Vor fünf Jahren wurde die MGH-Missbrauchsstudie veröffentlicht. DuMont-Chefkorrespondent Joachim Frank nahm dies zum Anlass für eine Diskussionsrunde.
frank&frei zu Missbrauch in Kirche„Stehen vor den Scherben unserer Selbstbilder“
Als die erste grundlegende Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche im September 2018 erschien, war die Öffentlichkeit schockiert. Zum ersten Mal gab es konkrete Zahlen zu den Verbrechen von katholischen Priestern an Minderjährigen. In den vergangenen Wochen kamen ganz aktuell noch weitere Fälle ans Licht. Zuletzt kam es zu erneuten Missbrauchsvorwürfen gegen den verstorbenen und als „Ruhrbischof“ bekannten Kardinal Franz Hengsbach aus Essen. In Köln bat die Kirche um Hilfe bei der Aufklärung im Missbrauchsfall des Geistlichen Michael Eschweiler, der 2022 verstarb.
Anlässlich des fünften Jahrestags der MHG-Studie hatte DuMont-Chefkorrespondent Joachim Frank zum „Kölner Stadt-Anzeiger“-Talk „frank&frei“ eingeladen.
Dabei entwickelte sich im vollbesetzten Saal in der Karl-Rahner-Akademie eine kontroverse Diskussion. Bischof Helmut Dieser, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, bedauerte die aktuellen Vorkommnisse und gab eine düstere Prognose ab. „Die Wahrheit ist, dass wir vor den Scherben unserer Selbstbilder stehen“, sagte er. Der Prozess der Enthüllungen sei längst noch nicht abgeschlossen. „Wenn der Prozess abgeschlossen ist, werden wir als katholische Kirche nichts mehr haben, außer unseren Glauben“, prognostizierte Dieser. Mit dem Abbau der Statue von Kardinal Hengsbach in Essen habe man schnell reagiert, um ein Zeichen zu setzen.
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Kai Christian Moritz, Sprecher des Betroffenenbeirats der Bischofskonferenz, widersprach Bischof Dieser entschieden. „Für mich ist es wieder mal der Versuch, die eigene Geschichte zu verbergen.“ Für Birgit Mock, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ist der Abbau der Statue jedoch ein wichtiges Zeichen. „Ich bin froh, dass diese bescheuerte Statue da nicht mehr steht“, sagte sie.
Köln: Publikum kritisiert katholische Kirche scharf
Heftige Kritik gab es sowohl aus dem Publikum als auch von Moritz an der Höhe der Entschädigungen für Betroffene. „Es kann nicht sein, dass die Täterorganisation die Höhe der Entschädigung festlegt“, sagte Moritz. Bischof Dieser wehrte sich gegen den Vorwurf und den Begriff. Die Kirche sei keine Täterorganisation, man sei schließlich nicht die Mafia. Die katholische Kirche wolle die Betroffenen bestmöglich unterstützen, man sei sich aber im Klaren, dass es keine vollständige Wiedergutmachung geben könne, sagte Dieser.
Stephan Rixen, Staatsrechtler an der Uni Köln, kritisierte die lange Dauer des Prozesses bei der Aufklärung. Die Missbrauchsstudie sei dabei kein „Gamechanger“ gewesen. Letztendlich habe sie nur das bestätigt, was seit 20 Jahren alle wussten. Die Ausrede, dass man im Fall Hengsbach die lange bekannten Vorwürfe aufgrund des Persönlichkeitsrechts Verstorbener nicht veröffentliche, ließ Rixen nicht gelten. Hengsbach sei bereits über 30 Jahre tot, das Verschweigen der Vorwürfe sei lediglich ein weiterer Vertuschungsversuch der Kirche gewesen.
Auf einen gemeinsamen Nenner kamen die Teilnehmer am Ende nicht. Der Umgang mit dem Missbrauch wird die Katholiken noch lange beschäftigen.