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Museum für Ostasiatische KunstErmittlungen nach Einbruch eingestellt – Wurde die Kölner Beute längst verkauft?

Lesezeit 6 Minuten
Am Morgen nach dem Einbruch (13.09.2023) sichern Polizisten Spuren auf dem Parkplatz vor dem Museum für Ostasiatische Kunst.

Am Morgen nach dem Einbruch (13.09.2023) sichern Polizisten Spuren auf dem Parkplatz vor dem Museum für Ostasiatische Kunst.

Der Einbruch im September 2023 hat die Museumswelt in Europa nachhaltig erschüttert. Über den Verbleib des Porzellans gibt es zwei Theorien.

Es sind arbeitsreiche Tage für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roemer-Pelizaeus-Museums in Hildesheim Ende Oktober 2023. Aufgeschreckt durch den spektakulären Einbruch ins Museum für Ostasiatische Kunst (MOK) in Köln am 13. September haben sie viele Stunden damit zugebracht, die eigenen chinesischen Porzellane aus den Ausstellungsräumen sicherheitshalber ins Depot zu räumen.

Am 30. Oktober sind fast alle Objekte entfernt – bis auf zwei Kerzenleuchter aus der Qing-Dynastie (um 1740) und einen Topf aus der Ming-Dynastie (1522-1566). Und genau diese drei Stücke stehlen Einbrecher in jener Nacht. Sie entkommen unerkannt, ebenso wie die Einbrecher in Köln. Und genau wie die neun jahrhundertealten kaiserlichen Vasen, Teller und Gefäße aus dem Ostasiatischen Museum am Aachener Weiher sind auch die beiden Leuchter und der Topf aus Hildesheim bis heute verschwunden. Allein die Kölner Exponate haben einen Wert von mehr als einer Million Euro.

Köln: Schlugen dieselben Einbrecher auch in Hildesheim und Leeuwarden zu?

Ob zwischen beiden Taten ein Zusammenhang besteht, ob möglicherweise auch der Einbruch in das Keramik-Museum Princessehof in Leeuwarden im Januar 2023 auf ihr Konto geht, ist unklar. Und wird es möglicherweise auch bleiben.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat ihre Ermittlungen inzwischen eingestellt. Sie würden wieder aufgenommen, sollten sich „neue, erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. „Belastbare Hinweise“ darauf, dass die Kölner Täter auch für andere Einbrüche in Frage kämen, hätte sich nicht ergeben.

Vor dem Einbruch: Blick in den Ausstellungsraum, aus dem die Täter die Porzellan-Objekte aus den Vitrinen gestohlen haben.

Vor dem Einbruch: Blick in den Ausstellungsraum, aus dem die Täter die Porzellan-Objekte aus den Vitrinen gestohlen haben.

Und so bleiben viele Fragen offen. Wer waren die Einbrecher? Wurden sie beauftragt? Wenn ja, vom wem? Und vor allem: Wo sind die gestohlenen Porzellane jetzt? Auf den Tag genau ein Jahr nach dem Einbruch hat sich der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erneut auf Spurensuche begeben.

Köln: Bundeskriminalamt warnt deutsche Museen

Eines steht fest: Der Einbruch in Köln am 13. September 2023 hat die Museumswelt in Deutschland, wenn nicht in Europa nachhaltig erschüttert. „Alle Museen mit ostasiatischen Sammlungen passen jetzt höllisch auf“, sagt Minh An Szabó de Bucs. Die Sinologin, Kunsthistorikerin und Journalistin aus Berlin ist spezialisiert auf den chinesischen Kunstmarkt. Mit ihrer Kollegin Rahel Klein hat sie das Thema für den Investigativ-Podcast des Deutschlandradios „Tatort Kunst: Museumseinbrüche – Chinesische Beute“ recherchiert. „Die Museen wählen ihre Exponate, die sie ausstellen, jetzt mit viel Umsicht aus und versuchen, sie besser zu sichern“, sagt de Bucs. „Manche stellen sie gar nicht mehr aus, nur noch Fotos.“

Shao-Lan Hertel ist die Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst.

Shao-Lan Hertel ist die Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst.

Das Bundeskriminalamt wandte sich nach der Tat in Hildesheim mit einem „Warnhinweis zu gezielten Diebstählen ostasiatischer Kunst“ an die deutschen Museen, empfahl, die Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, das Personal zu sensibilisieren und Einbruchsversuche als „ernstzunehmende Alarmzeichen“ zu werten – letztes kann als Tadel für die Kölner Stadtverwaltung verstanden werden. Denn vor dem Einbruch im September waren Täter im Januar und Juni dort schon zweimal gescheitert – ohne dass danach die Sicherheit entscheidend erhöht wurde. Beim dritten Mal waren sie dann erfolgreich.

„Auch wenn der finanzielle Schaden schon von der Versicherung kompensiert wurde, schmerzt es noch sehr, diese extrem seltenen Objekte aus unserem Gründungsbestand verloren zu haben“, sagt Museumsdirektorin Shao-Lan Hertel heute. „Wir haben ihnen in unseren Räumen einen Sonderbereich mit Fotos, Texten und Interviews gewidmet, mit dem wir versuchen, selbst den Verlust zu verarbeiten und auch das große Interesse der Öffentlichkeit daran zu bedienen.“

Doch wo könnten sich die wertvollen Kölner Porzellane aus der Ming-Dynastie heute befinden? Oberstaatsanwalt Bremer hat darauf keine Antwort, er geht aber von einem „planvollen, zielgerichteten und gut organsiertem Vorgehen“ aus – nicht von einer „spontanen Tat anlässlich einer günstigen Gelegenheit“.

