Der Probelauf soll dabei helfen, eine Entscheidung für oder gegen einen neuen Innenstadt-Tunnel für die künftigen Langbahnen zu treffen.
Ost-West-AchseSo lief der Test mit 90 Meter langen Straßenbahnen in der Kölner Innenstadt ab
„Testfahrt – Bitte nicht einsteigen“ ist auf der Straßenbahn zu lesen, die auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnlicher Zug der KVB. Doch er passiert die Haltestelle, ohne die Türen zu öffnen – und scheint dabei kein Ende zu nehmen. „Boah, das sind ja drei Waggons“, ruft ein Junge, der mit seinem Vater am Neumarkt steht. Statt der sonst üblichen zwei Straßenbahnwagen sind drei aneinandergekoppelt. So entsteht ein 90-Meter-Koloss, der durch die Kölner Innenstadt rollt.
Noch bleiben die 90 Meter langen und ungewohnt wuchtig wirkenden Stadtbahnen in Köln ein einmaliger Test. Am Sonntagnachmittag fahren von 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr vier Langbahnen zwischen den Haltestellen Bahnhof Deutz/Messe und Neumarkt und wieder zurück – ohne Fahrgäste.
Der Test wurde auf Antrag der Fraktionen von CDU und Volt durchgeführt. Hinter dem Versuch steht die Frage, ob die 90 Meter langen Bahnen, die langfristig auf der Linie 1 vorgesehen sind, zwischen Heumarkt und Aachener Weiher durch einen neuen Tunnel oder oberirdisch fahren sollen. Die neuen Langzüge sollen die bisherigen 60 Meter langen Stadtbahnen auf der Ost-West-Achse ersetzen, um mehr Fahrgäste als bislang zu befördern.
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KVB-Chefin Stefanie Haaks steuert selbst
Für einen Sonntag ist ungewöhnlich viel los in der City, denn es ist verkaufsoffen. Am Neumarkt auf der Höhe des Kunsthauses Lempertz bilden sich Menschentrauben an der Fußgängerampel. An dieser Stelle dauert es oft episch lang, bis Passanten und Radfahrende die Kreuzung überqueren können. Am Sonntag dauert es phasenweise besonders lang. Denn eine 90 Meter lange Bahn braucht naturgemäß mehr Zeit, um den Überweg zu passieren, als eine 60 Meter lange Bahn.
Die erste Testbahn steuert die KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks selbst. Als sie kurz hinter dem Heumarkt eine Gruppe Demonstrierender passiert, jubeln und applaudieren diese. Sie skandieren „Oben bleiben“. Unter diesem Motto protestiert das Bündnis Verkehrswende Köln während der Testfahren, das sich gegen einen Tunnelbau stellt. „Die Tunnellösung hätte katastrophale finanzielle und klimapolitische Folgen für Köln“, sagt Rolf Beierling-Hémonet vom Bündnis.
„Der Tunnel würde eine weitere Großbaustelle in der Innenstadt bedeuten, es würde über eine Milliarde Euro verbuddelt und das alles für eine Zeitersparnis von drei Minuten. Die bräuchte man aber mindestens, um aus 40 Metern Tiefe aus dem U-Bahn-Tunnel nach oben zu kommen“, so Beierling-Hémonet. Unterstützt wird das Bündnis unter anderem vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem Umweltverbands BUND und dem Verein Fuss e.V. Die Tunnelgegner kritisieren auch, dass der Testbetrieb mehr als 10.000 Euro kostet.
Die Kosten entstehen durch das zusätzliche Personal für die Extra-Fahrten und für die Sicherheitskräfte, die die KVB während des Versuchs an den Fußgängerüberwegen vorsichtshalber einsetzt. Diese müssen tatsächlich wiederholt unaufmerksame Menschen bremsen: Zwar zeigt die Fußgängerampel am Neumarkt grün, in der Mitte der Fahrbahn werden die Passanten jedoch jäh von einer Langbahn ausgebremst, die noch gemütlich den Überweg entlangrollt.
Entlang der Teststrecke stehen immer wieder Menschen, machen Fotos und Videos mit ihren Smartphones. Zwei 15-jährige Schüler sind gekommen, um sich „das Spektakel live anzusehen. Das sieht schon krass aus“, sagt der eine. Marianne Mertens ist mit ihrem Mann und Enkelsohn zum Einkaufen in die Stadt gekommen. „Ich finde, das ist kein realistischer Test, weil ja niemand ein- und aussteigen darf“, sagt sie.
Genau das ist aber eigentlich das Ziel des Tests: Er soll einen realistischen Eindruck davon verschaffen, was ein oberirdischer Ausbau der Stadtbahntrasse bedeuten würde und wie sich die Langbahnen auf den bestehenden Gleisen auf den Innenstadtverkehr auswirken würden. Bewusst wurde ein Abschnitt gewählt, auf dem drei Linien (1, 7 und 9) verkehren, um einen möglichst dichten Takt zu simulieren.
Einige Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Demonstrationen ziehen während des Testzeitraums durch die Innenstadt, vorbei am Rautenstrauch-Joest-Museum, wo die Mitglieder des Verkehrsausschusses, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und weitere Vertreterinnen und Vertreter der Politik den Test beobachten.
Teresa De Bellis-Olinger, verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion und Mitinitiatorin des Tests, zeigt sich mit dem Ablauf zufrieden: „Man bekommt ein gutes Bild davon, dass sich die 90-Meter-Bahnen auf diesem Abschnitt im Alltag stauen würden. Es gab heute kein Chaos, aber auch weniger Verkehr als sonst. Und für die Langbahnen gab es manuelle Vorrangschaltungen.“ Lino Hammer (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sieht das anders: „Man hat einen optischen Eindruck davon bekommen, wie sich die langen Züge im Stadtbild machen: Sie sind stadtbildverträglich und metropolengerecht.“
KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks schwärmt am Ende des Versuchs von „sehr schön anzusehenden 90-Meter-Bahnen“. „Ich bin froh, dass alles reibungslos geklappt hat und nichts passiert ist.“ Was der Versuch im Detail bedeute, müsse später ausgewertet werden. Auch Verkehrsdezernent Ascan Egerer äußert sich zufrieden über den Ablauf: „Jeder konnte sich ein eigenes Bild davon machen, wie 90-Meter-Bahnen im Stadtbild wirken. Es war wichtig, das heute zu zeigen und zu ermöglichen.“
Haaks ergänzt: „Es ist längst entschieden, dass 90-Meter-Bahnen kommen. Ob ober- oder unterirdisch, ist eine politische Entscheidung.“ Wie der Stadtrat im Juni entscheiden wird, ist weiterhin völlig unklar. Grüne und Linke sind Tunnelgegner, CDU und FDP Tunnelbefürworter, SPD und Volt haben sich noch nicht festgelegt.