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Kölner Archiv-EinsturzInitiative nennt vorläufige Einstellung der Verfahren „skandalös“

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Blick auf die Baustelle am Waidmarkt.

Blick auf die Baustelle am Waidmarkt.

Wer war bei der KVB und Stadt für die Zustände auf der Baustelle mitverantwortlich? Dass diese Frage offen bleibt, bemängelt Archivkomplex.

Die Kölner Künstlerinitiative Archivkomplex hat die vorläufige Einstellung der letzten Strafprozesse zum Einsturz des Historischen Archivs am 3. März 2009 als „skandalös“ bezeichnet. Eine Mitteilung der Initiative, die sich in Folge des Archiveinsturzes gegründet hatte, ist überschrieben mit „Ein Schlag ins Gesicht der Opfer“. Die vorläufige Einstellung lasse „wichtige Fragen ungeklärt“.

Wie berichtet, hatten sich Staatsanwaltschaft und die vier Angeklagten auf eine vorläufige Einstellung des Verfahrens vor dem Landgericht Köln geeinigt. Die vier Angeklagten müssen jeweils bis zum 31. Oktober eine Geldbuße bezahlen, dann sind die jeweiligen Prozesse erledigt.

Angeklagte müssen Geldauflagen zahlen

Die Geldauflagen betragen jeweils 5000 Euro für zwei Angeklagte und jeweils 2000 Euro für die anderen beiden. Hinzu kommen Verfahrenskosten. Das zuständige Landgericht geht von mittleren fünfstelligen Summen aus, die jeder Angeklagte tragen muss.

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In einem ersten Prozess waren 2018 zwei Bauleiter vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen freigesprochen worden. Dagegen wurde ein Bauüberwacher zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Der vierte Angeklagte, ein Oberbauleiter, wurde 2019 wegen fahrlässiger Tötung zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Nach Revision der Staatsanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof die Urteile auf und verwies sie zurück ans Landgericht. Das Archiv stürzte damals im Zuge der U-Bahn-Bauarbeiten ein.

Das Landgericht erklärte am Dienstag, den Angeklagten könne nur eine „mittelbare Verantwortlichkeit“ zur Last gelegt werden. Weitaus mehr mit dem Einsturz zu tun hätten zwei frühere Mitangeklagte gehabt. Einer davon ist gestorben, der andere wurde wegen einer Erkrankung verhandlungsunfähig. Der Tatvorwurf ist laut Gericht verjährt. Das Gericht begründete die vorläufige Einstellung unter anderem mit den 15 Jahren, die das Ereignis zurückliege, und de nachlassenden öffentlichen Interesse.

Archivkomplex sieht noch viele offene Fragen

Archivkomplex nennt diese und andere Begründungen „unzutreffend und skandalös“. Und weiter: „Es geht bei der größten Katastrophe in der Stadt Köln seit dem Zweiten Weltkrieg immerhin um fahrlässige Tötung: Zwei Menschen starben bei dem Einsturz, eine ältere Frau nahm sich wenig später aus Verzweiflung wegen des Verlustes ihrer Wohnung das Leben.“

Demnach hat der Bundesgerichtshof erhebliche Organisationsmängel in der Baustelle Waidmarkt festgestellt, die laut der Initiative nun nicht weiter aufgeklärt werden. „15 Jahre nach der Katastrophe entsteht so der Eindruck, das Landgericht, das in den ersten Verfahren grobe Fehler gemacht hat, entledige sich nun endgültig der Aufgabe, Verantwortlichkeiten zu benennen.“

Zudem bemängelt Archivkomplex, dass „diejenigen, die in den Kölner Verkehrsbetrieben und in der Stadtverwaltung verantwortlich waren für die unzureichende Organisation und Qualifikation vieler an Bau und Bauaufsicht Beteiligten, von Anfang an juristisch unbehelligt“ blieben.

Auch Marvin Pagel hatte die Entscheidung des Gerichts kritisiert, sein Halbbruder Kevin war eines der beiden Todesopfer. Er hatte gesagt: „Es wirkt wie die einfachste Lösung. Angesichts der langen Zeit hätte man sich jetzt auch die Zeit nehmen können für die Aufklärung.“