Stadt Köln und Politik haben sich das Ziel gesetzt, den Anteil des Autoverkehrs deutlich zu reduzieren. Ist die Mobilitätswende gescheitert?
VerkehrswendeIn Köln gab es noch nie so viele zugelassene Autos wie im Jahr 2023
Noch nie gab es es in Köln so viele zugelassene Kraftfahrzeuge wie im Jahr 2023. Eine aktuelle Auswertung der Stadt Köln besagt, dass insgesamt 585.118 Kraftfahrzeuge zugelassen waren. Das sind 1,6 Prozent mehr als im Jahr 2022. Darunter befinden sich 491.747 Pkw, von denen 405.367 privat und 86.380 gewerblich genutzt sind.
Dass es noch nie so viele Autos in Köln gab, widerspricht dem Ziel, das sich Stadtverwaltung und Politik vor zehn Jahren selbst gesetzt hatte. Im Strategiepapier Köln Mobil 2025 hieß es damals, dass die Kölnerinnen und Kölner verstärkt vom Auto auf Bahnen, Busse und das Fahrrad umsteigen oder zu Fuß gehen sollten. Angestrebt war eine Mobilitätswende weg vom Auto hin zu anderen, umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln. Damit verbunden war auch die Hoffnung, dass die Zahl der Autos nicht weiter wachsen würde.
Kölnerinnen und Kölner legen ein Viertel aller Wege mit dem Auto zurück
Eine Mobilitätsumfrage der Stadt Köln bei 6000 Haushalten hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass die Kölnerinnen und Kölner nur noch für jeden vierten Weg das Auto benutzen. Im Jahr 2017 legten sie noch 35 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück. Und trotz dieser Zahlen gibt es nun mehr Fahrzeuge in der Stadt als je zuvor. Ist die Mobilitätswende also gescheitert?
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Auf der Suche nach einer Erklärung für das Phänomen machen Experten vor allem die anhaltenden Probleme der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und einen unzureichenden Ausbau der Netze für den Radverkehr und die Stadtbahn verantwortlich. Ein Nebeneffekt könne es sein, dass Menschen zwar ein Auto besitzen, aber deshalb nicht unbedingt auch jeden Tag damit fahren.
„Das ist traurig – eigentlich müsste der Trend in die umgekehrte Richtung weisen“, sagt ADAC-Verkehrsexperte Roman Suthold. Es handele sich um eine bundesweite Entwicklung, die sich nun auch in den Kölner Zahlen widerspiegele. „Das zeigt, dass die Bequemlichkeit des Menschen die Moral sticht“, sagt Suthold. Alle würden davon reden, weniger mit dem Auto fahren zu wollen, um Kohlenstoffdioxid zu sparen, aber viele von ihnen wären in der Realität dann doch wieder mit dem Auto unterwegs.
Dass die Zulassung gewerblicher Pkw zugenommen hat, führt Suthold auf eine größere Zahl an Dienstfahrzeugen mit erlaubter Privatnutzung zurück. Für viele Unternehmen sei das mittlerweile eine Art Bonus, den sie Arbeitnehmern anbieten, um sie zu halten und enger an sich zu binden. Hinzu kämen unzufriedene Kunden der Kölner Verkehrs-Betriebe, die aufgrund der Unzuverlässigkeit der Bahnen und Busse lieber mit dem Auto unterwegs seien.
Busse und Bahnen als Rückgrat von Metropolen wie Köln
„Der öffentliche Nahverkehr ist das Rückgrat der Mobilität in den Metropolen und nur damit kann eine Verkehrswende gelingen“, sagt Suthold. In Köln sei außerdem bislang die Chance verpasst worden, Radschnellwege zu bauen – auf diesen könnten Pendler mit E-Bikes auch täglich größere Strecken zurücklegen und dann auf das Auto verzichten.
Ähnlich sieht das Ralph Herbertz vom Regionalverband Köln im Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Es gibt nicht nur eine Antwort auf die Frage, warum es in Köln und auch bundesweit immer mehr Autos gibt“, sagt er. Umso weiter man sich aus dem Stadtzentrum entferne, desto schlechter sei die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und umso mehr Kraftfahrzeuge gebe es.
Das zeige sich besonders deutlich am Beispiel des Neubaugebiets Widdersdorf-Süd am westlichen Stadtrand. Bei den Planungen hatte man zwar eine Stadtbahntrasse berücksichtigt und dafür einen Grünstreifen als Platzhalter angelegt. Doch auch ein Jahrzehnt nach der Fertigstellung fährt dort keine einzige Bahn, weil das Schienennetz noch immer nicht verlängert wurde. Es läuft zwar ein Planungsprozess, aber bis zur Realisierung wird es wohl noch bis tief in die 2030er Jahre dauern.
„Die ersten Kinder in Widdersdorf-Süd kommen jetzt ins Autofahr-Alter“, sagt Herbertz. Angesichts der fehlenden Stadtbahn-Anbindung sind ein Führerschein und ein Auto am Stadtrand bei vielen 18-Jährigen nach wie vor begehrt. Der Verkehrsexperte befürchtet, dass sich die Geschichte im Neubaugebiet Rondorf Nord-West im Kölner Süden und auch bei der Umwandlung des Industriegebiets im Mülheimer Süden in ein Wohngebiet wiederholen wird. Pläne für den Stadtbahnausbau liegen zwar vor, doch bis die erste Bahn fährt, werden die Häuser dort voraussichtlich bereits seit vielen Jahren bewohnt sein.
„Wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen, benötigen wir ein gutes Zusammenspiel zwischen den Verkehrsmitteln“, sagt Herbertz. Die Bahnen und Busse der KVB müssten dafür zuverlässig sein und über ein dichtes Netz verfügen, das bis zum Stadtrand und darüber hinaus reicht. Das sei auch eine Voraussetzung für ein funktionierendes Carsharing-System. Auch hierfür sei ein Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr notwendig.
Als weiteres Rückgrat zum Gelingen der Verkehrswende sieht Herbertz ein dichtes Radroutennetz. „Es ist wichtig, dass sich jeder auf dem Fahrrad sicher fühlt – auch diejenigen, die nicht täglich damit unterwegs sind“, sagt er. Aus seiner Sicht sei es nicht so wichtig, mit dem Rad hohe Geschwindigkeiten fahren zu können. Sinnvoll sei es vielmehr, eine möglichst durchgängige Strecke ohne Kreuzungen und Ampeln zu haben.
Durchschnittsalter der Fahrzeuge liegt in Köln bei zwölf Jahren
Das Durchschnittsalter der in Köln zugelassenen Pkw ist laut der Statistik gestiegen. Während die gewerblich genutzten Pkw in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt rund drei Jahre alt waren, stieg das Durchschnittsalter der privaten Pkw bis Ende 2023 um rund zwei Jahre auf mehr als zwölf Jahre. „Dass die Halterinnen und Halter ihre Fahrzeuge länger besitzen, zeigt sich auch bei den neu zugelassenen Pkw-Beständen“, teilt die Stadt Köln mit.
Was umweltschädliche Emissionen angeht, hat sich der Fahrzeugbestand in Köln indes verbessert. So gab es 2023 fast doppelt so viele Elektroautos wie im Jahr 2022. Insgesamt waren 14.524 Elektroautos zugelassen. Bei Pkw mit Hybridantrieb gab es eine Steigerung um 27 Prozent und bei Plug-In-Hybriden waren es 17 Prozent. Die Zahl der Pkw mit Benzinantrieb ging um 1,5 Prozent zurück, bei Autos mit Dieselmotor war ein Minus von 3,4 Prozent zu verzeichnen.