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„Bizarr anmutender Fall“Zwei Männer entführen Kölner Psychologin – Kuss nach Urteil

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Die Angeklagten – mit den Verteidigern Petra Wunsch und Salih Kocak – verstecken ihre Gesichter vor den Pressekameras.

Die Angeklagten – mit den Verteidigern Petra Wunsch und Salih Kocak – verstecken ihre Gesichter kurz vor dem Urteil vor den Pressekameras.

Die Täter hatten die Therapeutin in eine Kiste gesteckt und verschleppt. Nun wurden Haftstrafen gegen sie verhängt.

Ein „bizarr anmutender Fall“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Stollenwerk, nachdem er am Montag zwei Männer für die brutale Entführung einer Kölner Psychotherapeutin zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt hat. Äußerlich unbeeindruckt nahmen die Angeklagten, die einander heiraten wollen, den Schuldspruch entgegen. Nachdem der Richter die Sitzung geschlossen hatte, hielten sich die beiden an den Händen, sahen sich tief in die Augen und verabschiedeten sich mit einem Kuss.

Köln: Bedingungslose Liebe zwischen den Angeklagten

Diese auch im Gericht zur Schau gestellte Zuneigung zwischen dem 40-jährigen Hueseyin D., studierter Jurist, und dem 55-jährigen Frank M., Intensivpfleger und Leiter eines Seniorenheims, hatte letztlich zu der angeklagten Tat geführt. So habe der Jüngere seinen Lebensgefährten davon überzeugt, dass er als Patient von der Kölner Therapeutin ausgenutzt und betrogen worden sei. „Die hat meine Seele vergewaltigt“, hatte D. geäußert. Die Frau habe daher einen Denkzettel verdient.

Blind vor Liebe, die bedingungslos sein sollte, habe der 55-Jährige, ein dreifacher Vater und dreifacher Großvater, sich von seinem Partner in stundenlangen Gesprächen dazu überreden lassen, die Therapeutin zu entführen. Nicht nur sollte ein Schuldeingeständnis dafür erpresst werden, dass die Psychologin ihren Patienten falsch behandelt und nicht etwa an einen Psychiater verwiesen habe, sondern auch ein „Schmerzensgeld“. Von 15 Millionen Euro war die Rede, später von 1,5 Millionen.

Kölner Richter spricht von akribischer Tatplanung

„Die Entführung wurde über Monate akribisch geplant“, erklärte Richter Stollenwerk. Man habe Chloroform, Beruhigungsmittel und Spritzen im Internet besorgt, dazu eine Metallkiste und eine Sackkarre, auch sei ein Transporter angemietet worden. Der Tatplan sei sogar schriftlich fixiert worden, mit einer Liste, wer welche Besorgungen tätigen sollte. Der Pfleger habe dann unter falschem Namen eine E-Mail an die Therapeutin geschrieben und um einen Termin gebeten.

Im vergangenen Oktober hatten die Männer ihren Plan in die Tat umgesetzt. Sie überwältigten die Therapeutin in ihrer Praxis, betäubten sie und steckten sie in die Kiste. Die Frau hatte sich nach Leibeskräften gewehrt, doch erfolglos. In der Eigentumswohnung des Pflegers in Niehl angekommen, wurde das Opfer in ein abgedämmtes Bad gebracht, an vorbereitete Haken an der Wand gefesselt. Der gelernte Pfleger legte ihr einen Venenzugang, um ihr Diazepam zur Beruhigung einzuflößen.

Köln: Gedroht, einen Pornofilm mit dem Opfer zu drehen

Die Staatsanwältin Daniela Fuchs hatte das Bad beschrieben, als handele es sich um die Szenerie eines Horrorfilms. Auch Windeln hatten die Täter ihrem wehrlosen Opfer angelegt. Todesängste hatte die Frau ausgestanden, nachdem ihr bereits in der Praxis damit gedroht worden war, im Rhein versenkt zu werden. In der Wohnung legte ihr früherer Patient nach. Würde sie nicht gehorchen, dann würde er Pornos mit ihr drehen und ins Netz stellen und sie zwingen, vor der Kamera seinen Kot zu essen.

Im Verlauf der Tatnacht war es der Therapeutin gelungen, wieder Zugang zu ihrem früheren Patienten zu bekommen. Wie ein Kleinkind habe sich der Mann dann zu seinem Opfer gelegt, sich eingekuschelt und es auf die Wange geküsst. Während der Partner für eine geplante Freilassung – als Drohkulisse vor der Wohnung der Mutter des Opfers – ein weiteres Tatfahrzeug besorgen sollte, ließ D. die Frau am nächsten Morgen gehen. Nachdem sie eine spätere Geldzahlung zugesichert hatte.

Kölner Verteidiger erwägen Einlegung der Revision

Der Haupttäter habe offensichtlich damit gerechnet, die 1,5 Millionen Euro noch zu erhalten, sagte Richter Stollenwerk. Der Täter hatte der Therapeutin sogar noch deren Handy vor die Haustür gebracht, das in der Wohnung verblieben war. Kurz darauf konnte die Frau eine Polizeistreife abfangen, die bereits nach ihr gesucht hatten. Der Lebensgefährte hatte schon am Vortag den Notruf gewählt. Zwar konnte das Handy der Psychologin geortet werde, der Radius war aber zu groß.

Als das Strafmaß – elf Jahre Haft für Hueseyin D. und achteinhalb Jahre Haft für Frank M. – verkündet wurde, weinte die bis heute schwer traumatisierte Psychologin. Abgeschlossen ist das Verfahren noch nicht. Die Verteidiger Salih Kocak und Petra Wunsch erwägen, Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Kocak hatte zuvor den Antrag der Staatsanwältin auf zwölf Jahre Haft als völlig überzogen bezeichnet. „Das Urteil hat meinen Mandanten hart getroffen“, sagte der Strafverteidiger.