„Der totale Bürokratiewahnsinn”Kölner Wirte kritisieren strenge Kontrollen der Stadt
Köln – Zu viele bunte Kissen, zu niedrige Markisen. Zahlreiche Kölner Wirte kritisieren die strengen Kontrollen des Ordnungsamts und neu verhängten Auflagen in Bezug auf die Außengastronomie. Erste Gastronomen mussten bereits Stehtische, Dekorationen oder Lichterketten entfernen, weil diese angeblich das Straßenbild verschandelten. „Es ist der totale Bürokratiewahnsinn“, sagt ein Wirt, der namentlich nicht erwähnt werden will. „Man schießt mit Kanonen auf Spatzen.“
„Dutzende Gastronomen berichten uns mittlerweile von behördlicher Willkür und sind entsetzt über den Umgang mit ihnen“, heißt es auch in einer Mitteilung der Vereinigung IG Gastro, die zahlreiche Wirte vertritt, auf Facebook. „Es ist erschütternd, was an uns herangetragen wird. Köln verliert komplett den Kompass zwischen Maß und Mitte im Umgang mit einer der wichtigsten wirtschaftlichen Faktoren der Stadt, der hiesigen Gastronomie.“
Umsatzeinbußen durch Folgen der Corona-Pandemie
Martin Schlüter von der IG Gastro ergänzt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die Stadt unsensibel mit den Gastronomen umgehe. Diese hätten in den vergangenen Monaten ohnehin durch die Corona-Pandemie Umsatzeinbußen verkraften müssen. „Nun werden Dinge kritisiert, die zehn Jahre lang toleriert wurden“, so Schlüter.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Stadt beruft sich auf das Gestaltungshandbuch, das 2017 vom Rat beschlossen wurde und unter anderem für die Außengastronomie von Lokalen Vorgaben macht. „Eine hochwertige Gestaltung der Gastronomiebereiche bedeutet auch eine Aufwertung des städtischen Umfeldes“, heißt im Gestaltungshandbuch. Daher sei es wichtig, Qualitätsziele für die Ausstattung von Außengastronomien festzulegen. Favorisiert werden Schirme, Tische und Stühle in gedeckten Grau- und Brauntöne.
„Viele Schirme, die schützend vor Wind und Wetter sind, die sich Gastronomen und Gastronominnen für teures Geld gekauft haben, dürfen wegen der Farbe nicht mehr stehen“, kritisiert die IG Gastro. Die Politik müsse nun reagieren und sofort Passagen aus dem Gestaltungshandbuch korrigieren. „Sonst sind einzelne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes in der Lage, ein Stück Kultur und Lebensgrundlage der Kölner Gastronomie zu zerstören.“
„Unerklärlich, warum die Stadt so handelt”
Schlechte Erfahrungen mit der Stadt hat Giorgios Milousis, Inhaber des Restaurant Filos an der Merowingerstraße, gemacht. Die Stehtische vor seinem Lokal stünden dort bereits seit 15 Jahren und seien bislang noch nicht von der Stadt bemängelt worden, sagt er. Anfang Oktober habe er aber Besuch vom Ordnungsamt erhalten. Das Ergebnis: Die nicht genehmigten, aber tolerierten Tische müssen weg. „Mir ist unerklärlich, warum die Stadt jetzt handelt“, so Milousis. Beanstandet wurden auch Blumenkübel und Schirme, die die Inhaber des Filos für 15.000 Euro gekauft haben, nun offenbar aber zu groß sind.
Yannik Butze, Inhaber des Mainzer Hofs, musste ebenfalls Stehtische abmontieren. „Ich verstehe, dass nicht jeder machen kann, was er will.“ Wenn aber nur gedeckte Farbtöne in der Außengastronomie erlaubt würden, schade das der Vielfalt im Stadtbild.
Diskussion in der Bezirksvertretung
Unterstützung erhalten die Wirte vom Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke. „Es ist völlig unerklärlich, warum die Stadt auf einmal mit dem Zollstock herumläuft“, sagt Hupke. „Ich bin konsterniert über das knallharte Vorgehen des Ordnungsamts.“ Es sei zwar richtig, dass die Außengastronomie ordentlich aussehen solle. Hupke fordert aber, dass die Wirte eine lange Übergangsfrist haben sollten, um die nötigen Investitionen zu tätigen. Ein Runder Tisch mit Wirten, Politik und Verwaltung soll die Kommunikation unter den beteiligten Akteuren verbessern. Bereits am Donnerstag soll die Stadt in der Bezirksvertretung Innenstadt das Thema aus ihrer Sicht darstellen.
Stadt weist Vorwürfe zurück
Die Stadt weist die Vorwürfe der Wirte zurück. Es gehöre zu den Aufgaben der Mitarbeitenden des Ordnungsamtes und des Ordnungsdienstes, Gastronomiebetriebe zu kontrollieren, auch wenn das die Wirte nicht immer gerne sähen, teilt eine Stadtsprecherin mit. Handele die Stadt nicht, setze sie sich des Vorwurfs der Untätigkeit aus. Anlass für die aktuellen Kontrollen seien zahlreiche Hinweise von Bürgern, die sich über die Zustände in der Außengastronomie beschwert hätten. Dabei gehe es zum Beispiel um zu große Außengastronomieflächen, Sperrzeitverstöße, Lärm und Schmutz oder eine unzulässige Einengung und Gefährdung der Fuß- und Radwege.
Die Kontrollen fänden in einer sachlichen wie objektiven Weise statt, so die Sprecherin weiter. „Die Maßnahmen werden, soweit sie erforderlich werden, gegenüber den Betrieben stets begründet und es wird um Verständnis geworben.“ Allerdings müssten erforderliche Maßnahmen nötigenfalls auch mit rechtsstaatlichen Mitteln durchgesetzt werden. „Der Ordnungsdienst bewertet nicht, sondern stellt fest, ob Beschwerden zutreffend sind oder nicht“, so die Stadtsprecherin.
Die Mitarbeitenden der Gewerbeabteilung und des Ordnungsdienstes der Stadt seien für entsprechende Einsätze ausgebildet worden. „Beschwerden hinsichtlich des Auftretens von Mitarbeitenden kommen vereinzelt vor.“ Solche Beschwerden träten aber ausschließlich im Zusammenhang mit rechtmäßigen ordnungsbehördlichen Maßnahmen auf, die von Gastronomen nicht akzeptiert würden.