Innenstadt – Die Entscheidung, ob der südliche Abschnitt der neuen Stadtbahn 2015 in Betrieb gehen soll, fällt wohl frühestens 2013. SPD und CDU bekräftigten in der Ratssitzung ihre gemeinsame Position. „Es ist korrekt, fair und verantwortlich der gesamten Stadt gegenüber, wenn das im Zusammenhang mit den Haushaltsplanberatungen entschieden wird“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Susana Dos Santos: Die gesamte Nord-Süd-Stadtbahn wird wegen des Archiveinsturzes keinesfalls vor 2019 eröffnet. Die KVB AG würde die Strecke zwischen der Severinstraße und Rodenkirchen gerne 2015 eröffnen; ein Entgegenkommen an die Südstadt, das mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre. CDU-Ratsherr Karsten Möring äußerte „hohe Sympathie“ für den Wunsch vieler Bürger und kritisierte Oberbürgermeister Jürgen Roters und Kämmerin Gabriele Klug (Grüne): Diese hätten noch immer keine belastbaren Aussagen über die Etat-Sanierung vorgelegt. Ulrich Breite (FDP) wies darauf hin, dass die KVB und die Stadtwerke sämtliche Kosten übernehmen würden.
Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz findet es „völlig absurd“, dass SPD und CDU als damalige Befürworter der U-Bahn heute die Stadtkasse dadurch entlasten wollen, dass der Südabschnitt nicht in Betrieb gehen soll. Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken, kritisierte das „sonderbare Bündnis der Besserverdienenden“. Thor Zimmermann (Wählervereinigung Deine Freunde) traf die Stimmungslage der Betroffenen. „Angesichts der Tragödie ist es legitim, diese Entscheidung emotional zu fällen. Die Bewohner der Südstadt haben das verdient.“
Die Unterschriftensammlung, die Oberbürgermeister Jürgen Roters vor Beginn der Ratssitzung von Vertretern der Interessengemeinschaft Severinsviertel in die Hand gedrückt bekommt, steht für den Unmut vieler Südstadt-Bewohner. Rund 3000 Menschen haben dafür unterzeichnet, dass der südliche Abschnitt der neuen Stadtbahn 2015 vorzeitig in Betrieb genommen wird – was SPD, Linke und neuerdings auch die CDU angesichts Zusatzkosten in zweistelliger Millionenhöhe zur Zeit nicht beschließen wollen. Ohne ihre Zustimmung jedoch müssen die Südstädter auf die Eröffnung der gesamten Nord-Süd-U-Bahn warten, die wegen des Archiveinsturzes am Waidmarkt keinesfalls vor 2019 erfolgen wird. Die Hauseigentümer der Severinstraße sind auch darüber verärgert: Sie sollen entgegen Versprechungen der Stadtspitze nun doch 800 000 Euro für den Umbau der Straße zahlen. Die Landesregierung hat die Stadt unter Berufung auf ein Rechtsgutachten angewiesen, die Baukostenbeiträge zu kassieren. Stephanie Fox-Blume, Geschäftsführerin einer Zoohandlung im Vringsveedel, hat keinerlei Verständnis für die Entscheidungen: „Was mit uns gemacht wird, ist Betrug.“
Der Rat nahm den Frust der über Jahre hinweg von Baustellenlärm, Schmutz und Verkehrsbehinderungen geplagten Anwohner der Severinstraße am Donnerstag zum Anlass für eine Aktuelle Stunde. CDU-Ratsherr Karsten Möring warf dem Rechtsdezernenten Guido Kahlen (SPD) vor, er habe die Stadt „in eine juristische Sackgasse geführt“. Kahlen müsse unverzüglich „rechtssichere Vorschläge für die Entschädigung“ der Menschen in der Südstadt machen. Volker Görzel von der FDP ging mit seiner Kritik noch weiter: Der Vorgang sei eine „juristische Megapanne“, bezeichnend für das Kölner Rechtsamt. Dieses habe im Fall der Bettensteuer jüngst eine weitere juristische Niederlage hinnehmen müssen. Die Stadt dürfen die Gesetze eben nicht „eigenmächtig aufweichen“.
SPD und Grüne verzichteten auf Verwaltungsschelte. „Sollte es juristische Spielräume geben, müssen wir das prüfen“, sagte SPD-Ratsherr Peter Kron. Sofern die Hauseigentümer zahlen müssen, sollte die Stadt die 800 000 Einnahmen der Südstadt zugute kommen lassen – etwa zur Verschönerung des Veedels. Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz gab sogleich eine Anregung: „Die Severinstraße ist toll geworden, aber der Severinskirchplatz sieht aus wie Sau.“ Da könne man investieren. Zumindest Kahlen zufolge besteht für die Severinstraße noch ein Rest Hoffnung. Der Gutachter habe die besonderen Umstände nach dem Archiveinsturz nicht berücksichtigt. Wohl nirgendwo sonst in Deutschland hätten Anwohner derart lange unter Bauarbeiten leiden müssen. Er wolle „den Dialog mit dem Gutachter suchen“, um das Besondere dieses Falls noch einmal zu besprechen. Welche Hilfe in Frage kommt, wenn der Gutachter hartnäckig bleibt, wurde nur angedeutet: Ratenzahlung oder Stundung der Erschließungsbeiträge, eine neue Grundsteuerregelung oder eine für die Immobilienbesitzer günstigere Kosten-Berechnung.