Die finanziellen Probleme der KVB erschweren die Verkehrswende in Köln. Zukünftige Projekte könnten verzögert oder ganz gestrichen werden.
Aktuelle Stunde im VerkehrsausschussGefährden die Sparpläne der KVB die Verkehrswende in Köln?
Wie viel Verkehrswende will sich die Stadt Köln leisten, angesichts schlechter Finanzen? Diese Frage beschäftigt am Dienstag auch den Verkehrsausschuss, die FDP hat eine Aktuelle Stunde zum Thema beantragt. Und neue Statistiken zeigen das Ausmaß der Qualitätsmisere der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie sieht die finanzielle Situation der KVB aus?
Wie zu erfahren war, rechnen die Kölner Verkehrs-Betriebe für das Jahr 2023 mit einem Verlust in Höhe von rund 130 Millionen Euro. Würde die bisherige Planung umgesetzt, würde das Unternehmen in diesem Jahr voraussichtlich weitere rund 187 Millionen Euro verlieren – 2028 wäre mit einem Verlust von 230 Millionen Euro zu rechnen.
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Die vorausberechnete Entwicklung zeigt also dauerhaft deutlich nach unten. Der Stadtwerkekonzern, zu dem die KVB gehört und der den Verlust ausgleicht, will das Defizit der KVB in Zukunft allerdings auf 160 Millionen Euro jährlich deckeln. Ansonsten könnten andere Geschäftsbereiche mittelfristig in Schwierigkeiten geraten, heißt es. Dafür erarbeiten die Unternehmen der SWK nun ein Ergebnissicherungskonzept, um Geld einzusparen.
Wie könnte sich das Defizit auf 160 Millionen Euro begrenzen lassen?
KVB-intern gibt es dem Vernehmen nach den Vorschlag, den weiteren Ausbau des Bahn- und Busnetzes stark einzuschränken oder zumindest nur verzögert umzusetzen. In einer Art Sockelszenario würde der Ausbau des Bahnnetzes auf die Nord-Süd-Stadtbahn (Lückenschluss am Waidmarkt und Fortführung über die Bonner Straße bis zum Verteilerkreis), die Verlängerung der Bahnsteige auf der Ost-West-Achse (mit Ausnahme des Abschnitts zwischen Heumarkt und Aachener Weiher, auf dem ein Tunnel entstehen könnte) sowie die Verlängerung der Bahnsteige entlang der Linien 4, 13 und 18 begrenzt bleiben. Dabei handelt es sich um Projekte, die sich nicht mehr aufhalten lassen, weil sie dafür bereits zu weit fortgeschritten sind.
Projekte wie die Verlängerung der Stadtbahn im Mülheimer Süden und bis Stammheim/Flittard, die Verlängerung der Nord-Süd-Stadtbahn vom Bonner Verteiler bis nach Rondorf, die Erweiterung nach Neubrück, die Verlängerung der Linie 7 nach Zündorf Süd und die Gürtelverlängerung wären in diesem Szenario hingegen vorerst gestrichen. Rund 30 Buslinien müssten entweder ganz gestrichen werden oder mit einem ausgedünnten Fahrplan auskommen – dazu würden auch die Expressbusse auf der Aachener Straße gehören, die nach einem Gerichtsurteil eingeführt wurden, um Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge zu verhindern.
Wie sieht die finanzielle Lage laut Prognose auf lange Sicht aus?
Im Jahr 2035 wäre dem Vernehmen auch bei Umsetzung des Sockelszenarios noch immer mit einem Defizit von rund 300 Millionen Euro zu rechnen. Selbst wenn das Deutschlandticket ab 2026 jedes Jahr zehn Euro teurer werden würde und die KVB sämtliche Einsparmaßnahmen umsetzen würde, läge das Defizit noch immer bei rund 227 Millionen Euro. Als größte Kostentreiber gelten die Anschaffung neuer Fahrzeuge sowie der Bau neuer Abstellorte.
Was kann die Politik unternehmen?
Wollen die Politiker im Stadtrat die Verkehrswende fortsetzen und das Bahn- und Busnetz weiter ausbauen, müsste die Stadt Köln der KVB zusätzliches Geld geben. So ließe sich die Lücke zwischen dem gedeckelten Zuschuss der Stadtwerke und dem tatsächlichen Verlust schließen. Die Frage bleibt allerdings, in welchen anderen Bereichen sich signifikante Summen einsparen ließen.
Stadtkämmerin Dörte Diemert geht davon aus, dass es weder für 2023 noch für 2024 einen positiven Jahresabschluss geben wird – ein Haushaltsausgleich sei nicht machbar, sagt sie. Erschwerend kommt hinzu, dass die städtischen Kliniken ebenfalls hohe Verluste im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich haben, welche die Stadt Köln ausgleichen muss. Außerdem ist geplant, alle Standorte in Merheim zu zentralisieren und dort mehr als 800 Millionen Euro zu investieren.
