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Ein Sommertag in Köln 1998Sporthalle wird nach 40 Jahren abgerissen

Lesezeit 7 Minuten

Ausgabe aus dem Jahr 1998

  1. Was war früher los in den Kölner Sommerferien? Wir sind ins Redaktionsarchiv gestiegen, um nach schönen, verrückten, nassen, sonnigen oder lustigen Geschichten zu suchen.

KölnAus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Jahr 1998:

Unten in den leeren Hallen tropft irgendwo ein Wasserhahn. Das Geräusch schallt durch die Gänge und das leere Foyer. Oben, im Büro der Sporthalle, brennt eine rote Kerze. Die beiden Sekretärinnen Marianne Düren und Renate Brandt essen bei Kerzenschein zu Mittag. „Das machen wir immer so“, sagt Renate Brandt. „Am liebsten würde ich alle drei Kerzen im Ständer anmachen, aber dann lachen mich immer alle aus, das sähe aus wie der dritte Advent.“

Die Frauen halten eine Art Totenwache. Ihr Arbeitsplatz, die Sporthalle, ist dem Abbruch geweiht. Vom 2. Oktober 1999 wird das Gebäude abgebrochen. Irgendwann werden alle Spuren der 1958 eröffneten Sporthalle verschwunden sein, und statt dessen der Erweiterungsbau der Messehalle 9 an ihre Stelle stehen.

Radrennbahn geht als Geschenk nach Lettland

Die beide Sekretärinnen, Sporthallen-Chef Franz Wendland und der technische Leiter der Halle, Heinz Fahnenschmidt, sind die letzten, die hier noch ausharren und die Geschäfte abwickeln, während unten, wo einst die Rolling Stones auftraten, das Sechstagerennen seine Runden drehte und „Holiday on Ice“ beklatscht wurde, große Maschinen kreisrunde Löcher in den Boden bohren. Der Untergrund wird geprüft, um den Abbruch vorzubereiten.

Vieles vom Inventar, das die Kölner im Laufe der Jahre liebgewonnen haben, ist bereits verkauft. „Das ganze bewegliche Mobiliar verkaufen wir“, sagt Heinz Fahnenschmidt. „Das ist alles noch prima im Schuss“. Die Stühle gehen nach Stuttgart, die Radrennbahn als Geschenk nach Lettland, die Garderobe aus dem Foyer nach Aachen. Die Beschallungstechnik wird in Grefrath wiedereingebaut, die Anzeigetafel im Albert-Richter-Radstadion. Und einen Teil der Bestuhlung hat die Feuerwehr abmontiert. „Die haben genug Handwerker für so was. Die Stühle kommen dann in Schulungsräume“.

Stille herrscht in den Garderoben

Der Backstage-Bereich, einst unerreichbares Traumziel für Fans, liegt jetzt offen und bloß da. Es gibt keinen Vorhang mehr. Ein altes Waschbecken ragt aus dem Boden und ein Telefon, das auf ein Holzbrett geschraubt ist. Mit schwarzem Filzstift hat irgendwann einmal jemand die wichtigsten Telefonnummern aufgeschrieben: Office 12, Sound 55, Coffeeroom 65.

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Stille herrscht in den unterirdischen Garderoben, die erst vor zwei Jahren die berüchtigten Katakomben abgelöst haben. Hier hängt kein vergessenes Kostüm, noch nicht einmal die Fluse einer Federboa ist zu finden. Keine Spuren mehr von Stars und Sternchen, dabei war erst vor wenigen Wochen die Teenie-Band Hanson hier als letzter regulärer Act.

„Rundherum war noch Feld“

Die Blätter mit dem Hinweis „Stage – zur Bühne“ hängen noch an der Tür. Jetzt sucht hier niemand mehr nach dem Weg. Nur oben im Büro, da ist – noch – alles beim alten. Die Wände sind mit Karnevalsorden übersät, stumme Zeugen der „Lachenden Sporthalle“. In den dicken Gästebücher mit den aufgeklebten Autogrammkarten und handschriftlichen Grüßen reihen sich friedlich Ozzy Osborne, Karl Moik, Frank Zappa und Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt aneinander.

Ärger, ach Ärger habe es mit den vielen verschiedenen Gästen eigentlich nie gegeben, sagt Marianne Düren, die vom ersten Tag an in der Sporthalle gearbeitet hat. Nur bei den Rolling Stones im September 1970, da war es zu Krawallen gekommen. 1500 Fans, die keine Karte mehr bekommen hatten, versuchten die Halle zu stürmen, kletterten auf das Dach und zertrümmerten Scheiben. Marianne Düren kann sich noch genau erinnern, wie sie am Fenster stand und die Fans kommen sah. „Damals hatten wir noch einen freien Blick, rundherum war noch Feld.“ Jetzt ist alles mit Messehallen zugebaut.

Die Kölner, da sind sich die Sporthallen-Leute einig, waren ansonsten immer ein friedliches Publikum. „Sie hätten mal den Unterschied sehen sollen, wenn in essen ein Konzert ausfiel und die Leute dann zu uns kamen“, erinnert sich Fahnenschmidt. Marianne Düren hat durch ihren Beruf viele andere Hallen in ganz Deutschland kennengelernt.

