Ladenbetreiber und Bewohner des Veedels zeichnen ein düsteres Bild der Zustände am Ebertplatz. Sie haben wenig Hoffnung auf Besserung.
„Alles schon erlebt“Anwohner halten nicht viel vom Kölner Plan, den Ebertplatz abzuriegeln

Offener Drogenhandel auf dem Zugang vom Ebertplatz zum Sudermanplatz. Die Stadt will drei dieser Dealer-Treffpunkte schließen
Copyright: Arton Krasniqi
Mit dem Abriegeln von drei Treppenabgängen in der Westpassage wird es nicht getan sein, um Geschäftsleute und Passanten rund um den Ebertplatz davon zu überzeugen, dass sich der jahrelange Niedergang, der sich durch den ausufernden Drogenhandel immer weiter verschärft, umkehren lässt.

Constanze von Stritzy, Inhaberin der Rhein-Apotheke am Ebertplatz, hat erhebliche Zweifel, ob der Plan der Stadtverwaltung von Erfolg gekrönt sein wird.
Copyright: Peter Berger
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, sagt Constanze von Stritzky (35). Bei Razzien gebe es zwar weniger Fluchtmöglichkeiten, „aber schafft man damit nicht einen kleinen abgeschlossenen Bereich, wo man in Ruhe weiter dealen kann?“
Die Inhaberin der Rhein-Apotheke hielte es für deutlich effektiver, einen Container mit einer Polizeiwache auf den Platz zu stellen. Bei einer Veranstaltung des Bürgervereins Eigelstein habe man versucht, den Anwohnern die Sorge zu nehmen.
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Apothekerin malt ein düsteres Bild
„Wir bräuchten keine Angst zu haben, hieß es da. Die Videoüberwachung liefere gestochen scharfe Bilder bis zum Hauptbahnhof. Ich weiß nicht, wie die Kameras um die Ecken gucken sollen, und wenn ich überfallen und ermordet werde, nutzen mir gestochen scharfe Bilder auch nichts mehr“, sagt von Stritzky, die mit ihrer Familie 50 Meter von der Apotheke entfernt wohnt. „Dort haben wir das kaputte Rollgitter durch Schiebetüren ersetzt. Ich musste früher, wenn ich zur Arbeit gehen wollte, über die Junkies steigen, die sich ihr Crack-Pfeifchen gekocht haben.“
Die Situation habe sich verschlimmert, breite sich über den Eigelstein Richtung Hauptbahnhof aus. Abends verlagere sich die Szene vom Drogeriemarkt bis zum Stavenhof, weiter oben an der Ecke zur Weidengasse sei die illegale Prostitution zurückgekehrt. „Die alten Drogenhändler sind verschwunden, weil sie Angst vor den neuen haben, die mit irgendwelchen Substanzen zugedröhnt sind.“ Der Sudermanplatz sei davon auch betroffen.
Bei der Eröffnung der Holztreppe im vergangenen Sommer, mit der der Bürgerverein die Hoffnung verbunden hatte, den Platz vorübergehend attraktiver zu gestalten, habe der Vorsitzende eine Rede gehalten, hinter ihm stand ein Mannschaftswagen der Polizei. „Und hinter dem Rücken der Polizei wurde gedealt.“
Beim Notdienst lasse sie grundsätzlich das Rollgitter unten, weil in die beiden anderen Apotheken am Ebertplatz schon eingebrochen worden sei. Ein Kunde habe ihr kürzlich gesagt, wie absurd diese Situation sei. „Sie stehen völlig hinter Gittern, verkaufen Medikamente und hinter mir wird offen mit Drogen gedealt.“
Eigelstein auf dem absteigenden Ast
Drogenhändler, Prostituierte, Zuhälter, Obdachlose, Alkoholiker – der Eigelstein sei nach der Umgestaltung längst wieder auf dem absteigenden Ast. Das ist die bittere Erfahrung von Ayse Cengiz, deren Bruder das alteingesessene Brautmodengeschäft Arabella führt. „Die verrichten ihre Notdurft nachts direkt vor unserem Geschäft.“ Das Ordnungsamt lasse sich nicht blicken. Auch der Drogenhandel finde völlig unverdeckt statt. „Die Mieterin des Kiosks nebenan hat angerufen und sich beschwert über den ganzen Unrat, der hier immer wieder liegenbleibt.“ Niemand habe sich blicken lassen, keiner zurückgerufen.
