- Der Kölner Sven Lüdecke ist 2016 bekannt geworden, weil er rollende Minihäuser für Obdachlose gebaut hat.
- Für sein Engagement bekam er viel Lob – und auch viele Spendengelder. Das Geld des Vereins, den er gegründet hat, soll Lüdecke laut Anklage aber auch für private Ausgaben verwendet haben.
- In Köln wurden einige Zeugen gehört, Lüdecke selbst ließ seinen Anwalt reden. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt.
Köln – Mit seiner Idee, rollende Holzhäuschen für Obdachlose zu bauen, traf der Kölner Sven Lüdecke im Winter 2016 augenscheinlich einen Nerv. Nach einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ meldeten sich dutzende Medienvertreter bei dem damals 39-Jährigen, um über sein Projekt, das er „Little Home“ nannte, zu berichten. Viele Menschen spendeten Baumaterialien und Geld, Soldaten des US-Militärs halfen an einem Wochenende, Holzpaletten zusammenzuzimmern, das chinesische Staatsfernsehen berichtete, Verbände zeigten Interesse, ein Mann überwies gleich 10.000 Euro. Wenige Monate nach dem Start wendeten sich mehrere ehemalige Sympathisanten des Projekts an diese Zeitung.
Sie äußerten den Verdacht, Lüdecke veruntreue Spendengelder. Nach mehreren Strafanzeigen ermittelte die Staatsanwaltschaft Köln seit Mitte 2017 wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen Lüdecke und seinen Verein. Drei Jahre, viele Holzhäuser und Tausende von Euros an Spendengeldern später, wurde der Initiator von „Little Home“ wegen Untreue angeklagt.
Hinzu kam der Vorwurf des Spendenbetrugs. Unterstützer des Projekts aus Nürnberg hatten Lüdecke gegenüber dieser Zeitung „die bewusst nicht transparente beziehungsweise zweckentfremdete Verwendung der von uns generierten Spendengelder“ vorgeworfen und ihn ebenfalls angezeigt. Die Nürnberger Unternehmer äußerten ihre Kritik auch öffentlich – im „Bayerischen Rundfunk“ und in den „Nürnberger Nachrichten“. Lüdecke ließ über einen Anwalt die Bezichtigungen bestreiten.
Sven Lüdecke soll private Einkäufe mit Vereinsgeld bezahlt haben
Am Mittwoch hatte sich der 43-jährige Fotograf, der nach eigenen Angaben in Vollzeit als Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins arbeitet und eine Vergütung von 2100 Euro brutto erhält, vor dem Kölner Amtsgericht zu verantworten. Die Staatsanwältin legte ihm Untreue in 17 Fällen zur Last. Von Mai 2017 bis Februar 2018 habe er Einnahmen des Vereins für private Zwecke ausgegeben – in einem Fotogeschäft, einer Tierhandlung und zweimal in einem Einrichtungshaus. Außerdem habe er vom Vereinsgeld mehrere Monate Miete für eine überwiegend privat und nur teilweise für „Little Home“ genutzte Wohnung gezahlt. Der Vorwurf des Betrugs fußte auf der Annahme, nur ein Bruchteil der Spenden von 9780 Euro, die im Raum Nürnberg gesammelt worden waren, sei für den Vereinszweck ausgegeben worden; nur zwei Wohnboxen seien entstanden.
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Die Vorwürfe seien „zum großen Teil nicht richtig“, erklärte Verteidiger Markus Loskamp. Die Ausgaben hätten stets in Abstimmung mit den anderen Vorstandsmitgliedern genehmigt werden müssen. Nur in einem Fall habe Lüdecke, der heftigen Anfeindungen ausgesetzt sei und bis heute Morddrohungen erhalte, Vereinsgeld privat verwendet: Nachdem er den Couchtisch seiner damaligen Lebensgefährtin beschädigt habe, sei er auf ihr Drängen zu einem Möbelhaus gefahren und habe Ersatz besorgt.