Neue Köln-Arena soll dreimal so viele Menschen fassen

„Die Sporthalle ist sicher nicht die modernste und schönste, aber irgendwo liebe ich sie. Man ist sehr nah dran, das haben auch viele Veranstalter gesagt. Und da ist Holzboden wenn man trampelt. Das ist doch etwas anderes als Beton.“ Auch Fahnenschmidt ist wehmütig. In der neuen Köln-Arena, die mehr als dreimal so viele Menschen fasst wie die Sporthalle, würde er nicht so gerne arbeiten. „Das sind mir zu viele Leute. Wenn man bedenkt, dass etwa vier Prozent der Menschen sich in der Masse nicht normal verhalten, das potenziert sich ja dann noch mal.“

Das kleine Sporthallen-Team wird demnächst ins Eis- und Schwimmstadion umquartiert. Franz Wendland geht in den Ruhestand. „Dass man irgendwann einmal aufhört, ist ja normal“, sagt Marianne Düren. „Aber dass alles verschwindet, das ist schon komisch.“ An die Sporthalle, findet sie, sollte doch wenigstens eine Gedenktafel erinnern. An die 40-jährige Geschichte der Sporthalle, wird auf jeden Fall der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit einer kleinen Serie erinnern. Sie wird in den kommenden Wochen erscheinen.

Die Serie

„Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Ein Sommer, wie er früher einmal war?“ trällerte einst Rudi Carrell. Guter Sommer, schlechter Sommer. Wie waren die Sommer früher denn wirklich? Was war los in den großen Ferien? Wir sind ins Redaktionsarchiv gestiegen, um nach schönen, verrückten, nassen, dramatischen oder lauten Geschichten zu suchen. Jeden Tag werden wir eine dieser Geschichten im Original abdrucken, so, wie sie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ stand.

Das letzte Konzert zum Abschied

Das ist das Letzte: Ziemlich genau vier Jahrzehnte war die Sporthalle der Veranstaltungsort in Köln. An der Sporthalle hängen die Erinnerungen der Kölner. Mit dieser Halle sind die ganz großen Namen der Unterhaltung verbunden, die bekanntesten Orchester, musikalische und akrobatische Weltstars. Hier feierten die Rolling Stones ihre frühen Erfolge, als die Damen noch im Pepita-Kostüm zum Konzert erschienen, hier hörte man Freddy Quinn und den „Musikantenstadl“. Thomas Gottschalk nahm hier seine „Wetten, dass...“ entgegen, und Holiday on Ice begeisterte über die Jahre Generationen von Familien.

Die Sechs-Tage-Rennen und nicht zuletzt die „Lachende Sporthalle“ haben schließlich dazu beigetragen, daß die Kölner in der Sporthalle ihre Veranstaltungshalle sehen- in die Jahre gekommen, aber gerade deshalb umso liebenswerter. Und nun soll die Halle in wenigen Wochen abgerissen werden, ohne dass es ein Abschiedsfest gibt? Nein, da darf nicht sein.

„Dat Letzte – Tschüss Sporthall“

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat sich daher mit Kölner Künstlern in Verbindung gesetzt, die quasi in der Sporthalle groß geworden sind und dort ihre größten Erfolge feierten. Sie alle sind dabei, wenn es am 30. August, einem Sonntag, um 17 Uhr heißt: „Dat Letzte – Tschüss Sporthall“. Die Bläck Fööss und die Höhner werden singen, die Paveier, die Räuber. MarieLuise Nikuta wird – gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt – auf die Bühne treten, ebenso Bernd Stelter und schließlich Willy Millowitsch, der wie kein anderer Kölner Künstler eine Beziehung zur Sporthalle hat. Seine spätabendlichen Auftritte bei der „Lachenden Sporthalle“ zählen zu den Höhepunkten einer jeden Session. Als er von den Plänen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, war er sofort begeistert: „Da bin ich dabei, na klar!“ Für die musikalische Begleitung der Gäste wird das Orchester Ted Borgh sorgen, das ebenfalls seit Jahren fest für die „Lachende Sporthalle“ gebucht ist.

Der Erlös des Konzertes – alle Künstler verzichten auf ihre Gagen – kommt über die Aktion „Wir helfen“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ dem Hövi-Land zugute, das jedes Jahr 450 Kinder aus sozialschwachen Verhältnissen in Höhenberg und Vingst drei Wochen in den Ferien betreut. Da schon vieles in der Sporthalle abgeräumt worden ist, müssen in den nächsten Wochen fleißige Heinzelmännchen ran, um die Halle ein letztes Mal wieder bespielbar zu machen.

Neben den „guten Geistern“ der Sporthalle um Chef Franz Wendland wird da vor allem die

Erfahrung von Walter Pauly als technischem Leiter gefragt sein. Er wird die Bühne wieder aufbauen, für Licht und Lautsprecheranlage sorgen. Als Programmchef konnte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Eberhard Bauer von der Gastspieldirektion Otto Hofner gewinnen, der seit Jahrzehnten mit den Künstlern zusammenarbeitet und auch die Sporthalle aus unzähligen Konzerten bestens kennt.

Zwar nähert sich in der Kölnarena ein würdiger Nachfolger seiner Fertigstellung, aber dennoch will der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit dem Konzert „Dat Letzte – Tschüss Sporthall“ Abschied feiern – zum familienfreundlichen Preis von 20 Mark. (ruk, 1998)