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Nations Cup CologneRollstuhlbasketball-Nationalmannschaft bereitet sich auf Paralympische Spiele vor

Lesezeit 5 Minuten
Rollstuhl-Basketballer Thomas Reier

Thomas Reier ist Spieler der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft und nimmt an den Paralympics 2024 in Paris teil.

Der Nations Cup Cologne ist für viele Teams eine Generalprobe vor den Spielen in Paris.

Bundestrainer Michael Engel hatte eine Art Autoscooter versprochen. „Die ganze Zeit Action und ständig kracht es“ – so beschrieb der Coach der deutschen Männer-Nationalmannschaft den Rollstuhlbasketball in der Theorie. Praxisbeispiele gibt es noch bis Sonntag einige zu sehen in Köln. Beim Nations Cup Cologne treffen die Deutschen aktuell in der Sporthalle Bergischer Ring auf sieben weitere internationale Top-Mannschaften. Für sechs der acht Teams ist es die Generalprobe vor den Paralympischen Spielen in Paris, unter anderem für die Deutschen.

Am Freitagnachmittag spielten sie gegen Südkorea und die Partie hielt, was Engel angekündigt hatte. Die Männer in ihren maßgeschneiderten, rund 10.000 Euro teuren Rollstühlen gehen nicht unbedingt zimperlich um mit ihren Sportgeräten, sich selbst und den Konkurrenten. Sie vollführen rasante Fahrmanöver, krachende Tacklings und hin und wieder fällt auch mal jemand um. Sich festgeschnallt in einem Rollstuhl wieder aufzurichten, sieht nicht unbedingt elegant aus, aber es funktioniert.

Der Korb hängt genauso hoch wie im Fußgänger-Basketball

Wunderschön anzusehen sind dagegen Alleingänge mit erfolgreichem Korbleger als Abschluss oder formvollendete Würfe von der Dreier-Linie. Der Korb hängt genauso hoch wie im Fußgänger-Basketball und was dort begeistert, das geht alles auch im Rollstuhl. Am Ende sind die Deutschen klar im Vorteil und gewinnen mit 92:62.

Damit feierte das Team von Engel nach einem Auftakterfolg gegen Spanien am Donnerstag (62:50) bereits den zweiten Triumph in Köln. Südkorea ist wie Japan nicht für Paris qualifiziert, aber die Spanier sind immerhin als EM-Zweite angereist. Rückschlüsse auf mögliche Chancen seiner Mannschaft in Paris will Engel aber nicht ziehen. „Ob wir gewinnen oder verlieren, ist in der Vorbereitung total egal“, sagt der Trainer, „es geht darum, unsere Spielidee umzusetzen. Dafür ist dieses Turnier in Köln optimal, wir könnten uns keine bessere Möglichkeit malen.“

Kölner Team spielt seit 2006 in der ersten Bundesliga

Der Rollstuhlbasketball hat in Köln eine lange Tradition, seit 2006 spielt das Top-Team in der ersten Bundesliga. Bis 2008 war es beim Rollstuhlclub Köln (RSC Köln) ansässig, seither gehört es als Rollstuhlbasketballclub zu den Köln 99ers. Geschäftsführer ist Sedat Özzbicerler, selbst ehemaliger Bundesliga-Spieler und Spielertrainer. Die 99ers sind Ausrichter des Nations Cup und Özzbicerler ist mit dem bisherigen Verlauf hochzufrieden. „Man weiß natürlich nicht, was die Coaches so kurz vor den Paralympics preisgeben wollen“, sagt er, „aber die Partien sind sehr intensiv“.

Und die Spieler dürfen träumen, auch wenn der Trainer nicht offiziell von einer Medaille als Ziel spricht. Thomas Reier etwa, dem Kölner im deutschen Team, hat es das Stück Eifelturm in den Pariser Plaketten angetan. „So etwas möchte man gern zu Hause hängen haben“, sagt der 24-Jährige. Eine Muskelschwäche hindert ihn daran, längere Strecken zu Fuß zu gehen. Mit 11 Jahren entdeckte er daher den Rollstuhlbasketball, seit er 13 ist spielt er für die Köln 99ers. Und in Paris wird er sein Paralympics-Debüt geben.

