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Kölner ModellLand NRW fährt für die PCR-Pool-Tests wöchentlich dreimal um die Erde

Lesezeit 6 Minuten
Lollitest dpa

Ein Lolli-Test in der Schule

  1. Um die PCR-Tests an Schulen und in Kitas durchzuführen, betreibt NRW einen immensen Aufwand.
  2. 400 Fahrer fahren in 400 Routen viermal die Woche im Schnitt 71 Kilometer, um die Tests zu den Kindern zu bringen und abzuholen.
  3. Im Ganzen legen sie pro Woche eine Strecke von 115.000 Kilometern zurück.
  4. Würde man die Strecken aneinanderlegen, käme man dreimal um die ganze Erde.

Köln/Düsseldorf. – Für die flächendeckende PCR-Pooltestung von Schülerinnen und Schülern betreibt das Land Nordrhein-Westfalen einen immensen Aufwand. An Kitas und weiterführenden Schulen kommen zwar noch meist Schnelltests zum Einsatz, an Grund- und Förderschulen dagegen sind bereits seit Mai vergangenen Jahres zwei Mal pro Woche die so genannten PCR-Lolli-Pooltests verpflichtend. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sind das immerhin 3800 Standorte mit 750.000 Schülerinnen und Schüler, die mit Tests versorgt werden, wo Proben abgeholt und zu den Labors gebracht werden müssen.

Um das zu stemmen, hatte das Land Unternehmensberater der Boston Consulting Group beauftragt. Die Experten erarbeiteten ein Logistikkonzept und errechneten ein Streckennetz mit 400 Einzelrouten, die von ebenso vielen Fahrerinnen und Fahrern jeden Vormittag von Montag bis Donnerstag abgefahren werden müssen.

Neun Schulen und 71 Kilometer pro Route

Auf jeder Route liegen im Schnitt neun Schulen, vier Stunden ist jeder Fahrer unterwegs, legt dabei 71 Kilometer zurück. Zusammengerechnet umrunden die NRW-Kuriere dabei Woche für Woche knapp drei Mal den Globus. Der Erdumfang misst etwa 40.000 Kilometer, laut Ministerium kommen die Fahrer zusammen wöchentlich derzeit auf rund 115.000 Kilometer.

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Spätestens um 14 Uhr sollten die Proben in den Labors eingetroffen sein. Positive Testergebnisse werden im Normalfall noch am selben Abend an die Schulen übermittelt.

20 Millionen Euro in der Woche

Bemerkenswert sind nicht nur die Distanzen, sondern auch die Kosten. Die Testkampagne verschlingt schier unglaubliche Summen. Allein für die PCR-Testungen an den Grund- und Förderschulen gibt das Land pro Woche vier Millionen Euro aus, schreibt das NRW-Schulministerium. Logistik mit eingerechnet. Hinzu kommen ebenfalls wöchentlich 16 Millionen Euro für die Schnelltests an den übrigen Schulen. Für den Pool-Test kalkuliert die Landesregierung pro Person aktuell drei Euro, für den Schnelltest werden 2,30 Euro berechnet.

Auch für die Versorgung der Kitas – in den meisten Fällen Schnelltests - muss das Land tief in die Tasche greifen. Hier kommen nach Angaben des Familienministeriums für das Kitajahr 2021/22 nochmal 287 Millionen Euro obendrauf. Ausgehen werden die Tests wohl erstmal nicht. Am vergangenen Freitag erst landete am Flughafen Köln/Bonn eine Antonov AN 124, das größte Frachtflugzeug der Welt, beladen mit 84 Tonnen Covid-19-Testkits. Es ist nach dem 25. Dezember bereits die zweite Maschine, zwei weitere werden erwartet.

Kölner Modell macht Schule

Bei der Einführung der verpflichtenden PCR-Lolli-Pooltests an Grund- und Förderschulen war das Land dem Kölner Modell gefolgt. Hier kam die Methode erstmals zum Einsatz. Bereits im September 2020 hatte ein Team um den Chefvirologen Florian Klein von der Uniklinik Köln das Verfahren entwickelt. Kurz darauf starteten in der Stadt die ersten Studien. Die Kernmotivation: Ansteckungen in Kitas und Schulen reduzieren und so ein sicheres Umfeld schaffen. „Die Impfung für Kinder war noch in weiter Ferne und wir suchten nach einem Weg, Infektionen bei Kindern schnell und zuverlässig zu erkennen.“ Anfangs habe niemand geglaubt, dass ein flächendeckender Einsatz von Lolli-Pooltests überhaupt möglich sei. Inzwischen haben auch andere Bundesländer wie etwa Bayern das Kölner Modell übernommen.

Die Pooltest-Variante habe bestimmte Vorteile, sagt Klein. Sie sei im Handling für Kinder einfacher, durch das Poolen der Proben würden bereits in den Einrichtungen Kosten reduziert und Labore entlastet. Lolli bedeutet, dass man nur 30 Sekunden auf einem Teststäbchen rumlutschen muss, statt es sich – wie beim Schnelltest - tief in Rachen oder Nase zu schieben. Pool heißt, dass die Stäbchen aller Schüler in nur ein Behältnis kommen. Ein Labor führt anschließend eine Analyse für alle durch. Nur wenn der Test positiv ausfällt, muss der Pool aufgelöst und jedes Kind nochmal einzeln getestet werden, um die infizierte Person zu entdecken.

