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Gegensätze am NeumarktWie die Kölner Polizei gegen die harte Drogenszene vorgeht

Lesezeit 5 Minuten
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Drogenkonsum in aller Öffentlichkeit – wie in der Tiefgarageneinfahrt am Josef-Haubrich-Hof – ist für Anwohner und Passanten rund um den Neumarkt ein gewohntes Bild.

  1. Die harte Drogenszene hat den Kölner Neumarkt und seine Umgebung im Griff.
  2. Die Polizei setzt auf Kontrollen, fährt zu sieben bis acht Einsätzen am Tag zu dem Platz in der Innenstadt.
  3. Zum Ebertplatz, ebenfalls einem der Drogen-Hotspots in Köln, gibt es große Unterschiede.

Köln – Der Neumarkt gilt aufgrund seiner zentralen Lage als wichtigster Platz der Innenstadt. Die triste, graue Fläche lädt trotz der sie umgebenden Bäume nicht gerade zum Verweilen ein. Das liegt daran, dass der Platz vor allem vom Verkehr bestimmt wird – rundherum fahren Autos, und im Süden dominieren die Gleise der Stadtbahn. Seit mehr als 30 Jahren ist der Neumarkt zudem als Treffpunkt der harten Drogenszene bekannt. Davon sind auch die angrenzenden Straßen wie etwa die Lungengasse und die Fleischmengergasse betroffen, aber auch der Josef-Haubrich-Hof zwischen Volkshochschule und Stadtbibliothek.

Gegensätze prägen den Neumarkt und dessen direkte Umgebung. Eine Frau sitzt am frühen Abend mit heruntergelassener Hose auf der Eingangsstufe eines Bekleidungsgeschäfts an der Lungengasse. Neben sich ausgebreitet hat sie in aller Öffentlichkeit Spritzen, Nadeln, einen Löffel und ein Feuerzeug.

Drogenkonsum Neumarkt

Mit ihren Händen tastet sie nach einer Vene, in die sich Heroin injizieren will. Nur wenige Stunden zuvor gingen dort noch Kunden ein und aus.

Hier lesen Sie mehr: Nicht nur die Hotspots im Blick – Ein Abend mit dem Kölner Ordnungsamt

Ein ähnliches Bild bietet sich in der nahe gelegenen U-Bahn-Station. Zwei Männer kauern in einer Ecke vor dem Treppenabgang zu den Gleisen und halten die Flamme eines Feuerzeugs unter einen Metalllöffel, um Heroin aufzukochen. Wenige Meter entfernt verkauft ein Bäcker Brötchen. Solche und ähnliche Szenen wiederholen sich rund um den Neumarkt täglich.

Für die Anwohner bedeutet das zusätzliche Belastungen. Die Straßen sind überdurchschnittlich verdreckt, weshalb Mitarbeiter der Abfallwirtschaftsbetriebe jeden Morgen mit einer Kehrmaschine unterwegs sind, um die Hinterlassenschaften der Drogenszene zu beseitigen.

Streitigkeiten unter Junkies am Kölner Neumarkt

Abends und nachts kommt es regelmäßig zu Polizeieinsätzen, weil Suchtkranke in Streit geraten. „Da wird ein gesamtgesellschaftliches Problem auf dem Rücken der Anwohner und Eigentümer ausgetragen“, sagte Guido Köhler, Vorsitzender der Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine zusätzliche Betreuung der Abhängigen, bauliche und ordnungspolitische Maßnahmen seien dringend erforderlich. Parkhausbetreiber und Eigentümer drohten zuletzt mit einer Klage gegen die Stadt, wenn weiterhin nichts passieren sollte.

