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„Kronjuwel am Altstadtufer“Kölner Bastei wird 100 Jahre alt – und verfällt immer weiter

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist die Bastei vom Rhein aus.

Die Bastei vom Rhein aus gesehen.

Seit Jahren steht die avantgardistische Rheinufer-Ikone nun leer und verfällt.

Auch mit 100 ist die alte Dame noch im Stadtbild präsent. Wer sein Glas auf die Bastei am Rheinufer erheben will, sollte jedoch nicht vergessen, ihr gute Besserung zu wünschen. Es ist nämlich schlecht bestellt um eines der markantesten und interessantesten Bauwerke, die Köln zu bieten hat. Von Defiziten in allen tragenden Teilen des Rundbaus ist bei der Stadt auf Anfrage die Rede.

An der nordwestlichen Ecke sei vor zwei Jahren ein Stützgerüst aufgebaut worden, „das dem Baudenkmal Last von seinen Schultern nimmt“. Die Patientin geht also auf Krücken. Ob und wie sie wieder flott gemacht wird, ist auch nach mehreren Jahren des Niedergangs noch nicht entschieden. Aber es gibt zumindest einen Interessenten, der möglicherweise über ein Erbpachtmodell das Haus saniert oder neu baut und betreibt (wir berichteten).

Bastei war vorher preußische Verteidigungsanlage

Am Anfang war eine preußische Verteidigungsanlage, die nach dem Ersten Weltkrieg entfestigt und zur Aussichtsplattform umfunktioniert worden war. Bei Spaziergängen fiel dem jungen Architekten Wilhelm Riphahn, auf dem Sprung zu einer großen Karriere, die „Caponniere“ in Höhe des heutigen Theodor-Heuss-Rings auf.

Zu sehen sind Reste der preußischen Kaponniere, ca. 1922.

Reste der preußischen Kaponniere, ca. 1922.

Sie inspirierte ihn zu der Idee, das Relikt um ein neuartiges Restaurant mit Panoramablick auf Stadt und Rhein zu erweitern. Als Bauherrn gewann Riphahn Adolf R. Worringer, Besitzer des Zoo-Restaurants, der zur Finanzierung die „Kölner Gaststätten-Aktiengesellschaft“ gründete. Dem Stumpf des Festungsbaus, in dem verschiedene Nutzräume entstanden, entwuchs in der Folge ein sternförmig in Richtung Rhein auskragendes Gerippe aus Eisenträgern.

Es trug einen Aufbau, der heute als Beispiel der expressionistischen Moderne hochgeschätzt ist. Der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings spricht von einem „Kronjuwel am Altstadtufer“ und einem der „schönsten Bauten des 20. Jahrhunderts für das Rheinpanorama“.

Sorge um das Kölner Stadtbild war groß

Zunächst schlug Riphahn Skepsis entgegen. Strombauverwaltung, Diözesanbaumeister und der städtische Konservator sorgten sich um das Kölner Stadtbild und den Blick auf den Kölner Dom. Oberbürgermeister Konrad Adenauer und Baurat Carl Moritz jedoch gaben Rückenwind: „Baut dat Ding, Riphahn, aber machen ses schön“, soll Adenauer gesagt haben.

Ein Blick ins Innere der Bastei vor 1927.

Ein Blick ins Innere der Bastei vor 1927.

Es wurde schön, jedenfalls lobte die „Kölnische Zeitung“ am Tag nach der Eröffnung am 22. Oktober 1924 den „schmissigen Architekteneinfall“. Das „Wirtshaus“ drehe sich nicht vom Rhein weg, sondern umfange ihn mit geöffneten Armen, „als wolle es sagen, dass es seinethalben da sei“. Erwähnung fand auch das „kokett gefächerte Dach“ aus Glas und Eisen sowie die „geschieferte Zipfelmütze“ darüber. Das Innere sei „nichts mehr als vornehm abgestimmte Farbe, die dem Sonnenlicht als Reflex dienen soll“.

