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Filos, Dialog, El GrecoWie griechische Gastronomen die Kölner Südstadt mit erfanden

Lesezeit 7 Minuten
07.01.2025, Köln: Portrait von Costa Fotiadis, Inhaber des „Filos“, der sich zur Ruhe setzt.

Costa Fotiadis hat sein Lokal Filos nach 42 Jahren abgegeben. Es bleibt aber in griechischen Händen.

Vor mehr als 40 Jahren wurden zahlreiche griechische Lokale in der Südstadt gegründet. Sie sind bis heute erfolgreich.

Der Schreck war groß, als Costa Fotiadis Anfang Januar verkündete, er würde sich zur Ruhe setzen und sein Filos in der Merowingerstraße abgeben. Nach 42 Jahren und unzähligen Nubbelverbrennungen vor dem „Wohnzimmer“ der Südstadt-Prominenz. Das Filos ohne Costa, den jeder kennt, der jeden kennt? Kaum vorstellbar. Doch um es gleich vorwegzunehmen: Costa Fotiadis trifft man immer noch oft im Filos. Und übernommen hat auch kein Unbekannter, sondern sein langjähriger Geschäftspartner Jorgos Milousis, der außerdem zur Verwandtschaft gehört. „Er kommt aus einem Nachbarort in meiner Heimat. Mein Onkel ist mit seiner Tante verheiratet.“ Es bleibt also in der Familie.

Wie bei so vielen anderen griechischen Lokale in der Südstadt, die wie das Filos vor gut vier Jahrzehnten gegründet wurden: das Restaurant Dialog und die Weinkneipe Zur alten Wettannahme in der Alteburger Straße und das El Greco am Ubierring zum Beispiel. Sie bestehen bis heute, haben alle Gastro-Moden und Aufs und Abs der Südstadt überdauert, sind immer noch in Familienhand. Doch wie kam es, dass ausgerechnet Griechen hier so stark mitmischen?

17.01.2025, Köln: Repro: Costa Fotiadis führte 42 Jahre lang das Filos in der Südstadt Copyright: Fotiadis

Da war der Bart noch schwarz: Costa Fotiadis bei einer der vielen Veranstaltungen vor dem Filos.

Dahinter steckt auch ein Stück Einwanderungsgeschichte. Costa Fotiadis wurde in Serres in der Nähe von Thessaloniki geboren. Anfang der 1960er Jahre kam er mit seiner Mutter nach Deutschland. Seine Schwester und sein Vater waren an Tuberkulose gestorben, auch weil die medizinische Versorgung zu Hause schlecht war. Griechenland war damals ein sehr armes Land mit großen politischen Konflikten.

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Aus dem Lösch-Eck wurde das Filos

Zwischen 1960 und 1974 emigrierten zwei der neun Millionen Einwohner ins europäische Ausland. Die Mutter erhoffte sich in Deutschland eine bessere Zukunft, zog mit dem Sohn nach Frechen, arbeitete in einem Werk der Elektronikfirma Philips. „Ich war ein Kind. Das erste Jahr habe ich nur geheult“, erinnert sich Costa Fotiadis. „Ich konnte kein Wort Deutsch.“ Doch als Kind habe man auch den Vorteil, schnell zu lernen. Er fand sich bald zurecht, machte später eine Lehre als Modellbauer.

„Aber ich wollte mich unbedingt selbständig machen.“ Beim Kiffen, das erzählt er mit einem Lachen, lernte er dann seine Landsmänner Jotis Sachpatzidis (führte später das Lytho in der Teutoburger Straße, heute Bagatelle) und Stelios Liolidis (heute Inhaber des Limani im Rheinaufhafen) kennen. Man beschloss, ein Lokal zu übernehmen und die Wahl fiel 1982 auf das Lösch-Eck, eine düstere Kölsch-Kneipe schräg gegenüber der Feuerwache. „Nur Stelios kannte sich in der Gastronomie aus. Aber ich hatte keine Ahnung, wusste noch nicht mal wie man zapft.“ Die Fenster der Kneipe waren mit Sperrholz verrammelt, es musste erstmal Licht hereingelassen werden.

Filos wurde Treffpunkt der Südstadt-Prominenz

Griechisches Essen in Köln war relativ neu. Aber in der Südstadt gab es bereits eine progressive Gemeinde – nicht zuletzt durch den Konflikt um das Stollwerk-Gelände, der 1980 seinen Höhepunkt in einer Besetzung gefunden hatte. Außerdem war das preisgünstige Griechenland damals ein beliebtes Urlaubsziel bei Studenten. Die wollten ein bisschen Flair davon auch zu Hause haben. „Obwohl wir am Anfang nur aufgewärmte Sachen angeboten haben, weil wir keine Küche hatten“, erinnert sich Fotiadis. Die Speisen wurden aus dem Chlodwig-Eck geholt, das Fotiadis bald für einige Jahre übernahm.

10.01.2024, Köln: Christos Dolidis betreibt in seiner Weinkneipe "Zur alten Wettannahme" in der Südstadt. Foto: Arton Krasniqi

Christos Dolidis in seiner Weinkneipe „ Zur alten Wettannahme“

Wie die Familie Fotiadis war auch die Familie Dolidis Anfang der 1960er Jahre nach Deutschland gekommen. Ihre Heimat war der Hafenort Kavala in Nordgriechenland. Der Vater fand Arbeit beim Leybold-Pumpenwerk an der Bonner Straße. Acht oder neun Jahre alt sei er damals gewesen, erzählt Christos Dolidis. „Wir Jungs kamen in kurzen Hosen an. Ich erinnere mich an Regen. Es war kalt.“ Schlimm sei es für ihn in der Schule zunächst gewesen. Aber er biss sich durch.