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Immer wieder kommt es auf dem Neumarkt und in den umliegenden Straßen auch zu körperlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Drogenszene oder mit Dritten. Die Polizei zeigt teils offen Präsenz auf dem Platz, teils geht sie mit Zivilstreifen vor. Allein von Juli 2019 bis Juni 2020 kontrollierten die Beamten 1400 Personen und erteilten 570 Platzverweise, wie aus der neuesten Auswertung der polizeilichen Einsatzstatistik hervorgeht. Dabei sind die Zahlen in den Corona-Monaten März und April zwischenzeitlich deutlich zurückgegangen, wie es von der Polizei heißt.

Kölner Polizei hat sieben bis acht Einsätze pro Tag am Neumarkt

In den vergangenen Kalenderjahren waren es stets zwischen 2500 und 2900 Einsätze – im Schnitt also zwischen sieben und acht am Tag. Dabei wurden zwischen 1900 und 2300 Kriminalitätsdelikte festgestellt – etwa die Hälfte davon in Verbindung mit Rauschgift. Zwar ist insgesamt ein eher rückläufiger Trend zu erkennen. Trotzdem ist der Neumarkt damit nach den Ringen der am zweitstärksten kontrollierte Brennpunkt in Köln – noch vor dem Wiener Platz, dem Ebertplatz und der Domumgebung.

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Das Ordnungsamt findet weggeworfene Spritzen von Drogensüchtigen am Haubrichshof

Die Lage am Brennpunkt Neumarkt ist auch für die Polizei besonders deshalb so kompliziert, weil sich die Szene nicht auf einen einzigen Punkt konzentriert. So treffen sich Teile der Drogenszene direkt an der oberirdischen KVB-Haltestelle im Süden des Platzes, andere in der Zwischenebene der U-Bahn-Station. Auch den eher ruhigeren, benachbarten Josef-Haubrich-Hof nutzen vor allem nachts Drogenabhängige für ihren Konsum und Dealer für ihr Geschäft. Wie Hinweise aus der Bevölkerung und Erkenntnisse der Polizei zeigen, unterscheidet sich die Drogenszene am Neumarkt in einem Punkt von anderen Plätzen der Stadt.

Während zum Beispiel am Ebertplatz eher weiche Drogen wie Marihuana verkauft werden (hier lesen Sie mehr), werden am Neumarkt „ganz überwiegend sogenannte harte Drogen wie Heroin verkauft und konsumiert“, so die Polizei. Diese setzt seit 2019 wie an den genannten anderen Brennpunkten auch am Neumarkt auf die polizeiliche Videoüberwachung zur Abschreckung und Prävention, die auch umliegende Gebiete wie Teile der Cäcilienstraße, der Hahnenstraße und der Schildergasse abdeckt. „Wir werden die Szene am Neumarkt rund um die Uhr beobachten, den Kontrolldruck auf die Dealer und Käufer hoch halten und damit das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stabilisieren“, sagt der Leitende Polizeidirektor Martin Lotz von der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz. Besonders wichtig ist sei die Unterstützung der Anwohner, „die sich mit hohem Engagement für Ihren Platz und das Umfeld einsetzen“, so Lotz.

Die Stadt hat Ende 2019 ein Drogenkonsummobil auf dem Cäcilienhof aufgestellt, um die Situation zu verbessern – eine Wirkung ist bislang nicht zu spüren.

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Drogenkonsummobil der Stadt am Cäcilienhof

„Das Entscheidende ist, dass ich vor der Politik und in der Öffentlichkeit immer dargestellt habe, dass Drogenbusse die Situation nicht beenden können“, sagte Gesundheitsdezernent Harald Rau. Im kommenden Jahr soll daher ein stationärer Konsumraum im Gesundheitsamt an der Lungengasse in Betrieb gehen. „Da geht man rein und bleibt auch ein paar Stunden dort – wäscht sich, wird beraten, geht auf die Toilette“, so Rau. Doch auch das werde die Drogenszene nicht unsichtbar machen. „Ich glaube, so ein Drogenthema wird an einem zentralen Platz einer Millionenstadt nicht zu befrieden sein“, sagte Rau. Ein Anwachsen der Szene sei nicht festzustellen.