Das Hansahochhaus prägt seit 100 Jahren das Stadtbild. Seit 30 Jahren leuchtet die Saturn-Reklame.
Hansahochhaus am RingEin Kölner Haus der Superlative wird 100 Jahre alt

Das Hansahochhaus am Ring vor dem Zweiten Weltkrieg
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Dieses Gebäude brach viele Rekorde. Es begann damit, dass für das Hochhaus am Hansaring die Baugenehmigung innerhalb von nur einer Woche erteilt wurde. Errichtet wurde es ebenfalls im Turbo-Tempo. In zehnstündigen Arbeitstagen wurde mit Pferdekarren die Erde, die für das Fundament ausgehoben wurde, weggefahren. Der Rohbau mit der damals hochmodernen Stahlbeton-Konstruktion wuchs innerhalb von fünf Monaten in die Höhe.
Sonntags unternahmen die Kölner Spaziergänge zur Baustelle und staunten. Und schon nach gut einem Jahr war das Hansahochhaus vor 100 Jahren, im Mai 1925, fertiggestellt. Damit war man schneller als die Amerikaner mit ihren Wolkenkratzern. Mit 17 Geschossen und 65 Metern war das Hansahochhaus für kurze Zeit das höchste Haus Europas. Und der Paternoster war der längste der Welt.
Wie war es möglich, dass vor 100 Jahren alles so schnell ging? Dahinter steckten der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer und der Kölner Architekt Jacob Koerfer. Zur „Feier der tausendjährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zum deutschen Reich“ wollte Adenauer ein Zeichen setzen. Und Düsseldorf übertrumpfen: Dort stand bereits das 57 Meter hohe Wilhelm-Marx-Haus.

Mit Pferdekarren wurde der Aushub für das Fundament abtransportiert.
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Das Grundstück am Hansaring/Ecke Ritterstraße war damals feucht und vernachlässigt. Der Güterbahnhof Gereon (heute Mediapark) und das Rotlichtviertel lagen in der Nachbarschaft. Es gab auf dem Brachgelände erstaunlicherweise einen Kinderspielplatz, doch der versank meistens im Morast.
Kölner Architekt bewies Wagemut am Ring
Jacob Koerfer war zunächst beim Hochbauamt der Stadt angestellt, dann freier Architekt. Nach seinen Entwürfen wurde zum Beispiel der „Schwerthof“ am Neumarkt/Ecke Zeppelinstraße (heute Appelrath-Cüpper) errichtet. Er wollte das Hochhaus am Ring bauen. Adenauer schrieb ihm, er hoffe, dass sein „Wagemut Erfolg haben wird“.

Die keramischen Figuren, die einst die Fassade zierten, sind verloren gegangen.
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Koerfer schaffte es. Das Haus, das heute unter Denkmalschutz steht, wurde nicht nur rasend schnell, sondern auch mit Anspruch gebaut: im Stil des Klinker-Expressionismus, der unter anderem an den dreieckig zulaufenden Fenstern zu erkennen ist. Der Klinker verdeckt elegant den darunterliegenden Beton. Die Fenster wurden mit grünlichem Muschelkalk umrandet, Tier- und Menschenköpfe zieren die Fassade.

Die Adler-Automobilgesellschaft hatte eine feinen Ausstellungsraum mit Kronleuchtern im Erdgeschoss.
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Im Erdgeschoss des niedrigeren Teils ging es nobel zu. Dort zog die Landesbank der Rheinprovinz ein und die Frankfurter Adler-Automobilgesellschaft richtete einen Showroom mit Kristall-Lüstern ein. Es gab ein Zigarrengeschäft und ein Café im Art-Deco-Stil. Dort, wo sich heute das Parkhaus befindet, wurde das „Emelka“-Kino mit 1200 Plätzen, 15.000 Lampen, goldener Saaldecke und Holzvertäfelung eröffnet. Es wurde allerdings im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Der Haupteingang zum Hochhausteil zeigt typische Elemente des Klinker-Expressionismus und ist heute noch so erhalten.
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Das Hochhaus jedoch überstand dank seines Stahlgerippes den Krieg fast unbeschadet. Die Mieter wechselten, unter anderem waren einmal Teile der Stadtverwaltung dort untergebracht. Der bekannteste aber ist Saturn. 1977 zog der Saturn-Gründer Fritz Waffenschmidt mit seiner „größten Schallplattenshow der Welt“ ein. Für viele Kunden wurde das Hansahochhaus zum Saturn-Hochhaus, der Besuch in dem riesigen Plattenladen war ein Highlight. Das Haus wurde eine Wegmarke in der Stadt, nicht mehr wegen seiner Höhe, sondern wegen des Geschäfts.
Saturn zog 1977 ein, doch nun ist es ein Mediamarkt
Einst hatte die Kaufhalle ihre Verwaltungsbüros über dem Plattenladen. Seit 2008 sind jedoch die ersten sechs Etagen in flachen Gebäudeteil und im Hochhaus von einem Hotel belebt, erst von der russischen Kette Azimut, nun von einem Premier Inn. Den Saturn-Plattenladen gibt es nicht mehr, seit 2020 ist in den Räumen die „Gaming-Erlebniswelt“ Experion zuhause.
Was aber immer geblieben sind, sind die Büros der Koerfer-Immobiliengruppe im Hochhaus. Den Nachfahren des Architekten, der ein kleines Imperium aufbaute, gehört das Gebäude nach wie vor. Die 50 Familienmitglieder sind in der ganzen Welt verstreut. Verwaltet wird das Vermögen von einer Fremdgeschäftsführung. Die Familie lebt eher zurückgezogen.
Wie der Kunstsammler Jacques Koerfer, der Sohn von Jacob Koerfer, einst sagte: „Über Geld spricht man nicht.“ Doch zum Jubiläum wird gefeiert. Ende April gibt es einen großen Empfang in der Flora. Und der Historiker Henning Köhler hat ein 750-Seiten-Buch über die Familie aus der „großbürgerlichen Welt“ geschrieben („Das Haus Koerfer“, Piper). Er meint, ihre verwickelte Geschichte wäre eine gute Vorlage für eine Netflix-Serie.

Der Name Saturn prägte über Jahrzehnte weithin sichtbar das Hansahochhaus. Was mit der Leuchtreklame passiert, ist noch unklar.
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Daniel Schild ist Mitglied der Geschäftsführung der Koerfer-Gruppe. Er freut sich jeden Tag über den grandiosen Ausblick auf Köln aus dem Bürofenster im elften Stock. „Das Haus bewegt die Kölner immer noch“, sagt er. So seien die Führungen beim Tag des offenen Denkmals stets ausgebucht. Der Paternoster, der inzwischen nur noch von besonders eingewiesenen Mitarbeitern genutzt werden darf, stößt immer auf besonderes Interesse. „Die Kölner hängen an diesem Haus.“
Das zeigen auch die Reaktionen auf die aktuelle Umwandlung der Saturn-Filiale zu einem Mediamarkt – das ist zwar ein- und derselbe Konzern, aber eben etwas ganz anderes. Am Hochhaus leuchtete einmal die Emelka-Kino-Reklame, danach das Klosterfrau-Logo – aber seit 1993 eben der Saturn-Schriftzug. Also fast eine Ewigkeit. Ob sie nun gegen eine Mediamarkt-Werbung ausgetauscht wird, ist noch unklar. Die Fläche sei von der Koerfer-Gruppe an den Mediamarkt-Saturn-Konzern vermietet, sagt Daniel Schild. Darauf habe man keinen Einfluss.