Gaffel- und Zappes-Chefs im Gespräch„Ein Pils aus Köln – das fehlt noch“
- Zu Köln gehört das Kölsch wie der Dom und der FC – doch die Braukultur befindet sich im Wandel.
- Mit Heinrich Phillip Becker von der Traditionsbrauerei Gaffel und Maximilian Koeser und Nicolas Lutz von der neuen Kölner Pilsmarke Zappes treffen zwei Bierbrauer-Generationen aufeinander.
- Im Interview sprechen sie über die Kölsche „Trink-doch-eene-mit-Mentalität", die Auswirkungen von Corona aufs Biergeschäft und Braukultur zwischen Tradition und Innovation.
Köln – Maximilian Koeser, Nicolas Lutz und Heinrich Philipp Becker sprechen im Interview über Braukultur zwischen Innovation und Tradition.
Herr Becker, Herr Koeser, Herr Lutz, geben Sie uns einen Einblick in die Gepflogenheiten der Kölner Bierbranche. Geht man mal zusammen ein Bier trinken?
Nicolas Lutz: Wir haben uns heute erst kennengelernt, aber natürlich schon viel voneinander gehört. Aber bisher gab es, auch wegen Corona, noch keine Möglichkeit sich zu treffen und gemeinsam ein Bier zu trinken.
Heinrich Philipp Becker: Köln ist ein überschaubarer Markt und deswegen wissen wir natürlich, was so los ist in der Stadt. Zumindest euren Instagram-Account habe ich mir schon angeschaut und wenn man das macht, denkt man ja manchmal, die Leute zu kennen, obwohl man sie noch nie getroffen hat (lacht).
Herr Becker, als Chef der Gaffel-Brauerei kennen Sie die Kölner Bierkultur schon lange. Was zeichnet sie aus?
Becker: Köln ist eine extrem kommunikative Stadt. Die Kneipen- und Büdchen-Dichte ist so hoch, wie in kaum einer anderen Stadt. Hier herrscht diese spezifische „Trink-doch-eene-mit-Mentalität“. Und die manifestiert sich im Kölsch. Das Kölsch ist sowas wie das transportable, flüssig gewordene Lebensgefühl der Stadt. Wenn man so will, die einzige Sprache, die man auch trinken kann.
Zappes ist dagegen eine sehr junge Marke, die dazu auch noch ein Pils braut. Viele Kölner könnten das schon als Provokation verstehen.
Maximilian Koeser: Klar, wenn man an Köln denkt, dann in erster Linie an Kölsch. Aber die Stadt ist sehr offen. Es kommen viele Leute aus dem Umland hierher, etwa aus dem Sauerland, der Eifel oder dem Ruhrgebiet. Das sind klassische Pilsregionen. So ist auch die Idee für unser Bier entstanden. Als wir nach der Uni beim Feierabendbierchen zusammensaßen, haben wir festgestellt: Ein Pils aus Köln, das fehlt noch. Deswegen haben wir Zappes gegründet.
Lutz: Pils gab es ja schon immer in Köln. Das kam in den letzten Jahrzehnten nur nicht hier aus der Stadt. Das hat uns gewundert, denn die Kapazitäten eins zu brauen, wären ja da, auch bei etablierten Marken wie Gaffel. Wir haben uns aber natürlich schon gefragt: Kriegen wir jetzt einen Shitstorm ab? Aber wenn man klein ist, bleibt auch der Shitstorm klein. Deswegen haben wir es gewagt.
Wie reagieren die Kölner denn auf euer Pils?
Lutz: Das hängt stark von der Zielgruppe ab. Die Leute, die bei uns in die Kneipe kommen, sind meist zwischen 20 und 30 und ein bisschen offener, was Bierkultur angeht. Von Älteren kommt schonmal ein Kommentar nach dem Motto: „Lieber trink ich ein Kölsch. Das mach ich schon seit dreißig Jahren und das tut meinem Körper gut!“
Becker: Tut es ja auch! (lacht)
Auch Gaffel bringt mit neuen Bieren wie dem „Wiess“ oder dem „SonnenHopfen“ immer wieder neue Sorten auf den Markt. Wie lassen sich Tradition und Innovation miteinander vereinbaren?
Becker: Wir haben eine über hundertjährige Tradition. Das ist für uns ein riesiger Fundus, den wir nutzen, um moderne und zeitgemäße Getränke anzubieten. Wir produzieren vor allem Kölsch, das bleibt der heilige Gral. Aber wir haben auch eine Versuchsbrauerei, da werden in der Woche auch ein oder zwei Sude angeschmissen und etwa 500 Liter Bier produziert, um zu experimentieren. (An Koeser und Lutz) Da könnt ihr gern mal vorbeikommen und euch das anschauen. Solche Experimente sind wichtig, um innovativ zu bleiben. Bisher hat es sich jedenfalls als sinnvoll erwiesen, unser Angebot auch immer wieder zu erweitern.
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Dann ist die Frage ja berechtigt. Ihre Brauer könnten auch mal auf die Idee kommen, ein Pils zu brauen. War das nie ein Thema bei Ihnen?
Becker: In dieser Hinsicht sind wir doch sehr traditionell eingestellt. Obergärige und untergärige Hefen vertragen sich im Brauprozess auch nicht besonders. Deswegen tue ich mich schwer damit, eine untergärige Hefe auch nur in die Nähe unserer Brauerei zu bringen.
Haben Sie denn schonmal ein Zappes getrunken?
Becker: Natürlich. Wir brauen aus Passion. Deswegen probieren wir so ziemlich alles, was es auf dem Markt gibt. Wenn das Bier einen Kölner Absender hat, dann umso mehr. Daher habe ich auch Zappes schon getrunken.
