Starker Auftritt im ZeugenstandSo entkam die Kölner Therapeutin ihren brutalen Entführern

Lesezeit 4 Minuten
Die Angeklagten, dazwischen ihre Verteidiger, verstecken sich beim Prozessauftakt hinter einer Jacke und einer Mappe vor den Pressefotografen.

Die Angeklagten, dazwischen ihre Verteidiger, verstecken sich beim Prozessauftakt hinter einer Jacke und einer Mappe vor den Pressefotografen.

Tapfer berichtete eine Kölner Therapeutin im Landgericht von ihrer Entführung durch einen früheren Patienten.

Sie will kein Opfer sein, sondern stark. Diesen Eindruck vermittelte am Dienstag im Landgericht die Kölner Psychotherapeutin, die in ihrer Praxis von einem Patienten und dessen Lebensgefährten überwältigt, betäubt und schließlich in einer Kiste entführt worden war. Selbstbewusst betrat sie Saal 112, lächelte Bekannten im Zuschauerraum zu. Die Geschädigte wollte öffentlich und nicht etwa per Videoübertragung vernommen werden und saß so nur wenige Meter entfernt von ihren Peinigern.

Kölner Therapeutin will keine Entschuldigung von Täter

Sie wolle auch weiter Präsenz im Prozess zeigen, zur Verarbeitung, sagte die Therapeutin, die seit der Tat im vergangenen Oktober arbeitsunfähig ist. „Mein Mandant möchte sich gerne aus tiefstem Herzen bei Ihnen entschuldigen, wäre das in Ordnung?“, fragte die Verteidigerin des 55-jährigen Heimleiters, der bereits alles gestanden hatte. „Diese Frage empört mich“, sagte die Geschädigte. Entschuldigen solle sich der Mann eher bei seinen Enkeln, sich so schändlich verhalten zu haben.

Er sei seinem Lebensgefährten hörig und wie in einem Tunnel gewesen, hatte der gelernte Krankenpfleger zu seiner Tatbeteiligung ausgesagt. Der Freund ist studierter Jurist und war lange Patient bei der Therapeutin. „Ich mochte ihn“, sagte sie im Zeugenstand über den 40-Jährigen, „er war intelligent, humorvoll, höflich und sein Verhalten war tadellos.“ 67 Therapiestunden habe man absolviert, etwa die Lebensgeschichte mit der gefühlskalten Mutter des Angeklagten aufgearbeitet.

Alles zum Thema Polizei Köln

Kölner Patient soll von Therapeutin besessen gewesen sein

Diese Problematik habe er wohl irgendwann auf sie projiziert. Die Zeugin sprach von einer gewissen Obsession, die der Patient ihr gegenüber entwickelt habe. Er solle sich vielleicht einen neuen Therapeuten suchen, habe sie ihm gesagt, zumal er ohnehin mittlerweile in Luxemburg lebe und die Sitzungen privat zahle. „Das war der Knackpunkt, weil er das als Zurückweisung empfand“, sagte die Therapeutin. Rund ein Jahr vor der Entführung sei der Patient nochmal bei ihr aufgetaucht.

„Ich habe ihn nicht wiedererkannt“, er sei aggressiv gewesen und habe Dokumente verlangt. Dann habe der Mann sich nicht mehr gemeldet. Zuletzt habe sie diesen Brief bekommen, ein Geistlicher habe darin von Problemen mit seiner Homosexualität berichtet. Einen Randtermin habe der Verfasser erbeten, wohl um in der Praxis niemandem zu begegnen. „Dem kam ich nach, ich war völlig arglos“, sagte die Zeugin. Sie ahnte nicht, dass der frühere Patient dahintersteckte.

Köln: Therapeutin in Praxis angegriffen und betäubt

In der Praxis tauchte mit schwarzer FFP2-Maske und Mütze verdeckt der aktuelle Freund des früheren Patienten auf. Der Mann habe sie angegriffen, ihr einen in Chloroform getränkten Lappen ins Gesicht gedrückt. „Davon habe ich Flashbacks, ich sehe diese Szene immer wieder vor mir“, berichtete die Therapeutin. Sie habe sich heftig gewehrt, den Angreifer gebissen. Doch letztlich habe sie sich in eine große Metallkiste zwängen müssen, „in Embryostellung“, damit sie hineinpasste.

Die Täter schafften die betäubte Frau in eine Niehler Wohnung, dort wachte sie mit Venenzugang wieder auf, die Anklage spricht von Einflößung von Drogen. Sie habe dann ihren früheren Patienten erkannt. „Er sagte, er habe Krebs und ohnehin nur noch drei Monate zu leben“, so die Zeugin. Vorher sei ihr vom Komplizen angedroht worden, im Rhein zu landen, würde sie nicht kooperieren. Sie habe sich einen qualvollen Tod vorgestellt, sollte sie eingesperrt in der Kiste im Wasser untergehen.

Kölner Entführer wollten Millionenbetrag erpressen

Er würde sie zwingen, seine Exkremente zu essen, habe der Patient gedroht. Und auch mit einem Pornodreh, er würde das Video ins Internet stellen. Später habe er ihr Dildos zeigen wollen, die man extra zu diesem Zweck besorgt habe. Geld habe der 40-Jährige gefordert, anderthalb Millionen Euro. Offenbar als Schmerzensgeld für eine schlechte verlaufende Therapie. „Sie hat meine Seele vergewaltigt“, hatte der Mann jüngst dem psychiatrischen Gutachter im Strafverfahren erzählt.

„Ich wollte die ganze Zeit weinen oder schreien“, berichtete die Geschädigte. Doch sie sei ruhig geblieben, habe das Gespräch mit dem einst so vertrauten Patienten gesucht. Und irgendwann sei es ihr gelungen, wieder zu ihm durchzudringen. Plötzlich habe er sich neben sie auf die Luftmatratze im Bad gekuschelt, „wie ein Kind, das sagt, jetzt ist doch alles wieder gut.“ Da habe sie gemerkt, den Mann wieder anleiten zu können. „Lassen Sie mich doch gehen“, habe sie schließlich gesagt.

Köln: Entführer reicht seinem Opfer noch das Handy

Dem sei der Entführer letztlich nachgekommen, nachdem sie ihm ein Schuldeingeständnis mit Verschwiegenheitsklausel und Zusicherung der Zahlung unterschrieben habe. Der 40-Jährige sei ihr sogar noch zur Haustür nachgelaufen, und habe ihr das Handy gebracht, das sie in der Wohnung vergessen habe. Damit habe sie ihren Lebensgefährten angerufen. Auf dessen Ratschlag hin habe sie dann das erstbeste Auto angehalten und sich zu einem verdutzten Rentner ins Fahrzeug gesetzt.

Alarmiert vom Lebensgefährten, sei dann auch schon die Polizei aufgetaucht. „Das klingt wie aus einem schlechten Krimi“, habe ein Polizist gesagt, als sie von der Entführung in der Kiste berichtet hätte. Die Therapeutin führte die Beamten zur Wohnung, sagte vorher aber noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Geschehens: „Ich habe aber versprochen, die Adresse nicht zu nennen.“ Es kam zur Festnahme, beide Täter sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Es drohen hohe Haftstrafen.

Nachtmodus
KStA abonnieren