- Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
- Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal begegnet ihr eine junge Kölnerin, die gerade Abitur gemacht hat.
- Die 18-jährige Clara Giedziella hätte gerne einmal Altbundeskanzler Konrad Adenauer getroffen
Köln – Meine heutige Gesprächspartnerin verblüfft mich gleich in mehrfacher Hinsicht. Vor allem durch das, was sie mir auf meine letzte Frage antwortet: „Welche drei Personen würdest Du gerne mal treffen?“ „Angela Merkel“, entgegnet Clara Giedziella ohne groß nachzudenken. Dann überlegt sie einen Moment, lächelt und nennt Michelle Obama. Die Frau des einst mächtigsten Mannes der Welt – „auch wenn Putin was anderes sagen würde“ – sei in vielerlei Hinsicht beeindruckend und habe in ihren Augen auch politisch viel erreicht.
„Und wer wäre Favorit Nummer drei? – Clara geht in sich, man sieht förmlich wie es in ihrem Hirn rattert. „Darf es auch ein Toter sein?“ – „Meinetwegen“, sage ich und bin noch gespannter auf ihre Antwort. „Konrad Adenauer“, sagt die junge Frau schließlich. „Wow!“, sage ich. „Bei Menschen Deines Alters hätte ich eher mit einem Rapper, einer Infuenzerin oder einem Supermodel gerechnet", sage ich. Aber wirklich wundern tut mich ihre Auswahl unseres Vorgesprächs nicht; denn Clara will Jura studieren und dann „vielleicht in die Politik gehen“.
Erster Jahrgang mit Jungs in der Klasse
Ich begegne der jungen Frau auf der Breite Straße. Sie ist in der Stadt unterwegs, um noch Kleinigkeiten für die bevorstehende Zeugnisvergabe zu besorgen. Ich erfahre, dass sie gerade ihr Abitur in der Ursulinenschule gemacht hat, dass ihre Note mit 1,4 zwar „nicht ganz wunschgemäß“ ausgefallen ist, aber das sei Jammern auf hohem Niveau, stellt sie lächelnd fest.
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Ihr Jahrgang sei der erste mit Jungs mit in der Klasse gewesen, erzählt sie. „Fandst Du das gut?“ – „Es war mir relativ egal.“ In der Unterstufe sei sie ein großer Fan von Monoedukation gewesen. In der Oberstufe hätte sie es „nicht schlimm“ gefunden, „es waren auch nur sechs Jungs“.Dass sie Jura studieren wird, steht für Clara schon länger fest. In welchen Bereich, wisse sie noch nicht. Wirtschaftsrecht vielleicht. „Ich kann mir aber auch vorstellen, in den Staatsdienst zu treten oder in die Politik zu gehen.
Kritik an der Altersversorgung für Frauen
„Was würdest Du dort verändern oder verbessern wollen?“, frage ich. „Das Rentensystem zum Beispiel“, sagt sie und übt Kritik an der Altersversorgung für Frauen. Frauen, die Kinder groß gezogen hätten und dann Witwe würden, seien finanziell oft sehr schlecht gestellt. „Das ist etwas, was mich sehr erschreckt.“ – „Wie kommt es, dass sich ein so junger Mensch wie Du über das Thema Renten Gedanken macht?“, frage ich. „Weil es mich selber betrifft“, sagt sie. Ihr Vater sei gestorben, als sie 14 war, und ihr Eindruck sei der, dass Frauen wie auch ihre Mutter vom Staat „sehr allein gelassen werden“.
Das sei auch der Grund gewesen, weshalb sie sich in der Jahrgangsstufe elf in ihrer Facharbeit dem Thema „Das Rentensystem im Wandel der Zeit“ gewidmet hätte. Frauen benötigten heute im Gegensatz zu früher zwar nicht mehr die Erlaubnis ihrer Männer, um arbeiten gehen zu dürfen, aber sie seien noch immer „vielfach in der Bredouille“, weil sie einem gesellschaftlichen Leitbild folgen müssten und ihre eigenen Entscheidungen „durch die Blicke der Gesellschaft eingeschränkt“ würden. So richtig viel hat sich in Claras Augen noch immer nicht verändert.
„Abituraufgaben in Mathe waren eine Frechheit"
Ich frage Clara, wie die gleichaltrigen Schülerinnen und Schüler auf die Wahl ihres Themas reagiert hätten. „Anfangs hat sie das nicht so interessiert. Aber als ich meine Facharbeit vorgestellt habe, haben viele dieses Rententhema mit anderen Augen gesehen und mehr drüber nachgedacht.
Natürlich spreche ich mit Clara auch darüber, wie das Ende ihrer Schulzeit unter Corona-Bedingungen verlaufen ist. Sie sei jemand, der gut alleine lernen könne, deshalb sei ihr die Homeschooling-Phase relativ leicht gefallen. Am schlimmsten fand sie persönlich, „wie die Politik mit uns umgesprungen ist. Dieses Hin und Her und dass man gar nicht gemerkt hat, welche Belastung das für die Schüler war. Und die Abituraufgaben im Matheleistungskurs waren eine Frechheit!“