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Pisa-Test fürs WasserKölner Sporthochschule untersucht, wie gut Kinder schwimmen können

Lesezeit 4 Minuten
Kölner Kinder schwimmen deutlich schlechter als vor fünf Jahren (Symbolbild).

Kölner Kinder schwimmen deutlich schlechter als vor fünf Jahren (Symbolbild).

Immer mehr Kinder können nicht schwimmen. Die Sporthochschule Köln initiiert deswegen eine Art Pisa-Test fürs Wasser.

In der vergangenen Woche haben alle Kölner Schulen Post von der Deutschen Sporthochschule Köln bekommen: Kinder zwischen sechs und elf wurden eingeladen, an einer Studie teilzunehmen, die sich als Pisa-Test fürs Schwimmen bezeichnen lässt: „Wir wollen in einer rund dreistündigen Erhebung möglichst genau ermitteln, wie Kinder in diesem Alter schwimmen können – wie sie Gefahren und sich selbst einschätzen und wie sie Aufgaben im Wasser bewältigen können“, sagt Ilka Staub vom Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten an der Sporthochschule.

Wir erhoffen uns Erkenntnisse darüber, wie gut oder schlecht unsere Kinder schwimmen können – und was wir verbessern müssen, um die Trends der vergangenen Jahre umzukehren
Ilka Staub, Sportwissenschaftlerin

Neben Deutschland nehmen Frankreich, Polen, Portugal, Norwegen, Belgien und Litauen an der von der Europäischen Union finanzierten Studie teil. In einer Pilotphase, in der überprüft wird, ob die Methode zu verlässlichen und vergleichbaren Ergebnissen führt, nehmen 90 Kinder pro Land teil, insgesamt sollen es 400 sein. „Die Studie ist noch nicht repräsentativ. Wir erhoffen uns aber grundlegende Erkenntnisse darüber, wie gut oder schlecht unsere Kinder schwimmen können – und was wir verbessern müssen, um die Trends der vergangenen Jahre umzukehren“, so Staub.

Ilka Staub von der Deutschen Sporthochschule

Ilka Staub von der Deutschen Sporthochschule; Ilka Staub von der Sporthochschule Köln

In der Corona-Pandemie war der Schwimmunterricht für zwei Jahre fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Zwischen 2017 und 2022 hatte sich einer Forsa-Umfrage zufolge die Zahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen können, von zehn auf 20 Prozent verdoppelt. In vielen Kölner Vierteln müssen Eltern ihre Kinder Jahre im Voraus für einen Anfängerkurs anmelden, Aufnahmestopps wegen voller Wartelisten sind eher die Regel als die Ausnahme.

DLGRG: Kinder direkt nach Geburt zum Schwimmkursus anmelden

Die DLRG empfiehlt ihren Mitgliedern, ihre Kinder gleich nach der Geburt für einen Schwimmkurs anzumelden. „In Köln stehen mehr als 3000 Kinder auf Wartelisten für Schwimmlernkurse“, sagt Robert Becker, Vorsitzender des Ortsverbands der Kölner Schwimmvereine (OKS). „Die Vereine sind nicht in der Lage, den Ansturm zu bewältigen und die für die Schwimmausbildung verlorenen Corona-Jahre auch nur teilweise aufzuholen.“

Deutschlandweit gehe die Schwimmfähigkeit von Kindern auch deswegen tendenziell zurück, weil „bundesweit immer weniger Grundschulen Zugang zu Lehrschwimmbecken oder Schwimmbädern haben“, sagt Martin Holzhause, Sprecher des DLRG-Bundesverbands. 2006 hatte nach einer Studie des Deutschen Schwimmverbandes jede fünfte Grundschule nicht die Möglichkeit, Schwimmunterricht anzubieten. „Seitdem gibt es mehrere Hundert Bäder weniger in Deutschland“, sagt Holzhause.

Schwimmvereine erfahren seit Jahren starken Zulauf

In Köln hat sich die Zahl der Mitglieder in Schwimmvereinen in den vergangenen Jahren stark erhöht – die Schwimmbadflächen seien in etwa gleichgeblieben, sagt eine Sprecherin der Kölnbäder. Die Zahl der Schulschwimmstunden habe sich von 61.464 im Jahr 2014 auf rund 76.000 in diesem Jahr erhöht.

Das Angebot der Stadt Köln sei „sicherlich besser als in manchen anderen Kommunen“, sagt Alexander Lustig, stellvertretender Bezirksleiter des Kölner DLRG. Es gebe allerdings „zu wenige dezentrale Schulbäder“, viele seien zudem in einem schlechten Zustand. „Das erschwert die flächendeckende ortsnahe Ausbildung.“

Die Ausbildungskapazitäten müssten deutlich erhöht werden. „Die Vereine können einen wichtigen Beitrag leisten, sind aber alleine nicht in der Lage, die Nachfrage zu decken. Hier fehlt es sowohl an Ausbildern – die DLRG arbeitet ausschließlich ehrenamtlich – als auch an Wasserzeiten in den Bädern. Leider schaffen es auch die Grundschulen trotz ihres klaren Auftrags nicht mehr, die Schüler ausreichend auszubilden“, so Lustig.

Schere zwischen guten Schwimmern und Nicht-Schwimmern immer größer

„Schwimmen zu unterrichten ist auch wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder sehr komplex“, sagt Wissenschaftlerin Ilka Staub. „Die Schere zwischen den Kindern, die gut schwimmen können und jenen, die es kaum oder gar nicht können, ist in der Corona-Zeit noch weiter auseinandergegangen.“ Durch die Studie erhofft sich Staub Rückschlüsse für einen zielgerichteteren Unterricht – und eine weitere Sensibilisierung für die Wichtigkeit, gut schwimmen zu können. „Es gibt wohl wenige Sportarten, die so gesund sind und bis ins hohe Alter betrieben werden können“, sagt Staub. „Investitionen ins Schwimmenlernen und in Bäder dienen also am Ende allen.“

Obwohl Grundschulkinder tendenziell heute schlechter schwimmen als noch vor fünf Jahren, scheinen die Menschen insgesamt sensibler für die Gefahren des Schwimmens geworden zu sein: Ertranken laut DLRG-Statistik im Jahr 2002 noch 598 Menschen in Deutschland, so waren es im vergangenen Jahr lediglich 355. „Tendenziell ereignen sich mehr Badeunfälle, je mehr warme Tage es im Jahr gibt“, sagt DLRG-Sprecher Martin Holzhause.

Es gebe auch einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit schwerer Badeunfälle und Herkunft – überdurchschnittlich oft sind Menschen aus Ländern ohne Badekultur betroffen. Ausgewertet werden diese Daten bislang nicht – die von der Deutschen Sporthochschule Köln mitgetragene Studie soll auch darüber Erkenntnisse sammeln.

Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation kam vor vier Jahren zu dem Ergebnis, dass es in der Europäischen Union im Schnitt 2,1 Todesfälle pro 100.000 Einwohnern gibt. In Deutschland waren es lediglich 0,5, in Litauen dagegen 5,4.