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Köln steht auf

Kommentar

„Aufstehen für die Demokratie“
Wir müssen die Logik der Entzweiung durchbrechen

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Viele Menschen in Köln und der Region haben in den vergangenen Wochen gegen Rechtsextremismus protestiert.

Viele Menschen in Köln und der Region haben in den vergangenen Wochen gegen Rechtsextremismus protestiert.

Es ist das kalte Kalkül der Extremisten, Menschen nach Freund und Feind zu sortieren. In diese Falle darf die Verteidigung der Demokratie nicht gehen. Ein Kommentar.

Es war ein sprechender Moment, als in einem Moskauer Gerichtssaal der russische Menschenrechtler Oleg Orlow am Dienstag in Handschellen gelegt und von Maskierten in Uniform abgeführt wurde: In Putins autokratischem Staat werden alle gefesselt und mundtot gemacht, die es wagen, selbstständig zu denken und – schlimmer noch – frei zu sprechen.

„Nicht nur öffentliche Kritik ist verboten, sondern auch jede unabhängige Beurteilung“, hat Orlow vor Gericht gesagt. Seine kurze Ansprache ist, ähnlich wie das Schlusswort des jetzt unter mysteriösen Umständen gestorbenen Putinkritikers Alexej Nawalny nach seiner Verurteilung, ein eindrucksvolles Dokument der Unerschrockenheit und der Zivilcourage. „Für Handlungen, die scheinbar überhaupt nichts mit Politik oder Kritik an den Behörden zu tun haben, kann eine Bestrafung folgen. Es gibt keinen Bereich der Kunst, in dem freie künstlerische Ausdrucksformen möglich sind. Es gibt keine freien akademischen Geisteswissenschaften und es gibt kein Privatleben mehr.“

Was der Co-Vorsitzende der NGO „Memorial“ schildert, die 2022 in Russland verboten und in Oslo mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, das ist der Untergang des Lebens in einem demokratischen Rechtsstaat. Dessen Freiheiten genießen wir in Deutschland seit mehr als 70 Jahren. Wie wenig selbstverständlich das ist, das führt der Fall Russlands, aber auch vieler anderer, gar nicht so weit entfernter Länder drastisch vor Augen. Inzwischen kann man unser Gesellschaftsmodell noch nicht einmal mehr als Normalität bezeichnen: Demokratie – das ist der Ausnahmezustand.

Demokratie braucht den Aufstand der Demokratinnen und Demokraten

Wenn man sich dessen bewusst wird, dann hat das zwei Konsequenzen. Zum einen kommt Unmut, ja Zorn auf über die Leichtfertigkeit, mit der manche Verantwortungsträger aus Politik und Wirtschaft im selbstsüchtigen Parteienstreit das Vertrauen in demokratische, parlamentarische Verfahren aufs Spiel setzen.

Auch wir, die Medien, tragen dazu bei, wenn wir reflexhaft am Konflikt mehr Gefallen finden als am Konsens. Nicht dass die großen Fragen unserer Zeit keinen Streit vertrügen – im Gegenteil: Die Abwesenheit von Streit in der Demokratie ist nichts anderes als Friedhofsruhe. Aber es gibt das zerstörerische Zündeln, mit dem der vermeintlich neutrale Beobachter selbst zum Brandstifter wird.

Ich bin aufgewacht aus meinem Dornröschenschlaf
Schauspielerin Annette Frier im Rahmen der Aktion „Wir stehen auf für die Demokratie“

Das führt auf eine zweite Schlussfolgerung. Wenn Demokratie der Ausnahmezustand ist, dann braucht sie den Aufstand der Demokratinnen und Demokraten. Seit einigen Wochen haben Millionen von Menschen in Deutschland das begriffen. Sie stehen buchstäblich auf, demonstrieren gegen den Rechtsextremismus und seine menschenfeindliche Ideologie. „Ich bin aufgewacht aus meinem Dornröschenschlaf“, bekennt die Schauspielerin Annette Frier im Rahmen der Aktion „Wir stehen auf für die Demokratie“.

Zusammen mit prominenten und nicht-prominenten Menschen aus Köln und der Region möchte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mehr als nur ein Zeichen setzen. Denn einmal wach geworden, stellen sich zwangsläufig die Fragen: Und jetzt? Wie weiter? Was tun?

Das Wichtigste, sagen Gesellschaftswissenschaftler und Sozialpsychologen, ist das Durchbrechen einer Logik der Konfrontation und der Entzweiung, die Menschen erst auseinandertreibt und dann aufeinander los jagt. Es ist exakt das kalte Kalkül der Extremisten, Menschen nach Freund und Feind zu sortieren. In diese Falle darf die Verteidigung der Demokratie nicht gehen. Das bedeutet: Wir müssen in den Dialog gehen und im Gespräch bleiben.

Raus aus den Komfortzonen

Wir müssen heraus aus den Komfortzonen. Wir müssen unseren Plausibilitäten, vermeintlichen Gewissheiten und ja, unseren Stereotypen misstrauen. Das haben wir uns nicht zuletzt auch als Redaktion vorgenommen und in die Hand versprochen.

Aufstehen für die Demokratie! Das geht nur gemeinsam. Und nicht nur Oleg Orlow würde sagen: Es lohnt sich.


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