) mit der CDU oder den Grünen unterstützt haben. Da waren aber insbesondere die grünen Wahlkampfpartner nicht bereit zu, das war schon sehr bedauerlich und hat mit dazu geführt, dass wir Henriette Reker fünf Jahre später nicht mehr unterstützt haben.
War es ein Fehler, ein mögliches Ratsbündnis nicht schon vor der Wahl festgezurrt zu haben?
Ich glaube, dann hätte man zu sehr das Fell des Bären verteilt, bevor er erlegt worden ist. Rekers Wahl war ja nicht von Vorneherein sicher.
Dann hat die FDP nicht viel davon gehabt, Reker zu unterstützen?
Im Grunde genommen haben wir gar nichts davon gehabt, ja. Die Ergebnisse waren nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Sie hat aus meiner Sicht den Fehler gemacht, die Verwaltungsreform als ihr zentrales Thema zu benennen und daraus ist nicht viel geworden, wenn man ehrlich ist. Deswegen finde ich es schade, dass sie sich nicht andere Themen, gerade auch in der Stadtentwicklung, genommen hat, wo sie Spuren hinterlässt. Das Zweite, was ich an ihrer Amtsführung kritisiere, ist, dass sie nicht für Mehrheiten für ihre Ideen kämpft. Da fällt dann eine Verwaltungsvorlage vom Himmel und die Politik muss sich damit beschäftigen. Die derzeitige Diskussion über die Ost-West-Achse ist das beste Beispiel. Also ich hätte einfach erwartet, dass sie auf dem Grünen-Parteitag für die Stimme der Grünen wirbt und damit auch für die U-Bahn. Damit hätte sie den Grünen auch ein bisschen geholfen, aus ihrer selbstgewählten Sackgasse rauszukommen. So etwas passiert leider nicht. So etwas passiert leider nicht.
Das heißt, es war keine gute Zeit für Köln unter OB Reker?
Das will ich nicht in der Form sagen. Es tut sich ja doch noch eine ganze Menge in Köln, auch wenn es alles viel zu langsam geht. Aber ich glaube, dass man mehr Dynamik hätte entwickeln können. Das lässt sich in Düsseldorf und dem früheren Kölner Stadtdirektor Stephan Keller betrachten, der dort als OB erfolgreicher ist.
Sie selbst waren in der Vergangenheit OB-Kandidat. Wie sieht das bei der FDP 2025 aus?
Wir haben beschlossen, dass wir mit einer eigenen Kandidatin oder einem eigenen Kandidaten in die Wahl gehen. Die Findungskommission hat auch schon getagt. Die Kreiswahlversammlung ist für den 21. September angesetzt, an dem Tag soll die OB-Kandidatin oder der OB-Kandidat gewählt werden soll.
Mit Blick auf die Wahl 2025, wie schätzen Sie denn dann die Situation der FDP ein? Auf der Bundesebene steht die FDP ganz schön im Feuer als Teil der Bundesregierung. Aktuell hat die FDP fünf Sitze im Stadtrat. Kriegt man die nochmal?
Sie haben Recht, wir kriegen aktuell, wie das Andreas Pinkwart mal bei einer Wahl so schön formuliert hat, aus Berlin so viel Rückenwind, dass uns die Augen tränen. Ich bin froh, dass es zwischen der Bundestags- und der Kommunalwahl einen kleinen zeitlichen Abstand gibt. Eigentlich stimmt uns das Europawahlergebnis sehr positiv. Wir hatten 6,7 Prozent und haben uns gesteigert. Wenn wir ungefähr in diesem Bereich landen und dann vielleicht sogar um das sechste oder siebte Ratsmandat kämpfen können, das wäre ein Ziel, das wir sicherlich erreichen könnten.
In Köln holen die Grünen seit Jahren den Sieg bei Wahlen, auch wenn sie bei der Europawahl stark verloren haben. Sie wiederum machen ja auch mal Facebook-Videos, wo Sie vor einem Auto stehen und sagen, warum werden denn die SUVs verteufelt? Fühlen Sie sich da noch inhaltlich auf der Höhe der Zeit in Köln?