Name angelehnt an den französischen Begriff „Bastille“

Alles sei auf Licht, auf Sonne und auf den Rhein berechnet. Das Fazit des Berichterstatters: „Köln ist um eine Gaststätte von erlesenstem Geschmack reicher.“ Der Name Bastei stand zu diesem Zeitpunkt ebenfalls fest. Er basierte auf einem Vorschlag, der nach einem Aufruf im „Kölner Stadt-Anzeiger“ eingegangen war – in Anlehnung an den französischen Begriff „Bastille“.

Die Urfassung mit offener Terrasse vor dem eigentlichen Restaurant hatte nur kurze Zeit Bestand. Nach Klagen über die unangenehme Windbelastung ließ Riphahn sie durch eine prismatisch-polygonal gestaltete Eisen-Glas-Konstruktion schließen. 1928 erhielt die Bastei einen expressionistischen Widerpart am rechten Rheinufer.

Deutzer Messehallen und Bastei erleuchten Köln

Adolf Abel ließ damals für die internationale Presseausstellung „Pressa“ die Deutzer Messehallen mit neuen Backstein-Fassaden ummanteln. Zur neuen Einfassung gehörte auch ein 85 Meter hoher Turm mit Leuchtfeuer, das bei Dunkelheit mit der festlich erleuchteten Bastei über den Rhein hinweg kommunizierte.

Die Bastei während des Hochwassers im Dezember 1999

Die Bastei während des Hochwassers im Dezember 1999

„Es schlägt der Leuchtturm durch die Nacht“, begann Joachim Ringelnatz 1932 sein Gedicht „Köln von der Bastei gesehen“, um am Ende zu bedauern, dass sich das Restaurant nicht von der Stelle bewegt: „Ich rufe schmatzend den Ober herbei. Er will mich nicht verstehen. Ich wünsche: Es möchte sich die Bastei jetzt karussellartig drehen.“ Aber so weit war die Technik noch nicht.

Im Zweiten Weltkrieg brannte das Bauwerk vollständig aus, nur die Konstruktion überlebte. Die Ruine blieb bis 1958 stehen, dann wurde sie unter Mitwirkung Riphahns in ihren Vorkriegszustand zurückversetzt. Unternehmer Hans Herbert Blatzheim, Stiefvater von Schauspielerin Romy Schneider, brachte das Restaurant auf Spitzenniveau. 1997 war es vorbei mit der täglichen Bewirtung: Die Bastei konnte nur noch für Veranstaltungen gemietet werden, bis auch diese Möglichkeit entfiel.

Bastei: Stadt Köln mit Investor in Verhandlung

Seit Jahren steht die avantgardistische Rheinufer-Ikone nun leer und verfällt. Ein Gutachten der Technischen Universität Braunschweig kam laut Stadt zu dem Ergebnis, dass „ein vollständiger Rückbau und eine Neuerstellung der Stahlbaukonstruktion oberhalb des preußischen Unterbaus die wirtschaftlichere und vor allem sicher kalkulierbare Lösung für die Instandsetzung der Konstruktion“ darstellt. Grob veranschlagt hat die Stadt dafür Kosten von mehr als 20 Millionen Euro.

Von der Stadt heißt es lediglich, dass derzeit „intensive Gespräche mit Planern und möglichen Umsetzern“ stattfinden: „Die Stadt Köln arbeitet an einer guten Lösung für den Erhalt und die weitere Nutzung der Bastei – auch im Sinne des Stadtbildes.“

Der „Freundeskreis Bastei“, der sich um die denkmalgerechte Wiederbelebung einsetzt, lädt am Dienstag, 22. Oktober, um 17 Uhr, zu einer Geburtstagsfeier an der Bastei ein. Dabei wird man das Sektglas auf die Jubilarin erheben – und sich große Sorgen um ihren Zustand machen.