Bei einer Infoveranstaltung kritisierten Anwohner den umstrittenen Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit.
„Ihr macht aus Deutzer Freiheit Diktatur“Stadt hält an autofreien Zonen fest – Fronten zu Anwohnern verhärtet
Die Stadt Köln musste den umstrittenen Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit im August 2023 abbrechen, nachdem das Verwaltungsgericht die Fußgängerzone dort für „voraussichtlich rechtswidrig“ erklärt hatte. Das Verkehrsdezernat unter Leitung von Ascan Egerer hält an dem Vorhaben, auf der belebten Einkaufsstraße eine autofreie Zone einzurichten, weiter fest.
Die Stadt Köln hat deshalb am Donnerstagbend in der Aula des Gymnasiums Thusneldastraße zu einem Informationsabend zum Verkehrsversuch eingeladen. Drei Stadtplaner stellten dort die Auswertung einer Meinungsumfrage sowie eine geplante Mediation vor. Sie kündigten außerdem an, dass zwei von fünf Abschnitten der Deutzer Freiheit eine autofreie Zone werden sollen. Teilnehmer hatten anschließend die Möglichkeit, Fragen zu den künftigen Plänen der Stadt zu stellen. Das Publikum zeigte sich teils unzufrieden. Einige kritisierten, man würde bereits beschlossene Tatsachen so wirken lassen, als seien sie noch demokratisch verhandelbar.
Angespannte Stimmung bei Diskussion um Deutzer Freiheit
Die Stimmung im Saal war angespannt. Etwa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer riefen immer wieder in den Saal, um die Beiträge der Stadtplaner zu kommentieren. „Mit dem Verkehrsversuch wollte man die Planung erlebbar machen und testen, statt fünf bis sechs Jahre mit Verfahren zu warten – dabei wurde die Beteiligung im Vorfeld vernachlässigt“, räumte Hendrik Colmer, Sachgebietsleiter im Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung, ein. Die Stadtverwaltung wolle künftig darauf setzen, die Anwohner mehr in ihre Planungen mit einzubeziehen.
Das Verkehrsdezernat hatte im Vorjahr dazu eingeladen, sich im Rahmen einer Bürgerbeteiligung durch eine Umfrage auf der Plattform „Meinung für Köln“ einzubringen. Auch die Ergebnisse dieser Umfrage führten zu Diskussionen, ihre Aussagekraft wurde von Teilen des Publikums beanstandet. Laut der Umfrage befürworteten 65 Prozent der Teilnehmer den Verkehrsversuch. Dieses Bild spiegelte sich bei der Veranstaltung am Donnerstag im Plenum nicht wider. Aus Sicht einiger Anwohner werde sie benutzt, um Umfrageergebnisse zur vorherrschenden Meinung zu erklären. Von den 2759 Teilnehmern seien viele gar nicht direkt betroffen, es handele sich um Bürgerinnen und Bürger, die in anderen Stadtteilen lebten, lautete die Kritik.
Die Fronten schienen am Tag der Informationsveranstaltung so verhärtet zu sein, dass einige Teilnehmer nun offenbar nicht mehr mit einer Einigung zwischen Stadtverwaltung und Anwohnern rechnen. „Ihr macht aus der Deutzer Freiheit eine Deutzer Diktatur“, sagte Anwohner Wilhelm Weiß.
Auch die ruhigeren Wortmeldungen meldeten Kritik am Vorgehen der Stadt an. „Hier wurden Beschlüsse verabschiedet, wie etwa, dass in Teilen der Deutzer Freiheit keine Autos mehr fahren dürfen, und dann wird behauptet, man könne noch diskutieren – das Chaos wird ausbrechen, darauf läuft es hinaus“, sagte die Hauseigentümerin Pia Kusen. Sie kritisierte außerdem, dass von den vorgestellten Vertretern in der Mediation kein einziger die Anwohner direkt repräsentiere. Unter den bisher vorhandenen 19 Vertretern befänden sich religiöse Gemeinden, Deutzer Vereine und die Handwerkskammer. „Die Anwohner können sich auch durch die Kirchengemeinden vertreten lassen, oder falls sie es schaffen, sich einen gemeinsamen Vertreter suchen“, entgegnete Stadtmitarbeiter Colmer.
Umsatzeinbußen im Handel auf Deutzer Freiheit
Ladenbesitzer hatten bereits bei Ankündigung des Projekts Umsatzeinbrüche befürchtet. Diese Sorge hat sich aus Sicht der Gewerbetreibenden laut der Umfrage bestätigt. Die Stadt befragte 62 lokale Einzelhändler, Gastronomen, Ärzte und Apotheker. Mehr als die Hälfte beklagte sich über weniger Kundenbesuche seit Beginn der Autofreiheit im Juni 2022, die bis Ende August vergangenen Jahres anhielt. „Das liegt daran, dass Menschen, die mit dem Auto zum Einkaufen kommen, ihre Einkäufe nicht weit schleppen wollen“, sagte Anwohner Wilhelm Weiß. Ein gutes Drittel der Ladenbesitzer führt die Umsatzeinbußen ursächlich auf die autofreie Zone zurück. Ein Ladenbesitzer klagte vor dem Verwaltungsgericht und erwirkte damit das vorläufige Aus für die autofreie Straße, weil die Stadt einem möglichen Urteil zuvorkam und den Verkehrsversuch abbrach.
Auch die Idee, aus der Deutzer Freiheit eine Fahrradstraße zu machen, stieß bei der Veranstaltung auf wenig Gegenliebe. „Die Radfahrer haben die Deutzer Freiheit als Schnellstraße genutzt. Das war richtig gefährlich und es gab auch mehrere Unfälle“, berichtete Anwohnerin Sylvia Mruk. Stadtplaner Colmer kündigte an, diese Rückmeldung in die weitere Planung mit einzubeziehen.
Die Neugestaltung der Deutzer Freiheit mit Grünanlagen und Bänken war hingegen eine Maßnahme, die einem Großteil der Befragten gefiel. Jedoch habe auch das Herausforderungen mit sich gebracht. Anwohner störten sich etwa daran, dass wohnungslose Menschen die Möbel in Beschlag nahmen und Jugendliche sie benutzten, um dort Alkohol zu trinken und sich laut zu unterhalten.
„Das, was wir aus der Bevölkerung hören, ist positiv, unsere Arbeit wurde gelobt. Dass es laute Jugendliche und Alkoholkonsum gibt, liegt wohl auch an den langen Öffnungszeiten im Supermarkt auf der Straße“, sagte Felix Jeske. Er arbeitet für die Firma Stadtkontraste, welche die Sitzgelegenheiten und Begrünung an der Deutzer Freiheit für die Stadt umgesetzt hatte.
Aktuell sucht die Stadtverwaltung nach einem Mediator, um die verschiedenen Konfliktparteien zusammenzubringen. „Man macht diese Mediation nur, um zu behaupten, man hätte alle gefragt. In Wahrheit ist das doch schon alles beschlossene Sache“, sagte eine sichtlich erregte Frau aus dem Publikum.