Und wie hat's geschmeckt?
Becker: Für ein Pils war es schon ganz in Ordnung. (lacht) Wie gesagt, ich trinke lieber ein Obergäriges, aber am Ende geht es um Bier als Produkt. Durch Marken wie Zappes bleibt die Bierkultur hier interessant, deswegen kann ich nur befürworten, was die Jungs machen.
Ein Gaffel werdet ihr wahrscheinlich auch schonmal getrunken haben, oder?
Koeser: Ja klar!
Lutz: Wir trinken ja nicht nur Pils. Wenn wir in die Kneipe gehen, freuen wir uns ja auch mal über ein Gaffel Kölsch. Wir wollten nur einfach nicht das siebzigste Kölsch brauen.
Wie Corona die Branche getroffen und beflügelt hat
Die Corona-Pandemie war auch für die Bierbranche schwierig. Zappes hat sich mitten in dieser Zeit gegründet. Wie kam es dazu?
Lutz: In gewisser Weise hatten wir fast ein bisschen Glück mit Corona. Wir saßen damals im Home-Office und hatten dadurch Zeit, unsere Idee nebenbei als Hobby zu entwickeln. Als gelernter Maschinenbauer fand ich die Produktionstechnik auch sehr spannend. Irgendwann sind wir dann auf die Suche nach einem Ort gegangen, wo wir unser Bier brauen könnten. In Hürth sind wir in einer Brauerei fündig geworden, die wegen Corona sowieso Kapazitäten frei hatte. Für unsere erste Charge haben wir 500 Liter Bier produziert. Für uns waren das riesige Mengen, wir hatten schon Angst, dass wir die nicht wegkriegen. Aber es war ein tolles Gefühl, sein eigenes Bier in der Hand zu halten. Dann haben wir im Sommer 2020, als wieder mehr möglich war, eine Release-Party am Rhein veranstaltet und auf einmal waren die 500 Liter weg. Also haben wir weiter gemacht und uns dazu entschieden, das ganze professionell anzugehen.
Wie ist es dann weitergegangen?
Koeser: Wir sind zu viert gestartet, aber als dann die Entscheidung anstand, das Ganze zu professionalisieren, haben die anderen beiden sich dafür entscheiden, lieber bei ihren seriösen Jobs zu bleiben. (lacht) Also haben wir Zappes zu zweit weitergeführt. Gerade in der Angangszeit hatten wir aber auch viel Unterstützung, etwa durch ein Gründerstipendium.
Wie ist Gaffel bisher durch die Pandemie gekommen? Gerade die Ausfälle in der Gastronomie müssen Sie geschmerzt haben.
Becker: Natürlich, wir sind die gastronomiestärkste Kölsch-Marke. Unser Gaffel am Dom und alle von uns belieferten Gastronomien waren sieben Monate geschlossen; das war schon eine sehr intensive Ausnahmesituation. Die staatlichen Hilfen haben unseren Kunden in dieser Zeit sehr geholfen. Als der Lockdown beendet war, zog das Geschäft im Sommer wieder an, auch weil die Kölner natürlich ein Nachholbedürfnis hatten. 2G+ und die allgemeine Verunsicherung machen es uns aktuell aber natürlich auch nicht einfacher.
Was sind die nächsten Ziele, die ihr euch bei Zappes vorgenommen habt?
Lutz: Wir würden einfach gerne mal ein ganz normales Jahr erleben, unsere Kneipe ganz normal betreiben, ohne Angst zu haben, dass sie schließen muss oder dass doch drei Leute zu viel im Laden sind. Dann können wir sehen, wo die Reise hingeht. Außerdem wollen wir unseren Unterstützern etwas zurückgeben. Mit etwa hundert Leuten planen wir im September eine Reise nach Portugal.
Becker: Was mich interessieren würde: Wollt ihr eigentlich auch mal eine eigene Brauerei gründen?
Koeser: Das muss der Ingenieur sagen. (lacht)
Lutz: Das war eigentlich von Anfang an das Ziel. Aber das ist natürlich auch eine große Investition und eine geeignete Halle in Köln zu finden ist nicht leicht. Nichtsdestotrotz: Wenn wir eine perfekte Halle in guter Lage finden, sagen wir nicht nein.
Welche Ziele verfolgt Gaffel?
Becker: Unser primäres Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Kunden nach Corona wieder erfolgreich zu werden und das Gastro-Geschäft wieder ans Laufen zu bringen. Unser zweiter Fokus liegt weiterhin auf Innovation. Wir bringen im Frühjahr das Gaffel Lemon auch in der Flasche auf den Markt. Dabei konzentrieren wir uns vor allem auf die Region. Ein Bier braucht Heimat und ein Kölsch schmeckt immer noch am besten in Köln.
Was kann man als neue Brauerei von einem Konkurrenten wie Gaffel lernen?
Koeser: Uns gibt es ja erst seit einem Jahr, Gaffel dagegen schon seit 114 Jahren. Da ist es klar, dass wir als Anfänger in fast allen Bereichen etwas lernen können.
Und was kann die Traditionsbrauerei von einem jungen Konkurrenten wie Zappes lernen?
Becker: Wir haben die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen. Ich bin jetzt Mitte Vierzig und mit Zappes wächst eine neue Generation heran, die eine andere Perspektive auf die Dinge hat und neue Ideen mitbringt. Davon kann man bestimmt einiges lernen. Ich glaube, wir sollten mal ein paar Bierchen trinken gehen, dann können wir mal schauen, was wir voneinander abgucken können.