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SPD-OB-Kandidat Kossiski im Interview„Das war eindeutig ein Wortbruch von Frau Reker“

Lesezeit 6 Minuten
Andreas Kossiski

Der Polizist und Ex-DBG Chef Andreas Kossiski fordert Henriette Reker heraus.

  1. Im Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters von Köln wird Andreas Kossiski Amtsinhaberin Henriette Reker herausfordern.
  2. Im Interview attackiert der SPD-Mann OB Reker wegen ihrer Haltung zum Ausbau des Geißbockheims.
  3. Weitere Themen sind die KVB, Umwelt- und städtische Projekte.

Herr Kossiski, bislang haben Sie als Landtagsabgeordneter auf Köln geschaut. Wie hat sich Ihr Blick auf die Stadt verändert, seit Sie Oberbürgermeisterkandidat der SPD sind?

Mein Blick richtet sich jetzt viel stärker auf die Probleme, die ein Oberbürgermeister verändern kann. Ich mache seit einem Monat das Format „Auf Streife“ und werde damit konsequent in die ganze Stadt gehen. Ich will aus erster Hand wissen, welche Probleme die Kölner im Alltag haben. Zum Beispiel habe ich vor kurzem einer jungen Mutter in einer U-Bahn-Station geholfen, den Kinderwagen über die Treppe nach oben zu tragen. Das hätte vermutlich jeder an meiner Stelle getan, aber ohne Unterstützung hätte sie da unten gestanden und wäre nicht rausgekommen. Das ist nur ein kleines Beispiel, aber das kann so nicht sein. Als Oberbürgermeister werde ich solche Haltestellen so schnell wie möglich mit Aufzügen nachrüsten.

Bei den Kölner Verkehrs-Betrieben ist noch einiges zu verbessern. Wie sieht denn Ihre Verkehrsvision insgesamt aus?

Alles zum Thema Henriette Reker

Wir müssen das Auto, das Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr miteinander verbinden. Wir brauchen eine Reduzierung des Autoverkehrs – dann brauchen wir aber auch mehr Busse und Bahnen, die auch öfter fahren. Aber Schnellschüsse bringen uns nicht weiter. Meine Frau sitzt zum Beispiel jeden Morgen fast alleine im so genannten Expressbus auf der Aachener Straße, während nebenan eine volle Bahn fährt und die Autos im Stau stehen. Da ist die richtige Idee, den Busverkehr auszuweiten, völlig gescheitert.

Woran liegt es, dass die Netzerweiterung der KVB so langsam voranschreitet?

Wir landen bei allen Themen irgendwann bei der Stadt. Die Mitarbeiter der Verwaltung müssen in die Lage versetzt werden, schnelle Entscheidungen zu treffen und Ideen umzusetzen. Da muss ein Oberbürgermeister klar führen. Gleiches gilt im Stadtrat. Nehmen Sie den Ausbau der Ost-West-Achse mit einem Tunnel. Im Stadtrat gibt es 91 verantwortliche Ratsmitglieder, die das hätten entscheiden müssen. Dann wäre das Thema vom Tisch gewesen. Aber sie haben die Entscheidung vertagt. Meine Aufgabe als Oberbürgermeister wird sein, bei solch wichtigen Themen alle zusammenzubringen und eine Entscheidung auf einer breiten Basis zu treffen.

Was halten Sie von einer autofreien Innenstadt?

Die autofreie Altstadt ist auf Initiative der SPD schon beschlossen worden, aber noch nicht umgesetzt. Das muss endlich passieren. In anderen Städten funktioniert das hervorragend. Nehmen Sie Mailand oder Turin, das sind alte Städte wie Köln. Dort sind große Teile des Innenstadtkerns autofrei, aber man hat Wege gefunden, dass dort auch Handel und Wirtschaft stattfinden.

Im OB-Wahlkampf 2015 spielte das Thema Radverkehr noch keine große Rolle. Werden Sie das vorantreiben?

Fakt ist: Wesentlich mehr Menschen steigen heute aufs Fahrrad. Gut so! Es gibt Pläne für Radschnellwege und Radwegenetze. Aber man kann in Köln noch lange nicht gefahrlos Fahrrad fahren. Da ist noch viel zu tun. Wir brauchen sichere Radwege und mehr Platz für Radfahrer. Wir müssen den Straßenraum neu denken. Es muss einen guten Mix aus Fußgängerverkehr, Radverkehr und Autoverkehr geben. Es gibt auch Menschen, die auf Bus und Bahn oder auf den eigenen Pkw angewiesen sind. In einer älter werdenden Gesellschaft müssen wir das berücksichtigen.

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Woran liegt es, dass die Umsetzung von städtischen Projekten immer so lange dauert - und wie ginge es schneller?