Nach dem Einbruch durch dieses Fenster am Parkplatz war die Scheibe monatelang nur provisorisch abgedeckt – im April 2024 wurde sie dann ausgetauscht.

Nach dem Einbruch durch dieses Fenster am Parkplatz war die Scheibe monatelang nur provisorisch abgedeckt – im April 2024 wurde sie dann ausgetauscht.

Minh An Szabó de Bucs hält zweierlei für möglich: Entweder warten die Diebe, bis Gras über die Sache gewachsen ist und versuchen erst dann, die Beute zu veräußern. „Möglicherweise bieten sie die Exponate in einem Auktionshaus in Asien an“, sagt Szabó de Bucs. Oder: „Die Sachen wurden schon längst verkauft“. Die gestohlenen Objekte aus dem MOK seien zwar wertvoll, wurden aber zu jener Zeit zuhauf produziert. „Es gibt heute auf dem Markt sehr viele, sehr ähnliche Stücke. Wenn man also zum Beispiel in einem Auktionshaus in Asien nicht so genau hinguckt und auch die Polizeimeldungen aus Europa nicht kennt, nimmt man die Objekte womöglich an und versteigert sie – ohne zu wissen, dass es Hehlerware ist.“

Klar ist: Der Schwarzmarkt für chinesisches Porzellan hat in den vergangenen Jahren stark angezogen. Vor allem chinesische Sammler kaufen Objekte im großen Stil aus Europa zurück, reiche Privatleute statten ihre Häuser damit aus. Vielfach handelt es sich um Objekte, die im 19. Jahrhundert im Zuge der Opiumkriege und des Boxeraufstands nach Europa gelangten. Entweder über Ankäufe von Händlern und Sammlern oder als Raub- und Plünderware.

Mit einem Kantholz war der Haupteingang zum Museum für Ostasiatische Kunst am Donnerstagabend (15.9.2023), zwei Tage nach dem Einbruch, gesichert.

Zweifelhafte Sicherheitsvorkehrungen: Mit einem Kantholz war der Haupteingang zum Museum für Ostasiatische Kunst am Donnerstagabend (15.9.2023), zwei Tage nach dem Einbruch, gesichert.

Auf welchem Weg und unter welchem Umständen das Ehepaar Fischer, die Gründer des MOK in Köln, seine Exponate in Asien um das Jahr 1900 erlangt hat, gehe aus Fischers Tagebüchern hervor, sagt Museumsdirektorin Hertel. Acht der neun gestohlenen Porzellane hätten sie demnach zwischen 1906 und 1911 in China erworben, hauptsächlich bei Händlern in der Straße Liulichang in Peking. Die Fischers seien keine „Schnäppchenjäger“ gewesen, betont Hertel, für manche Stücke hätten sie „stattliche Summen“ bezahlt. Bei dem neunten Objekt dagegen, einem gelbglasierten Teller, lasse sich die Spur „leider nur bis in die 1980er Jahre in eine Galerie in Washington zurückverfolgen.“

China holt Kulturgut aus dem Ausland mit großem Aufwand zurück

Die chinesische Regierung unternehme seit etwa 20 Jahren große Anstrengungen, Kulturgut etwa über Auktionen, Deals oder Abkommen aus dem Ausland zurückzuholen, sagt die Sinologin Szabó de Bucs. Bis vor einigen Jahren noch habe die Regierung die immer breiter und wohlhabender werdende chinesische Mittel- und Oberschicht ermuntert, Geld für ehemals geplünderte Asiatika auf Auktionen auszugeben, um sie zurückzuholen. Zuletzt jedoch setze die Regierung auf freiwillige Rückgaben.

Dass die chinesischen Machthaber Diebstähle direkt oder indirekt selbst in Auftrag geben könnte, glaubt Minh An Szabó de Bucs dagegen nicht. Alles, was China bisher offiziell zurückgeholt habe, sagt sie, habe die Regierung „als Triumph gefeiert“ und stolz in staatlichen Museen präsentiert, besonders spektakuläre Objekte sogar im Nationalmuseum in Peking – als Zeichen an die Welt und die eigene Bevölkerung: „Seht her, jetzt haben wir die Macht und das Geld, uns unsere Kunst zurückzuholen.“ Mit gestohlener Kunst wäre das so nicht möglich.

„Laut chinesischen Angaben hätten mehrere Tausend Kulturgüter, die auf verschiedenster Art ins Ausland gelangt sind, ihren Weg zurück nach China gefunden“, sagt Szabó de Bucs. Nach Schätzung der Unesco liegen noch weitere knapp 1,7 Millionen chinesische Kulturgüter in etwa 200 Museen in 50 Ländern. Chinesisches Porzellan bleibt also begehrt. Die Stadt Köln teilt mit, sie habe ihre Sicherheitsvorkehrungen im MOK erhöht – Details verrät sie nicht.