2017 war der Ebertplatz als Schauplatz von Drogengeschäften und Gewaltdelikten erstmals bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Bei einer Messerattacke starb ein 22-jähriger Mann aus Guinea.
Danach verstärkte die Polizei ihre Präsenz, Drogenverstecke wurden beseitigt, Nischen ausgeleuchtet und Gastronomie an den Platz geholt.
Doch die Dealer vom Ebertplatz sind noch da, sie nutzen die Dunkelheit, zeigen sich aber auch ganz offen. Ein Ortsbesuch.
Köln – Man muss nicht nach ihnen suchen. Die Dealer stehen direkt am Ausgang einer der Passagen am Ebertplatz, fünf Männer, die lässig mit ihren Füßen an der Wand lehnen. Sie sprechen potenzielle Kunden direkt an.„Brauchst du etwas bestimmtes?“, fragen sie. Dann ein kurzer Streit darüber, wer den vermeintlichen Kunden bedienen darf. Einer mit dunkler Weste, glasigen Augen und lockigen schwarzen Haaren bis zu den Schultern setzt sich durch. Er habe Marihuana, Kokain, „fast alles“ dabei, sagt er. 60 Euro will er für das Gramm Koks, der Preis für das Gras sei verhandelbar.
Früher hätten sie wohl direkt am Ebertplatz gestanden, heute haben sie sich in die Passage unterhalb des unmittelbar angrenzenden Theodor-Heuss-Rings zurückgezogen. Auf die Platzfläche sind inzwischen die Augen mehrerer Überwachungskameras gerichtet – und der Politik.2017 war der Ebertplatz als Schauplatz von Drogengeschäften und Gewaltdelikten erstmals bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Bei einer Messerattacke starb ein 22-jähriger Mann aus Guinea. Zwei Jahre später gab es erneut einen Toten nach einer Auseinandersetzung.
Die Dealer vom Kölner Ebertplatz waren nie weg
Die Polizei reagierte mit verstärkter Präsenz, Anwohner und Politiker setzten sich für eine zügige Wiederbelebung des zuletzt verwahrlosten Platzes ein, die Stadt sagte einen Umbau des Ebertplatzes gemäß dem städtebaulichen Masterplan zu. Die europaweite Ausschreibung, die ein Jahr dauern wird, soll nächstes Jahr beginnen, danach starten die Beratungen und der Umbau frühestens im Jahr 2022.
In einem ersten Schritt („Zwischennutzung“) wurde bereits der Brunnen wiederbelebt, Hochbeete gerodet, die als Drogenverstecke missbraucht worden waren, dunkle Nischen ausgeleuchtet, neue gastronomische Angebote geschaffen und Veranstaltungen durchgeführt. All das führte zu einer spürbaren Aufwertung.
Inzwischen scheint der Ebertplatz in zwei Welten getrennt – in hell und in dunkel. Im Dunkeln, unten in den Passagen, entzieht sich vieles dem Sichtfeld der Überwachungskameras; dort, wo noch immer die Gruppe Dealer nach Kundschaft sucht. Wo im Zwielicht der Treppenaufgänge gerade eine Frau mit ihrem Personalausweis eine Portion Koks für einen schnellen Zug zusammenschiebt. Oder wo ein Kioskmitarbeiter aus Angst vor Übergriffen nur anonym erzählen will, dass sich nach seinem Empfinden an der Situation am Ebertplatz „eigentlich nichts“ geändert habe.
„Die Dealer sind noch immer hier“, sagt er. „Das vermiest mir das Geschäft, weil sich beispielsweise Eltern mit ihren Kindern kaum hertrauen.“ Die Polizei sei eine Zeit lang mehrmals täglich da gewesen, jetzt deutlich seltener. „Die Politik jedenfalls hat komplett versagt“, meint er.
Kölner Polizei ist täglich auf dem Ebertplatz
Die Polizei räumt ein, dass die Dealer nicht verschwunden sind. „Sie waren nie ganz weg“, sagt ein Sprecher. Manche blieben, andere sind in den angrenzenden Park, auf den Eigelstein oder den Sudermanplatz ausgewichen. Die Drogenkriminalität in einer Großstadt wie Köln auf Null zu bringen, sei schlechterdings nicht möglich, sagt der Sprecher. Da müsse man realistisch bleiben. Aber nach wie vor, betont er, sei die Polizei täglich auf dem Ebertplatz präsent, in Uniform wie in Zivil.
Für die Polizei bleibt die Situation vor Ort schwer zu kontrollieren. „Mit dem aktuellen Personal kann man der Lage nicht Herr werden“, sagt ein Ermittler. Die bauliche Situation mit den verwinkelten Passagen ermögliche, dass potenzielle Täter getrennt in alle Richtungen flüchten können – die Polizei mit zwei bis drei Beamten auf einem Streifenwagen könne da häufig nur zuschauen.
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In einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung wollen nun Martin Börschel (SPD) und der Kölner OB-Kandidat der SPD, Andreas Kossiski, nun konkret – zum Beispiel anhand von Polizei-Einsatzzahlen – wissen, wie sich der Ebertplatz während des Corona-Lockdowns verändert hat – zum Negativen, wie die beiden Politiker erfahren haben wollen. Es drohe sogar „ein Rückfall in alte Zeiten“. Cafés und Geschäfte seien geschlossen gewesen, der Brunnen trocken, die soziale Kontrolle niedrig, und der Drogenhandel habe wieder zugenommen.
Im Hellen auf dem Ebertplatz, dort, wo gut sichtbar die Überwachungskameras hängen, zeigt sich ein anderes Bild: Hier reflektiert der Brunnen das Sonnenlicht. Trinken Menschen ein Feierabendbier in den Liegestühlen eines Cafés. Spielen Männer Basketball an einem aufgestellten Korb, rollen die Menschen entspannt mit ihrem Fahrrad über den Platz. „Zwischenzeitlich habe ich mich das hier nicht mehr getraut“, sagt Holger Reller, als er mit seinem Rad zum Stehen kommt. Heute ist er gerne hier, im Umfeld des Eigelsteins fühle er sich wohl. „Der Ebertplatz ist vielleicht einer der entspanntesten Plätze überhaupt in Köln“, meint er.
Brunnen soll wieder sprudeln
Und nach der Corona-Pause soll er ab Mittwoch auch wieder belebter werden. Der Brunnen soll dann wieder sprudeln, die Cafés und Geschäfte sind geöffnet, und es soll ein Boule-Turnier stattfinden.
Am Montagabend jagt dann plötzlich doch noch ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn über den Ebertplatz. Mit einer Vollbremsung kommt der Wagen zum Stehen, drei Polizisten steigen aus. Sie wurden von Passanten gerufen – wegen einer Entenfamilie, die sich verlaufen hat und nun verängstigt mitten auf dem Platz sitzt.
Die Polizisten organisieren einen Karton, transportieren die Enten nach minutenlangen Einfangversuchen schließlich zu einem nahen Teich. „Das ist einer der schönsten Einsätze seit Langem“, sagt ein Polizist. Auch einer der Dealer, der vorhin noch in der Passage Drogen verkauft hat, schaut neugierig aus der Nähe zu. Vor der Polizei scheint er keine Angst zu haben.