Jürgen Becker wollte einem 21-Jährigen unter die Arme greifen und hat nun Ärger mit dem Ordnungsamt.
Bald will er mit Brings einen Song über die Stadtverwaltung schreiben.
Innenstadt – Dies ist eine Geschichte aus Absurdistan, die aller Wahrscheinlichkeit nach kein gutes Ende nehmen wird. Es sei denn, man bezeichnet es als gutes Ende, dass sie in einem Kabarett-Programm von Jürgen Becker auftauchen könnte. Dabei ist die Geschichte eigentlich gar nicht lustig, weil an ihr eine wirtschaftliche Existenz hängt. Es ist die Existenz von Alex. Der junge Mann ist 21 Jahre und war einer jener Hauptschüler von der Ehrenfelder Borsigstraße, denen Menschen wie Jürgen Becker immer ein wenig unter die Arme gegriffen haben. Weil die Startbedingungen in ihrem Leben nicht die günstigsten waren.
Alex hat sich selbstständig gemacht. Mit einer Crêperie auf jenem Teil der Severinstraße, die seit dem U-Bahn-Bau und dem Einsturz des Stadtarchiv nicht gerade zu den Bestlagen gehören. Noch wirft der Laden keinen Gewinn ab, aber Verluste macht Jungunternehmer Alex auch nicht. Mit einer Außengastronomie, die vom Grundsatz her auf diesem Teil der Severinstraße ausdrücklich erwünscht, könnte in den Sommermonaten vielleicht Schwung in den Laden kommen. Hat sich Alex gedacht. Und sein Mentor Jürgen Becker hat angeboten, für ihn zum Ordnungsamt zu gehen und den Papierkram zu erledigen.
Kampf mit dem Ordnungsamt
Das klitzekleine Problem: Alex möchte Tische und Stühle nicht auf den Bürgersteig stellen, sondern auf die Ladefläche eines hübschen Oldtimer-Lieferwagens, den er in Berlin erstanden hat. Mobil eben – und jederzeit anderswo einsetzbar. „Hier muss man auffallen, hier ist sonst ja nichts los.“ Zudem könne er mit dem Auto seine Crêpes auch anderswo anbieten. Je nach Nachfrage, auf privaten Veranstaltungen beispielsweise.
Jürgen Becker geht zum Ordnungsamt, im Stadthaus Deutz. Morgens um halb zehn und guter Dinge. Er trifft, wie er sagt, „auf eine preußische Gouvernante mit Kurzhaarschnitt“ und auf die gleichermaßen schroffe wie prägnante Aussage. „Das geht so gar nicht.“ Zuvor habe er auf dem Flur jemanden nach dem Weg gefragt. „Das war der Erste, den ich getroffen habe. Er hat sich entschuldigt, aber er habe noch nicht gefrühstückt. Morgens um halb zehn. Immerhin war der nett. Der kannte mich. Im Büro kannte man mich nicht.“ Mit seinem Anliegen sei er schnell wieder draußen gewesen. Geht nicht, gibt’s nicht, haben wir noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen. „Das hat die überhaupt nicht interessiert.“
Als er die Türe des Büros hinter sich geschlossen hat, habe er nur noch eines vernommen. „»So ein Arschloch.« Ich bin wieder rein und habe gesagt: »Das ist aber nett, wie Sie über ihre Kunden reden.« Die Dame hat geantwortet, damit habe sie den Kollegen gemeint.“ Allein der Antrag auf die Genehmigung einer Außengastronomie koste 500 Euro und werde „von höherer Stelle entschieden“, sagt Jürgen Becker. Inzwischen habe er mit der Band Brings gesprochen: Wahrscheinlich werde man ein Lied über die Stadtverwaltung machen.
Ähnliche Ideen gibt es bereits in Köln
Das alles wird Jungunternehmer Alex nicht viel nutzen. Derzeit parkt seine rollende Außengastronomie vor der Türe, wenn das Wetter schön und ein Parkplatz frei ist. Alex füttert regelmäßig den Parkscheinautomaten oder riskiert ein Knöllchen. Das völlig absurd, findet Jürgen Becker. „Eine ähnliche Idee wie Alex sie hat, ist auch in der Kurfürstenstraße umgesetzt worden. Da steht vor einem Café einfach ein VW-Pritschenwagen, auf dem sich die Leute rumlümmeln. Aber da ist Anwohnerparken, die haben einen Parkausweis und sagen, dass das nicht zum Café gehört, dass die Leute sich dort aus Vergnügen rumlümmeln. Du musst die Kiste ab und zu nur mal vor und zurückrollen. Das könnte man hier auch machen, aber hier ist leider kein Anwohnerparken.“
„Das kann doch nicht sein“, sagt Becker. „In Düsseldorf klappt das doch auch. Die sind die Nummer eins in Nordrhein-Westfalen. Da bekommt man sogar eine Tasse Kaffee angeboten, wenn man aufs Amt kommt.“ Die Initiatoren des Fußballprojekts Rheinflanke, das auch mit Flüchtlingen arbeitet, hätten ihm das erzählt. „Die haben denen in Düsseldorf bei der Stadt sofort einen Kontakt zur Fortuna hergestellt. Hier wirst Du nicht mal angehört“.
Alex wird vorerst keinen Antrag auf Außengastronomie mehr stellen. „Ich kann es mir nicht leisten, 500 Euro auszugeben in der Gewissheit, dass ich eh keine Genehmigung bekomme.“ Jürgen Becker wird die Sache weiter beobachten. Viel Hoffnung, dass sich in Köln etwas ändert, hat er nicht mehr. „Wir haben hier ähnlich viele Verwaltungsmitarbeiter wie die EU in Brüssel“, sagt er. „Funktionieren tut beides nicht.“