Ich bleibe auf jeden Fall bei meinem Standpunkt und lasse mich nicht vom Zeitgeist wegpusten. Die Grünen tragen in Köln seit 24 Jahren mit einem Jahr Unterbrechung Verantwortung. Momentan stellen die Grünen den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, den Vorsitzenden des KVB-Aufsichtsrates und den Verkehrsdezernenten. Und trotzdem ist der öffentliche Personennahverkehr in Köln eine Katastrophe. Und auch was den Ausbau angeht, ist die Situation ernüchternd und man muss sich fragen: Was haben die Grünen eigentlich erreicht? Natürlich hat die Situation viele Ursachen, aber die Grünen sind mit in der Verantwortung. Wenn der Verkehrsdezernent mitteilt, er habe keine Planungskapazitäten, um die Linie 13 im südlichen Gürtel auszubauen, muss ich sagen: Das ist auch ein grünes Problem. Wir müssen den ÖPNV schneller ausbauen. Sonst kann man den Autofahrerinnen und Autofahrern nicht immer mehr die Daumenschrauben anlegen und Parkplätze vernichtet, ohne Alternativen zu schaffen, beispielsweise durch einen besseren ÖPNV oder auch durch Quartiergaragen.
Fänden Sie es denn legitim, das Auto aus der Innenstadt zurückzudrängen, wenn all diese Dinge geschehen würden?
Ich glaube, dass wir das Auto auch in Zukunft brauchen werden, um Köln als Ziel attraktiv zu halten für Pendler, die aus Bereichen kommen, in denen es keinen ÖPNV gibt. Oder auch für Touristen oder Menschen, die einkaufen oder Kultureinrichtungen nutzen wollen. Das Auto wird das zentrale Verkehrsmittel bleiben. Die Zulassungszahlen steigen ja nach wie vor. Da wird mit den Lenkrädern abgestimmt, dass die Kölnerinnen und Kölner diese Freiheit haben wollen. Aber natürlich wollen wir das ÖPNV-Angebot stärken, damit die Menschen auch mal das Auto stehen lassen.
Wie stehen Sie zu Tempo 30 in der Stadt?
Ehrlicherweise kann man oft ja ohnehin nicht viel schneller fahren.
Auf der Luxemburger Straße wollte die Stadt das auch einführen.
Das war ein Reizthema. Da geht es um das Verfahren und die Eigenmächtigkeit, wie Verkehrsdezernent Egerer an der gewählten Politik vorbei vorgeht. Und es ist ja nicht das einzige Beispiel: Ähnlich war es auf der Deutzer Freiheit oder der Trankgasse.
Ist er eine Fehlbesetzung?
Wir haben ihn damals nicht mitgewählt und ich bin sehr froh, dass wir ihn nicht mitgewählt haben und dafür keine Verantwortung tragen. Für Köln wichtige Themen wie gerade der ÖPNV-Ausbau finden zu wenig Beachtung. Es werden viele Radwege neu gemalt. Das sind auch Sachen, die notwendig sind, aber es ist immer auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit. 36 wegfallende Parkplätze für einen unnötigen Radweg auf dem Theodor-Heuss-Ring sind nicht verhältnismäßig.
Die Oberbürgermeisterin hat zuletzt den Aufsichtsrat der Kliniken für die Situation an den defizitären Kliniken mitverantwortlich gemacht. Sehen Sie das bei der KVB auch so? Hat der Aufsichtsrat es zu lange laufen lassen und jetzt ist die KVB in dieser schlechten Situation?
Ich persönlich ärgere mich bei der KVB über das Prinzip, den Betriebsratsvorsitzenden zum Vorstandsmitglied zu machen. Aus meiner Sicht ist es wenig erfolgreich.
Sie haben in der Vergangenheit öffentlich thematisiert, dass der Vorstand angesichts der schlechten Betriebsqualität keine Boni oder weniger bekommen sollte. Aber die Bedingungen für die Boni hat doch der Aufsichtsrat selbst beschlossen.