Kölner weist Vorwürfe gegen ihn zurück
Lüdecke selber wies die restlichen Anklagepunkte zurück. Das Kameraobjektiv, gekauft in jenem Fotogeschäft, habe er benötigt, um für Vereinszwecke Porträtfotos von Obdachlosen zu machen. Im Tierhandel habe er energiesparendes Zubehör für ein geschenktes Aquarium erworben, das seinen Platz in der Doppelgarage in Bilderstöckchen gefunden habe, die „Little Home“ als Werkstatt diente, bevor der Betrieb nach Zollstock umzog; das Aquarium sei dann verkauft worden und der Erlös dem Verein zugutegekommen. Eben für jene Doppelgarage sei die fragliche Monatsmiete gezahlt worden.
„Es gab Differenzen“, sagte der Angeklagte zu den Beschuldigungen der Nürnberger Unterstützer. Die Hälfte der avisierten Spenden sei nicht eingegangen, merkte er an. Im Übrigen gebe es mittlerweile acht Holzhäuschen in Bayern, fügte er hinzu, nachdem er eine Erfolgsbilanz gezogen hatte: In 21 Städten stünden insgesamt 150 Boxen, und der Verein habe vielen Menschen zu einer Wohnung oder einem Job verholfen.
Drei Zeuginnen wurden gehört, darunter eine 57-jährige Frau, die Vermieterin des Hauses und Grundstücks ist, wo Lüdecke damals mit seiner Lebensgefährtin wohnte und anfing, Holzboxen zu bauen. Die Zeugin war eine Weile Kassenwartin des Vereins und hatte das Verfahren ins Rollen gebracht, indem sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung von finanziellen Unregelmäßigkeiten sprach. Bis März 2017 hatte sie sich bei „Little Home“ engagiert. Dann sei „die Stimmung umgeschlagen“, sagte sie. Sie schied aus und war nicht länger bereit, den Hof des Hauses für den Bau der Boxen zur Verfügung zu stellen.
Ex-Freundin lässt kein gutes Haar an Sven Lüdecke
Eine 39-jährige Verkäuferin, die sich später um die Finanzen kümmerte, sagte zu Lüdeckes Umgang mit Vereinsgeld: „Er rief an, wenn er was kaufen wollte, und sei es eine Druckerpatrone, und fragte: Ist das okay?“ Alle Belege habe er „in einen Kasten geschmissen“. Die Nürnberger Unterstützer, die auf Transparenz bestanden und ein entscheidendes Wörtchen mitreden wollten, seien „sehr fordernd gewesen“ und hätten sie „unter Druck“ gesetzt, um Spendenquittungen zu bekommen. Ihre Reaktion darauf fasste sie in die Worte: „Ich kann keine Spendenbescheinigungen ausstellen, wenn keine Spenden eingegangen sind.“
Gehört wurde auch die Ex-Freundin des Angeklagten, die kein gutes Haar an ihm ließ, allerdings zur Aufklärung der Sache nichts Wesentliches beitrug.
Nach einer weiteren Beratung mit den Schöffen befand der Vorsitzende Richter Rolf Krebber, es bestünden Zweifel, dass der Spendenbetrug nachweisbar sei, und andere Vorwürfe hätten sich nicht bestätigt. Geblieben sei der Kauf des Tischs, und womöglich sei das Aquarium privat genutzt worden: „kleine Dinge, die fehlerhaft waren“. Krebber hielt allerdings auch fest, Lüdecke sei bereits „erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten“. Seit 1999 ist er vielfach wegen Betrugs verurteilt worden, im Jahr 2002 zum ersten Mal ohne Bewährung. Es folgten unter anderem vier Gefängnisstrafen ohne Bewährung – drei davon wegen Betrugs. Zuletzt wurde er wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 6000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Da die Gesamtstrafe, die mit der möglichen neuen Strafe gebildet worden wäre, nicht beträchtlich über diesen sechs Monaten gelegen hätte, stellte das Schöffengericht das Verfahren ein.