Kölner SPD im ChaosParteimitglieder kritisieren geplante Abwahl des Fraktionschefs
- Die Lage der Kölner SPD ist chaotisch: Die drei Stellvertreter wollen Fraktionschef Christian Joisten offenbar stürzen.
- Viele Parteimitglieder halten die Idee wenige Monate vor der Kommunalwahl für fatal.
- Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Lübbecke räumt unter Druck ihren Posten.
- Was steckt hinter dem Streit? Und: Wird er sich auf das Wahlergebnis auswirken?
Köln – Der Antrag seiner drei Stellvertreter, SPD-Fraktionschef Christian Joisten heute abzuwählen, hat bei den Kölner Sozialdemokraten für Aufruhr gesorgt. Nachdem der Vorgang vor Ostern öffentlich bekannt wurde, haben sich viele Parteimitglieder an den Parteivorstand gewandt, um ihren Unmut zu äußern. Viele fürchten, dass eine Abwahl des Fraktionschefs fünf Monate vor der Kommunalwahl eine fatale Außenwirkung hätte und den Wahlkampf massiv beeinflussen könnte.
Am Dienstag hat sich zwar noch nicht entschieden, wie es mit Joisten weitergeht. Dafür ist aber eine andere Personalie bekannt geworden: Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Lübbecke wird ihren Job verlieren – wie zu erfahren war, wird sie in den kommenden Wochen ihren Posten auf Druck von Fraktionschef Christian Joisten aufgeben. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und werde ihn mit viel Leidenschaft und Engagement fortführen, solange ich das noch darf“, sagte Lübbecke am Dienstag im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Das Vertrauen der Fraktion in den Vorsitzenden sei „schwer und anhaltend geschädigt“, schreiben die drei Stellvertreter Andreas Pöttgen, Monika Schultes und Peter Kron in ihrem Abwahlantrag. Sie werfen Joisten unter anderem Fehlentscheidungen, politische Einschätzungsfehler und eigenmächtiges Vorgehen zum Nachteil der Fraktion vor.
Unterbezirksvorstand bekräftigt Forderung der Fraktion
„Die Parteivorsitzende Christiane Jäger hat nach einstimmiger Abstimmung mit dem geschäftsführenden Vorstand bereits vor der Berichterstattung in der Presse die drei Antragsteller und den Fraktionsvorsitzenden telefonisch eindringlich auf die Folgen dieses gesamten Vorgangs hingewiesen“, heißt es in einem internen Schreiben des geschäftsführenden Unterbezirksvorstands, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
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„Wir bekräftigen die Forderung an die Ratsfraktion und insbesondere an die Verantwortlichen, eine Abstimmung über die Abwahl des Fraktionsvorsitzenden durch eine vorher zu treffende Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit zu verhindern und den betreffenden Antrag bis Mittwoch vor der Fraktionssitzung zurückzuziehen“, heißt es weiter. Der Vorstand fordert die Ratsmitglieder dazu auf, „Schaden von der Partei abzuhalten“.
Verhandlungen über Ostern
Fraktionschef Joisten und seine drei Stellvertreter haben sich dem Vernehmen nach sowohl am Ostermontag als auch am Dienstag zu Verhandlungen getroffen. Dabei ging es darum, einen Kompromiss zu schließen, um die Abwahl doch noch zu verhindern. Eine mögliche Option könnte sein, dass Joisten bis zur Kommunalwahl im Amt verbleibt, zuvor aber öffentlich erklärt, danach nicht mehr für den Spitzenposten zur Verfügung zu stehen. Eine endgültige Entscheidung soll erst heute getroffen werden.
Zahlreiche Kölner SPD-Ortsvereine haben sich in den vergangenen drei Tagen schriftlich an die Fraktion und den Parteivorstand gewandt, um ihre Missbilligung einer Abwahl Joistens auszudrücken. Dabei nehmen die meisten in ihren Stellungnahmen vor allem Anstoß am aus ihrer Sicht ungünstigen Zeitpunkt inmitten der Corona-Pandemie und nur wenige Monate vor der Kommunalwahl am 13. September.
Kölner SPD: Gruppierungen fordern Rückzug des Antrags
So heißt es etwa in einer E-Mail des Ortsvereins Porz-Mitte, Zündorf, Langel: „Sollten Notwendigkeiten bestehen, Aufgaben und/oder Führungspositionen innerhalb der Kölner Ratsfraktion zu verändern, kann dies in Ruhe, besonnen und demokratisch geschehen.“ Der Ortsverein werde im Kommunalwahlkampf niemanden unterstützen, der sich diesem „Putschversuch“ anschließe beziehungsweise nicht bereit sei, diesem aktiv entgegen zu treten.
Die SPD-Stadtbezirke Innenstadt, Kalk und Rodenkirchen sowie die Arbeitsgemeinschaften ASF, SPD-Queer, AG-60-plus und die Jusos fordern in einem gemeinsamen Schreiben, den Abwahlantrag wieder zurückzuziehen. „Wir hätten mit Rückenwind in den Kommunalwahlkampf gehen können. Stattdessen starten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden – von denen zwei bei der Wahl gar nicht wieder antreten werden – eine öffentliche Schlammschlacht gegen den Vorsitzenden“, heißt es darin. Die Vorwürfe gegen Joisten seien „nicht so aktuell, dass man dies nun wenige Monate vor der Kommunalwahl klären müsste“.