Die Kriterien waren zu einfach und führten an den Problemen vorbei. Die Zuverlässigkeit des Fahrplans war zu wenig gewichtet – das haben wir jetzt im Aufsichtsrat versucht zu korrigieren. Aber daran müssen wir weiterarbeiten. Wenn die Fahrgäste leiden, dann sollte der Vorstand auch leiden. Und ich rede ja auch mit Beschäftigten der KVB und die berichten von einem zerrütteten Betriebsklima, weil die Streitereien sich vom Vorstand bis in die Belegschaft fortsetzen.
Dabei hätte die KVB ja genug andere Sorgen. Angesichts der finanziellen Sorgen der Stadt steht die groß proklamierte Verkehrswende doch vor dem Aus.
Ja, das wird eine ganz spannende Debatte jetzt im Haushalt werden, weil das Wachstumsszenario viel Geld kostet, das die Stadt eigentlich nicht hat. Die Fördertöpfe des Bundes sind voll. Während andere Städte Planungen für den ÖPNV-Ausbau in der Schublade haben, die sie jetzt zücken können und dafür gefordert werden. Die Stadt Köln ist aber absolut blank.
Deshalb nochmal die Frage zur Verkehrswende: Ist die überhaupt umsetzbar? Die Stadt Köln musste die Haushaltsaufstellung verschieben, es wird gespart. Ist es nicht so, dass die Situation des ÖPNV erstmal weiter schlechter wird?
Also, so wie momentan funktioniert die Verkehrswende auf jeden Fall nicht. Und deshalb finde ich es so falsch, das Auto zu verteufeln, ohne Alternativen zu schaffen. Diese zu schaffen, ist die Verantwortung der Stadtspitze und der grün-schwarzen Ratsmehrheit. Die Stadt gibt viel Geld unnötig aus, beispielsweise 30 Millionen Euro für die stillgelegte Hubschrauberstation auf dem Kalkberg. Wenn man dafür Geld hat, aber für den ÖPNV-Ausbau nicht, dann setzen Verwaltung und Ratsmehrheit aus meiner Sicht die falschen Prioritäten.
Die Kliniken der Stadt machen seit Jahren Hunderte Millionen Euro Verlust, der Verbund mit der landeseigenen Uniklinik Köln ist mehr oder weniger erledigt. Sind Sie als FDPler für eine Privatisierung, auch wenn es dafür gerade keine Mehrheit im Rat gibt?
Das ist gerade leider kein Thema, weil einfach die politischen Mehrheiten fehlen. Wir als FDP haben da keine Berührungsängste bei privaten Partnern. Aber das ginge höchstens mit der CDU und damit fehlt uns eine Mehrheit.
In Berlin regiert die FDP mit SPD und Grünen. Ist das auch eine Alternative für Köln nach der Wahl 2025?
In der Kommunalpolitik ist es leichter, eine Koalition zu bilden als in Berlin, weil einfach die Themen viel mehr an der Sache dran sind als an irgendwelchen ideologischen Fragen. Von daher ist vieles möglich. Ich finde nach 25 Jahren mit den Grünen wäre mal eine Mehrheit ohne die Grünen gut. Ich glaube, dass sich die Stadt dann besser entwickeln wird, als sie es in den letzten Jahren getan hat. Man muss aber abwarten, wie die CDU dasteht. In Köln hat sie zuletzt bei der Europawahl nicht den Erfolg wie auf der Bundesebene gehabt. Das kann auch an ihren parteiinternen Streitigkeiten liegen, die sie bis zur Kommunalwahl in den Griff bekommen sollte.
Zur Person:
Ralph Sterck ist 1965 in Köln-Mülheim geboren. Nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann hat er 2001 ein nebenberufliches Studium zum Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Mittlerweile arbeitet er als Referatsleiter im NRW-Wirtschaftsministerium. Sterck ist seit 1999 Vorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion. Inhaltlich ist die Stadtentwicklung sein Schwerpunkt.