Wie steht es um die Finanzen der Stadt Köln?
Nicht gut. Im Dezember hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) gesagt: „Wir müssen lernen zu priorisieren, das Geld wird knapper.“ Seit Wochen arbeitet Kämmerin Dörte Diemert an Entwurf des Haushaltsplans, den sie nach der Sommerpause vorlegt. Am kommenden Wochenende tagen Reker, Diemert und die anderen Dezernentinnen und Dezernenten und beraten in einer Klausur das Zahlenwerk. Intern hat Diemert nach Informationen dieser Zeitung die Maßgabe an die Dezernate ausgegeben, rund acht Prozent zu sparen im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung.
Warum sind die Verluste der KVB überhaupt so hoch?
Als großer Faktor zählt das Deutschlandticket. Viele Kundinnen und Kunden, die bereits vorher ein Monatsticket besaßen, sind auf das deutlich günstigere Deutschlandticket umgestiegen. Die Zahl der zusätzlichen neuen Fahrgäste kann das daraus entstehende Defizit nicht annähernd ausgleichen.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Fahrgäste mit der Corona-Pandemie insgesamt stark eingebrochen ist und sich bis heute nicht erholt hat. Zum Vergleich: Erzielte die KVB 2019 noch 60 Prozent ihrer Einnahmen mit dem Ticketverkauf, sind es heute nur noch 40 Prozent. Hinzu kommen gestiegene Energiepreise, Personalkosten und höhere Zinsen.
Was sagt die Politik dazu?
Lino Hammer, zurückgetretener Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender des Verkehrsausschusses (Grüne), sagte: „Es ist gut, dass die Daten für die Verkehrswende auf dem Tisch liegen. Wir werden im Zuge der Beratungen der anstehenden Haushaltsplanungen gemeinsam schauen müssen, wie wir die Verkehrswende finanzieren können.“ „Wir dürfen uns von der Verkehrswende nicht verabschieden, ein Minimalszenario darf deshalb nicht eintreten“, sagt Teresa De Bellis, verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Neben einer gescheiterten Verkehrswende wäre zu befürchten, dass die Stadt nicht weiter wachsen könnte. „Es ist wichtig, dass uns die Verwaltung aufzeigt, welche Auswirkungen mögliche Kürzungen im Angebot auf das gesamte Verkehrsnetz hätten.“
Der Stadtrat stehe vor einer großen Herausforderung. Lukas Lorenz, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, sieht die fehlende Finanzierung von Bund und Land als Grund für die Probleme. „Die möglichen Angebotskürzungen bedeuten das Ende der Verkehrswende.“ Güldane Tokyürek von den Linken sagte: „Die Verkehrswende hin zum Umweltverbund erfordert zwingend den Ausbau des ÖPNV.
Hierbei kommt der KVB eine zentrale Rolle zu. Letztlich muss der Rat dafür Sorge tragen, dass die KVB ausreichend Mittel bekommt, um die Verkehrswende voranzutreiben.“ Christian Beese, verkehrspolitischer Sprecher der FDP: „Die KVB droht den Rotstift anzusetzen und diverse Bauprojekte zu streichen. Politik und Verwaltung sind nun gefragt und müssen gemeinsam Antworten finden, damit die Kölner Verkehrswende nicht endgültig gegen die Wand gefahren wird.“
Und wie war die Qualität der KVB 2023?
Schlecht. So hatte es KVB-Chefin Stefanie Haaks vor knapp vier Wochen selbst gesagt, weil das Unternehme weiterhin nur den reduzierten Fahrplan anbieten kann, unter anderem wegen des Fahrermangels.Doch auf Anfrage der FDP -Fraktion lieferte die KVB weitere Antworten, die das Ausmaß zeigen, wie schlecht die Betriebsqualität konkret ist. Beispielsweise sind durch die ausgefallenen Bahnen 911.131 gefahrene Kilometer ausgefallen, bei den Bussen sind es 695,299 Kilometer dieser sogenannten Nutz-Kilometer.
Der Umfang des Äquators beträgt rund 40.075 Kilometer, die nicht gefahrenen Kilometer der Busse und Bahnen der KVB im Jahr 2023 entsprachen also 40 Mal dem Umfang des Äquators. 9,3 Prozent der Bahnen fielen im Vergleich zum Regelfahrplan im Jahr 2022 aus, bei den Bussen waren es vier Prozent. In Düsseldorf beispielsweise ist das anders: Wie die Rheinbahn mitteilte, konnte sie voriges Jahr bis auf einige Ausnahmen wie geplant fahren. Laut einer Sprecherin habe die Rheinbahn frühzeitig, Fahrerinnen und Fahrer geworben.