Die Hohe Straße und die Schildergasse sind immer noch gut besucht. Doch der Schein trügt.
Leerstände häufen sich, Filialisten verschwinden und Billiganbieter nehmen die Plätze ein.
Aber es gibt auch Hoffnung. Das neue Antoniterquartier mit großer Gastronomie und ab 2022 das Domhotel sollen Strahlkraft haben.
Doch bis dahin muss die Stadt noch Einiges tun, so die Fachleute.
Köln – Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein. Schildergasse und Hohe Straße sind voll mit Menschen – wie eh und je. Doch schon auf den zweiten Blick zeigt sich, dass auf den einstigen Vorzeigestraßen nicht mehr viel in Ordnung ist. Auf der Schildergasse steht die ehemalige Esprit-Filiale leer, im selben Haus bereitet sich Karstadt Sports mit schreienden Plakaten auf den Auszug vor. Und schräg gegenüber sieht man in die schmutzigen Scheiben der ehemaligen Benetton-Filiale.
Noch viel trauriger sieht es auf der Hohe Straße aus. Leerstände wechseln sich mit Billig-No-Name-Modehändlern ab. Auch die vor einiger Zeit eingezogenen Süßwarenhändler, die gleich von der Palette verkaufen, sind noch da. Die Modekette Hallhuber hat ihre Filiale aufgegeben. Gegenüber stehen die Flächen von „Silber Becker“ bereits seit Jahren leer.
Mit der Straße geht es zu Ende, könnte man meinen. Doch Thomas Nandzik vom Immobiliendienstleister CBRE, der seit 25 Jahren in Köln arbeitet, ist zuversichtlich. „In zwei, drei Jahren wird es hier ganz anders aussehen.“ Natürlich seien Mietinteressenten – genauso wie die Kölner – erst einmal erschrocken darüber, wie es auf der Hohe Straße aussieht. „Aber wir sind hier im Umbruch“, sagt er.
Von den 80 Geschäftshäusern, die die Hohe Straße säumen, befänden sich zur Zeit 30 in der Transformation. Es würden Verhandlungen mit neuen Mietern geführt, zahlreiche Häuser werden umgebaut – so zum Beispiel bald das ehemalige Becker-Haus. Die vielen Billigläden seien lediglich Zwischennutzer, die nur bleiben, solange noch nicht endgültig über die Zukunft entschieden sei.
Schon während der vergangenen fünf Jahre sei klar geworden, dass die alten Konzepte – große Marken belegen große Flächen – sich nicht mehr rechnen. Das hätten auch die Vermieter verstanden. Die Mieten seien um 20 bis 40 Prozent heruntergegangen und es werde nun auf die Wünsche der Mieter eingegangen. „Viele wollen nur das Erdgeschoss, viele wollen kürzere Laufzeiten.“ Das stand früher gar nicht zur Diskussion.
„Wir haben hier kein Nachfrageproblem“, sagt Nandzik. Aber es sind jetzt nicht mehr Filialisten, die kommen wollen. Stattdessen fragen Tesla und Google an, viele kleinere Spezialisten, Bildungseinrichtungen, Fitnessstudios und auch Gastronomen, die sich die Meile früher nie leisten konnten. Mit der Ansiedlung von „Maisons du Monde“ mit hochwertiger Einrichtung Ende 2019 in der ehemaligen EDC-Filiale sei man schon auf dem richtigen Weg.
Eine entscheidende Sogwirkung werde die Fertiggestellung des Domhotels haben. Die ist nach Verzögerungen für Ende 2022 geplant. Das Domcarré drum herum soll mit hochwertigen Geschäften schon früher öffnen. Prada, Burberry – alle Luxusmarken seien interessiert.
Eine solche Sogwirkung erhofft man sich auf der Schildergasse vom Antoniterquartier, das im Herbst eröffnen soll. Hinter der Antoniterkirche wurde ein schöner, geschützter Platz geschaffen, der von dem neuen Gebäude der evangelischen Kirche wie von einem Kreuzgang eingerahmt wird. Auf 1800 Quadratmetern wird hier Gastronomie einziehen. Zwei große Betreiber – unter anderem die Kette „Extrablatt“, die bereits mehrere Filialen in Köln betreibt, bespielen die Fläche.
Wieder Café vor der Antoniterkirche
Insgesamt wird es 440 Sitzplätze innen geben, im Hof kommen 160 dazu. Und auch vor der Antoniterkirche wird wieder ein Café betrieben. Das hätten die Kölner schmerzlich vermisst, so Pfarrer Markus Herzberg. „Wir wollen den Sozialraum neu gestalten und hoffen, dass unsere Gastronomie ein Anfang ist.“
Auf der Schildergasse müsse sich unbedingt etwas ändern. Die leeren Häuser zögen Obdachlose und Junkies an. Viele Kirchenbesucher beklagten die Zustände, so Herzberg. Und einige der Interessenten für die neuen Wohnungen im Quartier hätten dankend abgelehnt, nachdem sie das Umfeld gesehen hatten.
Immerhin: Das Benetton-Haus wird demnächst umgebaut, ins leere Gerry-Weber-Domizil an der Ecke Neumarkt zieht ein großer Burger-Laden ein. Doch auch die Stadt müsse sich mehr engagieren. Der Verein Stadtmarketing, in dem 200 Vertreter der Kölner Wirtschaft zusammenarbeiten und in dessen Vorstand auch Pfarrer Herzberg ist, wendet sich aktuell mit einem Positionspapier an die Stadt. Köln brauche ein einheitliches Stadtmarketing, so Geschäftsführerin Annett Polster. Die Stadt habe zu lange auf publikumswirksame Großveranstaltungen gesetzt, anstatt die Kulturhighlights hervorzuheben. „Damit blieben der Innenstadt immer mehr Kölner und ein kultiviertes Publikum fern.“
Gutsituierte Besucher verloren
Die Besucher ab dem mittleren Alter aufwärts, die viel Geld ausgeben, habe die Stadt verloren. Statt eine Art Ballermann-Image zu pflegen, sollten die Plätze der Stadt besser bespielt werden, mehr Außengastronomie geschaffen, mehr auf Sauberkeit und Ordnung geachtet und Außenwerbung reduziert werden. Die Besucher sollten digital durch die Stadt geführt werden. Gerade in der Krise habe Köln jetzt eine Chance zur Veränderung.
Und da fängt Annett Polster ganz konkret an – mit einer Weihnachtsbeleuchtung für die Hohe Straße, die es noch nie gab. Bisher hat sie Sponsoren für den Abschnitt vom Wallrafplatz bis zum Mediamarkt gefunden. Damit die schwierige Übergangszeit wenigstens in ein versöhnliches Licht getaucht wird. Wenn auch nur über 110 Meter.