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Kölner SüdstadtReste der Stollwerck-Fabrik verfallen – Niemand fühlt sich zuständig

Lesezeit 4 Minuten
Reste Stollwerck Köln

Das Denkmal auf dem ehemaligen Stollwerck Gelände in der Südstadt.

Köln – Auf der Rheinuferstraße Richtung Süden weist ein Schild auf Höhe des Rheinauhafens auf das Bürgerhaus Stollwerck hin, einen echten Aktivposten in der Südstadt. Ein paar Schritte weiter kommt man in ein sehr schönes neues, gut durchgrüntes Wohnviertel – glücklich, wer hier so stadtnah und doch ruhig leben kann! Auf dem mittig gelegenen Ingo-Kümmel-Platz stößt man dann unvermittelt auf ein eigenwilliges Ensemble: Aus einem gekachelten Betonsockel ragen mächtige Maschinenräder aus Stahl heraus, die durch Achsen miteinander verbunden sind. Unweit davon steht ein rundes, mit zweifarbigem Klinker gestaltetes Architekturgebilde.

Auf einer Tafel ist zu lesen, dass es sich um Reste der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik handelt. Um deren geplanten Abriss gab es 1980 einen regelrechten Kulturkampf, von dem seinerzeit auch ich als Noch-nicht-Kölnerin Notiz nahm. Nach langem Ringen wurde die Anlage zur „Kulturfabrik Stollwerck“ umgewidmet. Der Kunstvermittler und Galerist Ingo Kümmel, der sich sehr für das Projekt engagierte, kam als Namensgeber für einen Teil des Geländes zu Ehren.

Aus Annosaal wurde ein Wohnblock in Köln

Mit der Zeit verschwanden die Fabrikgebäude, lediglich der sogenannte Annosaal blieb erhalten und wurde zu einem Wohnblock umgebaut. Das Bürgerhaus Stollwerck wiederum bewahrt heute zwar den geschichtsträchtigen Namen der Fabrik, ist aber im ehemaligen preußischen Heeresproviantamt untergebracht.

Stollwerck Köln

Ein Bauzaun weist auf den maroden Zustand des Schornstein-Rests hin. Die Skulptur „Rädersaal“ (unten) ist in einem ebenso erbärmlichen Zustand. 

Einzige Relikte der für Köln so wichtigen Fabrik – und zugleich Erinnerung an die Geschichte ihres Endes – sind somit die erwähnten eingelassenen, rot angestrichenen Teile des Räderwerks, die als Kunstobjekt den Titel „Rädersaal“ tragen, und der Sockel eines Schornsteins. Sie werden unter anderem in dem Buch „111 Orte in Köln, die man gesehen haben muss“ erwähnt und müssen – alten Fotos zufolge – einmal sehr dekorativ gewirkt haben.

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Heute sieht die Anlage erbärmlich aus. Offenbar hat sich in den letzten 30 Jahren niemand um sie gekümmert. Der Sockel des „Rädersaals“ ist verwittert, Teile der Verkachelung fehlen, die Farbe ist verblasst, die Räder sind beschmiert. Aus dem Schornsteinsockel wächst an vielen Stellen Unkraut. Ein provisorischer Bauzaun lässt auf ein völlig marodes Gemäuer schließen. Wenn das ein Ort sein soll, den man in Köln gesehen haben muss, dann richtet sich diese Empfehlung vielleicht an Köln-Verächter.

Niemand in Köln fühlt sich für Reste der Stollwerck-Fabrik zuständig

Auf einen Hinweis kritischer Bürger hin wollte ich herausfinden, wer für den Unterhalt verantwortlich ist. Als regelmäßige Leser dieser Kolumnen ahnen Sie schon, was nun kommt: die organisierte Desorganisation. Vom Stadtkonservator erhielt ich die Auskunft: kein eingetragenes Denkmal. Rolf Schramm von der Leitung des Bürgerhauses Stollwerck sagte mir: nicht unsere Sache. Das Liegenschaftsamt wusste zu berichten: Der Ingo-Kümmel-Platz, Flurstück 425, gehöre einer – aus Datenschutzgründen nicht zu nennenden – großen Wohnungsbaugenossenschaft. Möglicherweise gebe es auch ein Sondernutzungsrecht. Der Schornsteinsockel wiederum stehe auf Flurstück 376, das einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehöre. Die „große Kölner Wohnungsbaugenossenschaft“ teilte mit: Flurstück 425 mit dem „Rädersaal“ sei als Parkgelände ausgewiesen und befinde sich in städtischem Besitz.

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Nach vielen Wochen Recherchen bin ich nun so klug als wie vorher. Offenbar ist keiner in Köln für das Stollwerck-Monument zuständig. Genau so sieht es eben auch aus. Aber warum ist das nie jemandem aufgefallen? Warum hat keiner etwas unternommen? Nicht das Bürgerhaus, vor dessen Haustür die Erinnerungsstücke an seinen Namensgeber stehen. Nicht das Grünflächenamt, das ja den umgebenden Park pflegt. Weder die Anwohner mit ihrer beneidenswerten Immobilie noch die Eigentümer der Hausgruppe, auf deren Gelände der Schornstein steht. Und auch nicht die Bezirksverwaltung Innenstadt, in deren Zuständigkeit das Areal fällt.

Viele Bürger engagieren sich auf lobenswerte Weise und zu unser allen Gewinn für das Grün vor der Haustür. Aber niemanden interessieren die Denkmäler nebenan? Noch mag ich das nicht glauben. Mit dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege werden wir die Stollwerck-Erinnerungsstücke demnächst in der Reihe „Denkmal des Monats“ vorstellen. Wie wäre es, wenn sich bis dahin die Verantwortlichen für den Erhalt von Rädersaal und Schornsteinsockel bei mir melden und wir gemeinsam über eine Verbesserung des Zustands beraten? Die Erinnerung an die Schokoladenfabrik und den Kampf um ihren Erhalt sollte – anders als die Gebäude – nicht untergehen.

Aufgezeichnet von Joachim Frank