Pooltest schützt vor Stigmatisierung

Außerdem, sagen viele Lehrer, schütze er vor sozialer Stigmatisierung. Ein Schnelltest liefert das Ergebnis zwar sofort, aber vor aller Augen. Gemäß den Vorschriften muss das Kind unmittelbar aus der Klasse gebracht und isoliert werden. Dabei ist es offenbar schon zu unschönen Szenen gekommen. Eine Lehrerin berichtet, dass Kollegen positiv getestete Schüler raus auf den Hof geschickt hätten. Als sie dort ganz allein auf ihre Eltern hätten warten müssen, seien sie in Tränen ausgebrochen.

Mit der Pool-Methode, sagt Klein, habe man einen permanenten und aussagekräftigen Überblick über das Infektionsgeschehen an Kitas und Schulen. Gerade nach den Ferien sei es wichtig, ein schnelles Bild der Lage zu bekommen. Denn die PCR-Testung biete eine weitaus größere Sicherheit. Die PCR-Testung sei sensitiver als die eingesetzten Schnelltests, die erst bei hohen Viruslasten halbwegs zuverlässig Ergebnisse lieferten. Das Verfahren sei zwar aufwändig, mit den Pooltests sei es aber gelungen, Ansteckungen schnell zu erkennen und Infektionsketten zu unterbinden.

Pooltest allein in Köln für 200.000 Kinder und Mitarbeiter

Nach den ersten Studien hatte die Kölner Verwaltung entschieden, das Verfahren auf sämtliche Bildungseinrichtungen der Stadt auszuweiten. Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres bietet sie allen 42.000 Kita-Kindern, den knapp 3500 Kindern in Tagespflege, 150.000 Schülern sowie Lehrern und Betreuungspersonal die PCR-Lolli-Pooltests an.

Die zusätzliche Sicherheit lässt sich die Millionenmetropole einiges kosten. Etwas mehr als 50.000 Euro bezahlt die Stadt Woche für Woche aus eigener Tasche für die Sondertestung an den weiterführenden Schulen. Hinzu kommen 1,4 Millionen Euro monatlich für die Kindertagesstätten, die inzwischen allerdings vom Land zurückerstattet werden.

Manchen Schulen ist der Aufwand zu groß

An Kitas in NRW ist der Corona-Test generell grundsätzlich freiwillig. Somit auch der Test nach die PCR-Lolli-Methode. Dennoch nehmen nach Angaben der Stadt von 700 Kitas 98 Prozent das Angebot wahr. Bei den weiterführenden Schulen sind es immerhin noch 60 von 133. Einigen Schulen, so ist zu hören, ist der Aufwand allerdings zu groß. Das Land nämlich betont, dass die PCR-Testung an den weiterführenden Schulen die drei vorgeschriebenen Schnelltests nicht ersetzt, sondern nur ein Zusatz ist.

Der Kölner Bildungsdezernent Robert Voigtsberger, aber auch die Landeselternschaft NRW wünschen sich daher, dass das Land die PCR-Teststrategie auch auf die weiterführenden Schulen ausweitet und dann auch die Kosten übernimmt. Die Regierung in Düsseldorf aber winkt ab mit Verweis auf die knappen Laborressourcen.

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Schon jetzt würden die Analyse-Institute an der Kapazitätsgrenze arbeiten, heißt es. Für sie ist der Aufwand bei der PCR-Pooltestung seit dem Schulstart am Montag noch einmal größer geworden. Bislang verlor man nach einem positiven Pooltest wertvolle Zeit. Wurden in der Spuckesammlung Viren nachgewiesen, war das Prozedere für jeden einzelnen Schüler wie folgt: Benachrichtigung am Abend, am Morgen zu Hause Reservestäbchen bespeicheln, Abstrich zur Schule bringen, Transport zum Labor, Einzelauswertung. Inzwischen ist auch der Landesregierung aufgefallen, dass man das besser machen kann. Von nun an müssen die Schüler bei jeder PCR-Testung gleich zwei Stäbchen anlutschen. Eines für den Pool, das andere für den möglicherweise erforderlichen Einzeltest.

Knapp 250.000 Stäbchen könnten pro Woche hinzukommen

Die Umstellung hat wiederum Auswirkungen auf den Laborbetrieb. Die Analyse-Institute, die jetzt schon unter dem Belastung ächzen, müssen zusätzlichen Platz freiräumen, um die Hunderttausenden Rückstellproben zu lagern. „Das ist schon eine Herausforderung“, sagt Hilmar Wisplinghoff. Sein gleichnamiges medizinisches Labor ist das größte in Köln und zuständig für 600 Schulen. Täglich werten die Mitarbeitenden rund 5000 Pooltests aus. Jetzt kommen vier Mal pro Woche die Stäbchen von jeweils 60.000 Schülern für die Einzeltests hinzu, insgesamt also knapp eine Viertelmillion. Für den zusätzlich anfallenden Müll wurde ein Extra-Container gemietet.