Start der Spiele ist am 28. August

„Ich freue mich unglaublich drauf“, sagt Reier. Viel Einsatzzeit bekommt er aktuell noch nicht. Aber er ist dabei und kann von den etablierten Kollegen lernen. Am 28. August geht es los, dann wird die große Sport-Party in Paris fortgesetzt. Und wie bei den Olympischen Spielen ist in jede Medaille ein kleines Stück des Eifelturms eingearbeitet.

Thomas Reier, Spieler der deutschen Rollstuhl-Basketballnationalmannschaft

Thomas Reier nimmt zum ersten Mal an den Paralympischen Spielen teil.

Reier ist einer von 57 deutschen Paralympics-Debütanten, insgesamt stehen 143 Athletinnen und Athleten sowie fünf Guides (Begleiter für Menschen mit Seebehinderung) im Team D Paralympics, der Mannschaft des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). Die Wettbewerbe in der französischen Hauptstadt laufen bis zum 8. September. Rund 4.400 Athletinnen und Athleten aus 184 Nationen treten in 22 Sportarten gegeneinander an, es werden 549 Wettbewerbe ausgetragen.

Große Vorfreude im deutschen Team

Die Vorfreude ist groß im deutschen Team. „Es kribbelt“, sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher am Freitag in Köln. Der Verband hatte in die Straßenkicker-Base von Lukas Podolski geladen, um letzte Einblicke ins deutsche Team zu geben. Dort präsentierten sich auch Spielerinnen der Damen-Nationalmannschaft. Sie bestreiten bis Sonntag in der Nähe von Arnheim drei Partien gegen Paralympics-Titelverteidiger und Topfavorit Holland. Mit dabei ist auch die Kölnerin Lisa Bergenthal. Sie ist wie Thomas Reier bei den Köln 99ers groß geworden, spielte in der abgelaufenen Bundesligasaison aber für Trier.

DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher mit drei Spielerinnen der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft. Von links: Mareike Miller, Lilly Sellak, Svenja Mayer

DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher mit drei Spielerinnen der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft: Mareike Miller, Lilly Sellak, Svenja Mayer (v.l.)

Im Alltag geht es sehr inklusiv zu beim Rollstuhlbasketball und Reier schwärmt, dass ihm der Sport als Kind „soziale Kontakte und sehr viel Spaß“ ermöglicht habe. Im Verein gibt es drei Teams und die Rolli-Rookies, eine Kindergruppe. In allen Mannschaften spielen Männer, Frauen, Jungs, Mädchen, Rollstuhlfahrer und Fußgänger gemeinsam. Seit 2003 richtet der Verein immer kurz vor dem Start der Bundesliga-Saison das „Kick Off Turnier“ aus, dazu werden Ende September auch Mannschaften aus den USA und Polen erwartet.

Die Vorgabe des Bundestrainers: Fitter und besser in der Defense als alle anderen

Reier und seine Nationalmannschafts-Kollegen kommen gerade aus dem italienischen Livigno, dort haben sie drei Wochen lang auf 1800 Metern ein Höhentrainingslager absolviert. Michael Engel, Ende des vergangenen Jahres nach zunächst missglückter Qualifikation für Paris kurzfristig zum neuen Rollstuhlbasketball-Bundestrainer erkoren, sprüht vor Begeisterung für seinen Job und seine Mannschaft. Das Ticket wurde erobert, jetzt lautet Engels nächste Vorgabe: fitter sein und besser in der Defense als alle anderen.

Die paralympischen Erfolge deutscher Rollstuhlbasketballer halten sich bislang in Grenzen, 1992 gab es mal Silber. Ganz anders bei den deutschen Frauen: sie wurden zuletzt 2012 in London Paralympicssieger. 2008 in Peking holten sie Bronze und 2016 in Rio Silber.

Über die deutschen Männer sagt Engel: „Wir fahren nicht nach Paris und sagen, wir sind die Allerschärfsten. Wir müssen in jedem Spiel unser Bestes geben, um überhaupt eine Chance zu haben.“ In Köln präsentierte sich die Mannschaft am Freitag ungemein bissig. Am Samstag trifft das Team noch auf Frankreich, am Sonntag werden die Platzierungen ausgespielt. Dann können die Paralympischen Spiele kommen. Es gilt, Stücke des Eifelturms zu erobern.