Luxusmeile Mittelstraße in KölnZu hohe Mieten und Angst vor autofreier City
Köln – Still liegt sie da, die Mittelstraße. Noch stiller als viele andere derzeit lahmgelegte Einkaufsstraßen in Köln. Nur zwei belebte Punkte gibt es: Am einen Ende, bei St. Aposteln, steht eine Schlange vor dem Café Fassbender. Am anderen Ende, dem Rudolfplatz, verkauft das Café Rico außer Haus.
Ansonsten: Corona-Tristesse. Das Schuhgeschäft Spera hat nach 35 Jahren aufgehört, drinnen wird schon umgebaut. Der schicke Showroom von Tesla ist leer geräumt. „Vorübergehend geschlossen“ steht auf dem Aushang im Fenster.
Doch Arnd Böcking, mit seiner Goldschmiede seit 22 Jahren an der Straße ansässig und seit sieben Jahren Vorsitzender der Interessengemeinschaft, sieht Corona nicht als drängendstes Problem der Mittelstraße. Jener Straße, die immer noch den Ruf hat, die einzige Luxusmeile der Stadt zu sein. So etwas wie ein Stück Düsseldorf im Wirrwarr der City. „Upper Class Shopping“ sei hier möglich, schrieb vor einigen Jahren die „Bunte“. Das passt eigentlich nicht recht nach Köln, aber es gehört zum Kaleidoskop der Stadt.
Filialisten wechseln häufiger
Das Problem fing lange vor Corona an, so Böcking. „Früher war die Straße für ihre Individualität bekannt, das machte ihren Charme aus. Heute sind nur noch etwa 20 Prozent der Geschäfte inhabergeführt.“ Der Grund: Weil die Mittelstraße als eine der Bestlagen der Stadt gilt, werden hohe Mieten verlangt. Die zu erwirtschaften, sei für Einzelhändler nicht einfach, so Böcking.Einst gab es hier das Modegeschäft von Claudia Carpendale, die ein bisschen Promi-Glimmer brachte. Moda Piu, das Pariser Fenster, Form 2000 Inneneinrichtung, die Galerie Osper, das Restaurant Ezio – alles verschwunden.
Stattdessen kamen immer mehr Filialisten, wie zum Beispiel Zara Home. „Und bei denen hat die Fluktuation zugenommen“, sagt Böcking. Denn sobald sich herausstellt, dass sich der teure Standort nicht rentiert, wird er aufgegeben.
Gebäude gehören großen Fonds
Die meisten Gebäude in der Straße gehören großen Fonds, so Böcking. „Die haben keinerlei Beziehung zu dieser Straße, wissen nichts über ihre Bedeutung. Da findet keine Identifikation statt.“ Das hat im Kleinen und im Großen konkrete Auswirkungen. So ist es für Böcking ein Kraftakt, genug Beiträge für eine gemeinsame Weihnachtsbeleuchtung oder die Pflege der Pflanzbeete zusammen zu bekommen. Filialisten beteiligen sich so gut wie nicht.
Die hohen Mieten sind auch nach Ansicht von Klaus Ritzenhöfer für die Situation auf der Mittelstraße verantwortlich. Ritzenhöfer ist seit 1994 auf der Straße vertreten. 2004 eröffnete er mit seinem Partner Daniel Riedo den 3000 Quadratmeter großen Concept-Stores Apropos, in dem Marken wie Gucci, Alexander McQueen und Christian Louboutin vertreten sind.
Dazu kommt das Restaurant Oscar, wo selbstverständlich Austern auf der Karte stehen. Es ist eine eigene kleine Welt, die sich hinter dem schmalen, pinkfarbenen Eingang eröffnet – wenn er nicht wie jetzt geschlossen ist.
Nach dem gleichen Konzept gibt es Apropos-Stores in den besten Lagen von Düsseldorf, München, Hamburg und am Tegernsee. „Wir wollten ein Stück Internationalität herstellen“, so Ritzenhöfer.
Mittelstraße hat sich nicht entwickelt
„Die Mittelstraße empfanden wir damals als schönstes Umfeld in Köln, oder wenigstens eines auf dem Weg dahin.“ Doch seitdem habe sie sich nicht weiter entwickelt. Weder im Erscheinungsbild noch in der Zusammensetzung der Geschäfte. Jetzt tummele sich vor allem das Mittelklassefeld hier. Und das sei für Käufer nicht besonders interessant.
Was die Höhe der Mieten angeht, kann Rene Reuschenbach von der Kölner Immobilienbörse ein wenig Hoffnung machen. „Bei Neuvermietungen können nun nicht mehr Preise wie noch vor fünf Jahren erzielt werden“, sagt der Immobilienmakler. Auch die vielen Leerstände auf der Hohe Straße und Schildergasse hätten zu einer gewissen Einsicht geführt. „Und wir erleben, dass Vermieter in der Corona-Krise nun zu Gesprächen bereit sind.“
Kunden kommen mit Porsche aus Junkersdorf
Doch die Geschäftsleute an der Mittelstraße treibt auch noch etwas anderes um. Die Pläne der Politik, die Innenstadt möglichst autofrei zu machen – wie jetzt konkret die Ehrenstraße – sehen sie mit großer Sorge. „Für unser Luxussortiment kommt etwa die Hälfte der Kunden von außerhalb. Die parken nicht am Stadtrand und steigen dann in die Bahn um“, sagt Ritzenhöfer. Oder wie es eine benachbarte Geschäftsfrau ausdrückt: „Unsere Kunden kommen mit dem Porsche aus Junkersdorf, die wollen vor der Tür parken.“ Oder sie fahren gleich nach Düsseldorf.
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Für die Einzelhändler wäre eine autofreie Mittelstraße ein weiterer schwerer Schlag, sagt Arnd Böcking. „Die Stadt setzt keinerlei Impulse, kaufkräftige Kunden in die Stadt zu ziehen.“ Die vielen Obdachlosen schrecken viele Besucher ab. Von der Verwaltung fühlt er sich oft im Stich gelassen. Bis die Pflanzbeete angelegt werden konnten, brauchte es endlose Verhandlungen. Ebenso zur Erneuerung der Straßenbeleuchtung. Neue Lampen wurden aufgestellt, aber einige der alten wurden stehen gelassen. Mit einem Zettel daran, dass sie bald abgebaut würden. „Das macht alles keinen guten Eindruck auf die Kunden.“
Klaus Ritzenhöfer war mit seinem Kompagnon gerade in Mailand, um neue Ware einzukaufen, denn es muss ja irgendwie weitergehen. „Wir sind ein gesunder Betrieb, wir arbeiten hier rentabel“, sagt er. Aber ein bisschen Verbesserung im Umfeld würde er sich schon wünschen. „Wenn man hier mal einen Pflanzkübel auf den Gehweg stellt, kriegt man gleich ein Problem mit der Stadt.“ Ritzenhöfer wartet jetzt auf die Lieferung der Herbst-Winter-Kollektionen. Und die baldige Wiedereröffnung.