Es fehlt die Verantwortlichkeit und Führung. Der Stadtvorstand besteht aus dem Oberbürgermeister und den Dezernenten. Ich werde dafür sorgen, dass sie als Team spielen und an einem Strang ziehen. Und ich werde ihnen den Rücken frei halten, damit sie und ihre Mitarbeiter die Sicherheit haben, mutige Entscheidungen im Sinne der Menschen treffen zu können.

Was halten Sie von der Verwaltungsreform, die Oberbürgermeisterin Henriette Reker angestoßen hat?

Da gibt es keine Ergebnisse, die das Leben der Menschen besser machen. Im Gegenteil, ich höre viel von Frustration bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. Wenn man wie Frau Reker zum Start sagt, dass viele Stadtmitarbeiter nur ihr Schmerzensgeld abholen, dann ist das der völlig falsche Weg. Das musste scheitern. Ich habe als Führungskraft bei der Polizei Köln selbst Change-Management-Prozesse mitgestaltet. Da haben wir alle Mitarbeiter mitgenommen und waren deshalb erfolgreich. Mein erster Weg im Amt geht deshalb zu den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, mit denen ich reden und denen ich zuhören will.

Es fehlt an Wohnungen im mittleren und niedrigen Preissegment. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass mehr gebaut wird?

Als Oberbürgermeister werde ich das Thema zur Chefsache machen. Köln braucht jedes Jahr mindestens 6000 neue Wohnungen. Dieses Ziel wurde in den letzten fünf Jahren stets deutlich verfehlt. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen in der ganzen Stadt. Dafür brauchen wir auch kreative Ideen. Die Überbauung von Parkplätzen, Supermärkten und Gewerbebetrieben könnte ein Mittel sein. Bei Investoren herrscht jedoch eine große Verunsicherung, wenn es darum geht, wie lange man auf eine Baugenehmigung wartet. Der Oberbürgermeister muss die Strukturen schaffen, damit sich die verschiedenen Ämter optimal untereinander koordinieren.

Es fehlt vor allem an Flächen, um überhaupt bauen zu können. Wie weit muss die Stadt auch an Grünflächen herangehen?

Die Flächen in Köln sind begrenzt, deshalb müssen wir uns genau überlegen, wie wir sie nutzen. Köln braucht ein kluges Flächenmanagement. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass in Lindweiler seit 30 Jahren eine Gewerbefläche brach liegt, weil sich dort keine Unternehmen ansiedeln wollen. Gleichzeitig entsteht da aber auch nichts anderes, auch kein Wohnungsbau. Diesen Stillstand müssen wir auflösen.

Der 1. FC Köln will sein Trainingszentrum im Grüngürtel ausbauen. Wie stehen Sie dazu?

Ich befürworte das. Aber nicht in erster Linie, weil es um den FC geht. Da geht es um das Grundsätzliche: Die Verlässlichkeit der Stadt. Frau Reker persönlich hat sich 2015 für den Ausbau ausgesprochen. Wenn Sie als Bauherr eine Idee haben, etwas zu machen, zu den städtischen Ämtern gehen und alle erforderlichen Unterlagen einreichen, und am Ende haben Sie einen genehmigten Plan – dann darf das nicht scheitern, nur weil jemand an der Spitze seine Meinung ändert. So bekommen wir keine Häuser mehr durch, keine Gewerbegebiete und auch keinen Ausbau am Geißbockheim. Ich stehe für Klarheit und Zuverlässigkeit.

War das eine Art Wortbruch von Frau Reker?

Eindeutig.

Steht der OB-Kandidat Kossiski mehr für den Blick in die Stadtteile statt für eine Historische Mitte am Dom?

Ich nehme die ganze Stadt in den Blick. Die Historische Mitte ist ein wichtiges Projekt und eine große Chance, die ich sehr befürworte. Unsere Stadt besteht aber aus 86 Veedeln, das hat unser Karnevalsmotto noch einmal deutlich gemacht. Keines ist weniger wert als die anderen.

Es muss sich also nicht alles Wichtige nur im Zentrum abspielen.

Diese Stadt funktioniert nur im Ganzen. Der Oberbürgermeister muss die Stadt immer so betrachten. Alle kreativen Ideen, die für eine bessere Wahrnehmung von Stadtteilen sorgen, muss man befürworten. Wir können aber auch besser darstellen, welche tollen und vielfältigen Angebote es in Stadtteilen außerhalb des Zentrums jetzt schon gibt.

Hat sich die Stadt bei ihren Kulturbauten übernommen?

Ja. Bei vielen Kulturbauten ist der Stadt vieles misslungen. Das kann man nicht einfach hinnehmen, sondern muss es ändern. Durch die Kooperation mit der Kirche als Bauherr sind wir bei der Historischen Mitte auf einem guten Weg. Es macht aber auch Sinn, gute Organisationsformen aus anderen Städten zu übernehmen, aus Hamburg zum Beispiel und, ja, auch aus Düsseldorf.

Das Gespräch führten Tim Attenberger, Carsten Fiedler und Christian Hümmeler