Die Familie Dolidis auf einem alten Foto

Die Familie Dolidis

Christos Dolidis arbeitete später erst als Kellner im Chlodwig-Eck. Dann eröffneten er und seine zwei Brüder ab 1980 Restaurants: das El Greco am Ubierring, das Lythos (Achtung, hier wird es kompliziert: Das Lythos wurde dann später zum Lytho, das jetzt die Bagatelle ist) und das Café Dialog in der Alteburger Straße. Christos Dolidis schließlich machte 1983 gleich nebenan die Weinkneipe „Zur alten Wettannahme“ auf. „Die Leute kannten Italiener, Spaghetti waren ihnen vertraut. Aber ein griechisches Weinlokal, das gab es noch nicht in der Südstadt.“

Den Kölner Austern schmackhaft machen

In dem Ladenlokal war zuvor tatsächlich eine alte Wettannahme untergebracht. „Schrecklich. Wir haben alles rausgerissen.“ Und er erzählt mit einem breiten Grinsen, dass die Bögen unter der Decke, die dem Raum etwas Nostalgisch-Geheimnisvolles geben, erst damals eingebaut wurden. „Und die Patina stammt auch original von 1983.“ Am Anfang hätten viele gesagt: „Was willst du mit einem Weinlokal in Köln, hier wird Kölsch getrunken.“

Aber es fand sich doch bald eine gewisse Boheme, die für das neue Angebot empfänglich war. Von der Kunstakademie am Ubierring – ehemals Kölner Werkschulen – seien viele Künstler, Studenten und Professoren gekommen. Künstler Daniel Spoerri, der dort bis 1982 gelehrt hatte, und andere hinterließen aus Dankbarkeit Fotos und kleine Werke.

Christos Dolidis hatte und hat eine Mission: „Ich wollte den Leuten etwas beibringen.“ Und so setzte er Austern, Muscheln, Oktopus, Innereien, Stifado mit Zimt und Kaninchen auf die Karte. „Ich wollte den Leuten zeigen, wie gut frischer Fisch schmeckt.“ Aber damals – und manchmal auch heute noch – hätten die Gäste sehr viel Angst vor Gräten gehabt. „Denen habe ich dann erstmal Lachs angeboten, aus dem ich selbst mit der Pinzette die Gräten gezogen habe.“

10.01.2025, Köln: Bilder aus alten Zeiten von "Zur alten Wettannahme" und der Familie um Christos Dolidis. Foto: Arton Krasniqi

In den Räumen war tatsächlich früher eine alte Wettannahme. Innen baute Dolidis komplett um.

Den ersten Fisch kaufte er damals bei einem Griechen, der selbst mit seinem Kühlwagen zum Pariser Großmarkt fuhr und dann auslieferte. Es gab auch einige kleine griechische Lebensmittelgeschäfte – offenbar noch ein Erbe davon, dass viele griechische Frauen bis zur Stilllegung der Schokoladenfabrik Mitte der 1970er Jahre „beim Stollwerck“ gearbeitet hatten. „In der Annostraße gab es ein Wohnheim für junge Frauen“, erinnert sich Dolidis. Es gab sogar griechische Filmtage im Roxy-Kino am Chlodwigplatz. „Da habe ich den Kartenabreißer gemacht.“ Das Kino an der Stelle des heutigen „dm“-Drogeriemarktes stand bis 1975.

Griechische Lokale haben alle Aufs und Abs der Südstadt überlebt

Wie Fotiadis wurden auch die Dolidis-Brüder, jeder auf seine Art, zu einer Konstante in der Südstadt. Sie haben sie entscheidend mitgeprägt, wenn auch eher unbewusst. „Als wir kamen, kannte ich die Südstadt nicht. Es war eher Zufall, dass wir hier gelandet sind“, sagt Costa Fotiadis. „Woanders wäre das alles wohl nicht so möglich gewesen. Man muss sich ja nur mal die politischen Verhältnisse hier ansehen. Hier wählt niemand AfD.“

Das Filos entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zum Treffpunkt von Nachbarschaft und kölschen Prominenten wie den Kabarettisten Wilfried Schmickler und Jürgen Becker, der Stunksitzung-Band, Pfarrer Hans Mörtter und Querbeat. Irgendwer war und ist hier immer anzutreffen.

Ihre Lokale haben alle Höhen und Tiefen der Südstadt überdauert. Die wurde in den 1990er Jahren ein Feierhotspot. „Klar, wir hatten das Linus und die Diskothek Ekkstein, da war viel Remmidemmi“, erinnert sich Christos Dolidis. Um die 2000er wurde es jedoch still um die Südstadt, weil die Anwohner von dem Lärm genug hatten. Seit einigen Jahren erlebt das Viertel wieder einen großen Aufschwung, vor allem die Alteburger Straße mit vielen neuen neben den alteingesessenen Restaurants ist wieder sehr angesagt. Wenn auch bei gesetzterem Publikum.

Costa Fotiadis ist 66 und möchte sich nun mehr Zeit für sein Hobby Motorradfahren nehmen. Und er plant ein Buch mit den schönsten Anekdoten aus den Südstadt-Lokalen. „Nicht nur aus meinem, da passiert ja überall was.“

Christos Dolidis ist 72, inzwischen steht sein Sohn in der Küche. Der Vater geht aber jeden Morgen noch einkaufen. Die Austern holt er jetzt meistens im Mare Atlantico am Großmarkt, das natürlich auch von Griechen geführt wird. Nebenan bei seinem Bruder im Restaurant Dialog steht auch schon fest, dass dessen Sohn das Lokal weiterführen wird. Es bleibt also alles in der griechischen Familie.