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Führung durch die Kölner SüdstadtMit Cornel Wachter auf den Spuren des Verbrechens

Lesezeit 4 Minuten
Josef Loup steht mit seiner Gitarre vor einer Gruppe von Leuten an der Severinstorburg.

Josef Loup begleitete die Führung mit Musik.

Zu Fuß von der Severinstorburg zum Odeon-Kino: 50 Leute erkundeten das „Vringsveedel kriminell".

Es hatte was von Klassentreffen und Familienfest. Cornel Wachter hatte eingeladen zu einer Führung unter dem Motto „Vringsveedel kriminell“, und er kannte fast alle beim Namen, die zum Start an der Severinstorburg gekommen waren. Josef Loup, Gründungsmitglied der Band „De Familich“, sorgte für kölsche Tön, und Volker Lange, Ex-Polizist, war dabei, um kriminelle Einzelheiten zu erläutern. Wachter wies zunächst auf die Severinstraße. „Eine schnurgerade Römerstraße. Man kann weit gucken. Und die andere Richtung? Bonner Straße? Da steht ein Aufzug und man sieht nichts. Das ist auch kriminell.“ Die Stadt Köln könne einfach nicht mit ihren Plätzen umgehen, sagte Wachter.

Seine Idee, auf dem Chlodwigplatz eine Skulptur aufzustellen, beispielsweise eine überdimensionale Flönz aus Bronze, habe die Verwaltung strikt abgelehnt. „Die haben keine Lust. Die denken, wenn ich da was aufstelle, kommen andere und wollen das auch.“ Wachter, 1961 geboren, lebt seit seiner Kindheit in der Südstadt. Gewalt sei früher im Veedel an der Tagesordnung gewesen. Wachter erinnert sich an Straßenschlachten zwischen „der Elsassstraße und der Rheinsteinstraße“. Auch die Massenschlägereien an Karneval seien legendär. Anwohner der Severinstraße hätten Matratzen aus den Kellern in die Hausflure getragen. Auf denen wurden die Verletzten erstversorgt, bevor sie im Klösterchen bei Dr. Heinz Wachter landeten, dem Vater von Cornel. Der war dort Oberarzt.

Hütchenspieler unter der Severinstorburg

„Als ich Kind war, gab es unter der Torburg Hütchenspieler. Die haben wir als Kinder beobachtet. Schnell wurde uns klar, wie der Betrug funktionierte“, erinnerte sich Wachter. Komplizen hätten in der Regel mehr gewonnen als verloren und so hätten sich Passanten ermuntert gefühlt mitzuspielen. „Abends saßen die Hütchenspieler und ihre Kumpane zusammen An der Eiche und haben gegessen und getrunken. Da war uns klar, was da gespielt wurde.“

Wer Kölsch sprach, musste in der Ecke stehen

An seine Zeit in der Grundschule Zwirnerstraße hat Wachter nicht nur gute Erinnerungen. „Wer Kölsch sprach, musste in der Ecke stehen. Die Kinder der Stollwerck-Mädchen hatten Schwierigkeiten mit dem Hochdeutsch und bekamen Probleme. Erst mit den Bläck Fööss war Kölsch nicht mehr die Sprache der Unterschicht.“ Eine Erinnerung, deren Folgen bis in die Gegenwart reichen, teilte der gelernte Steinmetz und Steinbildhauer vor dem Hauptportal von St. Severin: „Als meine Freunde und ich mal von einem Spiel der Fortuna nach Hause gingen, gerieten wir in die Fänge eines FC-Fans, der unsere Fahnen verbrannte. Blöderweise hatte ich die Fahnen vorher in der Sakristei von St. Severin entliehen.“ Die Mutter von Cornel hat ihn gerettet und im Handumdrehen neue Fahnen genäht. Und so stammen stammen die Prozessionsfahnen der Severins-Gemeinde bis auf den heutigen Tag aus dem Hause Wachter.

Cornel Wachter und Volker Lange stehen unter der Severinstorburg.

Cornel Wachter (l.) und Volker Lange kennen sich schon sehr lange sehr gut.

Cornel war auch an der Stollwerck-Besetzung beteiligt. „Wir wollten eine neue Welt erschaffen. Ich glaube, dass das tolle Projekt zu Fall gebracht wurde mit ständigem Party machen und den Drogen.“ Besetzer hätten auf  LSD-Trips Eisenstangen gegen die Transformatoren geworfen und sich an den Funken berauscht. „Dann hatten wir alle keinen Strom mehr.“

Wie Clemens Böll zum Wirt wurde

Wachter erinnerte sich auch, wie Clemens Böll zum Gastwirt wurde. „Der saß hier in der Südstadt bei einem Griechen und beschwerte sich darüber, dass das Bier warm war. Da sagte der Grieche, dann mach doch selbst ‚ne Kneipe auf.“ Mit 20000 Mark von Onkel Heinrich eröffnete er ein Lokal. Dort ist heute das KVB-Kundencenter untergebracht. „Als Clemens klar wurde, dass dort mit Drogen gehandelt wurde, hat er den Laden sofort dicht gemacht.“ Kurz darauf übernahm er das Chlodwig-Eck, in dem Bap in den Anfängen regelmäßig spielte. „Das ging aber irgendwann nicht mehr, weil so viele Leute kamen, dass der Bus nicht mehr durchkam."

Rohrbombenattentat im Ferkulum

Wirklich kriminell war das Rohrbombenattentat in den 80ern Im Ferkulum. Dort kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den Gästen einer türkischen und einer deutschen Kneipe. Bis schließlich eine Bombe in den die türkische Kneipe flog und einem Gast den Fuß zertrümmerte, den Cornels Vater wieder zusammenflickte. „Als der NSU die Bombe auf der Keupstraße zündete, hat sich ein Zeuge gemeldet, der wusste, wer für die Tat Im Ferkulum verantwortlich war. Die war allerdings verjährt.“

Schon der Gedanke ist strafbar
Schäfers Nas, Verbrecherlegende

Ungute Erinnerungen hat Wachter an die Verbrecher-Legende Schäfers Naas. „Der lebte in einem ehemaligen Minensuchboot im Rheinauhafen. Mittelpunkt war ein riesiges französisches Bett.“ Nas habe es gefallen, Lokale zu betreten und in den Schwitzkasten zu nehmen. Dabei habe er den Satz gesagt: „Schon der Gedanke ist strafbar.“ Als Cornel Wachters Vater  in einem Prozess gegen Nas wegen illegalen Waffenbesitzes zugunsten des Zuhälters – „Alles halb so wild“ – ausgesagt habe, habe der nach dem Prozess verkündet: „Doktor, ab jetzt hast du in Köln keine Feinde mehr. Dafür sorge ich.“

Nächste Führung am 16. Juli

Und weil Cornel während der zweieinhalbstündigen Führung zwischen Torburg und dem Odeon nur einen geringen Bruchteil der Anekdoten erzählt hat, die er auf Lager hat, gibt es eine Fortsetzung. Am Sonntag, 16. Juli, finden sich er und Josef Loup um 16 Uhr vor der Severinstorburg ein. Dann beginnt ein Spaziergang unter dem Motto „Veedelsköpp – zom Lache, zum Staunen, zum blöke“. Die Teilnahme kostet 20 Euro.