Das Drama um den Drogenhandel am Ebertplatz sei „eine unendliche Geschichte“, stöhnt Yorgi Ciftcioglu (60). Seine kleine Reinigung, Textilpflege und Schneiderei betreibt er seit 13 Jahren, und er ist froh, dass ihm die Stammkundschaft die Treue hält. „Wir haben alles schon erlebt. Schlägereien, Messerstechereien, Belästigungen aller Art. Das ist eine Schande für die Stadt Köln“, sagt er. „Unsere verehrte Oberbürgermeisterin hat ja von Verwahrlosung gesprochen. Köln ist leider zu einer der hässlichsten und schmutzigsten Städte verkommen.“
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Yorgi Ciftcioglu, Inhaber der Textilpflege am Eigelstein, hat die Hoffnung für eine Verbesserung der Lage am Ebertplatz aufgegeben. Foto: Peter Berger
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Daran könnten auch drei geschlossene Treppenabgänge nichts ändern. Selbst der Platz an der Eigelstein-Torburg leide darunter. Zum Glück habe wenigstens das Wettbüro inzwischen geschlossen. „Das war der schlimmste Umschlagplatz für Drogen. Die Dealer sind da ein- und ausgegangen.“
In der Nähe der Geldautomaten der Sparkasse wartet Alina (32). „Grundlegend falsch finde ich es nicht, dass die Stadt etwas unternimmt und die Zugänge schließen will. Man hört ja immer wieder, dass sie wegen der guten Fluchtmöglichkeiten für den Drogenhandel sehr attraktiv sind. Mehr kann ich dazu nicht sagen, dazu fehlt mir die Expertise.“
Walter Pfeiffer kommt aus der U-Bahnstation am Ebertplatz und begleitet eine Nachbarin aus Heimersdorf zu ihrem Arzttermin. „Ich habe Zeit und weiß, wie unwohl man sich hier fühlt. Meiner Frau geht das schließlich genauso.“ Das Schließen der Zugänge bringt aus seiner Sicht gar nichts. „Die Stadt muss die Ursachen bekämpfen, die Dealer haben hier nichts zu suchen. Dann bleiben auch ihre Kunden weg.“
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Begleitet die Nachbarin mit der KVB von Heimersdorf auf dem Weg zum Arzt am Ebertplatz: Walter Pfeiffer (64) fordert ein härteres Durchgreifen gegen Dealer.
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Jeder, der sich vorbei an Urinalen aus Plastik durch die Westpassage traut, hat sich über Kölns wohl verstecktesten Kopierladen Portico schon gewundert. Wie kann man hier wirtschaftlich überleben?
Inhaber Mesfun Zerbi (72) schafft das mit einer krankheitsbedingten Unterbrechung jetzt schon seit 18 Jahren. Von den Plänen, drei Zugänge zu sperren, hält er nichts. „Wir haben hier doch schon genug Probleme“, sagt er, während fünf Meter vor uns in einer Ecke des Untergeschosses gerade eines von Hunderten Drogengeschäften abgewickelt wird.
„Wenn das wirklich der Plan ist, haben wir neben den Drogenhändlern und ihren Kunden auch noch jede Menge Dreck und Sperrmüll, der hier abgelagert wird. Einen besseren Ort kann man sich dort gar nicht wünschen. Hier ist doch jetzt schon alles verdreckt.“
Wer, wenn nicht er, könnte die Entwicklung der Szene besser beurteilen? Fast 50 Stunden pro Woche verbringt er in seinem Laden und teilt die Einschätzung, dass sich die Lage durch den Drogenhandel deutlich verschärft habe. Vor ein paar Jahren, sagt Zerbi, habe draußen noch ein großer Kühlschrank mit Getränken gestanden, aus dem die Obdachlosen- und Alkoholikerszene ihr Bier geholt habe. Die Kasse habe zwischendurch mal ein paar Unstimmigkeiten aufgewiesen, aber immer wieder gestimmt. Seit Dealer und Junkies den Ebertplatz erobert hätten, gebe es den Kühlschrank nicht mehr.
So weit ist es also schon gekommen, dass der Inhaber eines Kopierladens am Ebertplatz wehmütig auf die Zeit zurückblickt, als der Ebertplatz noch Zufluchtsort für Obdachlose und Gestrandete war. Und keine Drogenhölle.