Köln – „Die Lage bessert sich nicht. Im Gegenteil“, sagt Daniel Rabe. Der Betreiber der Bagatelle Südstadt ist als Sprecher bei der IG Kölner Gastro aktiv, die gerade einen öffentlichen Hilferuf abgesetzt hat. Der Personalmangel in der Gastronomie weite sich „zur existenziellen Krise aus“, heißt es im entsprechenden Facebook-Post.
Von einem wirtschaftlichen Überlebenskampf ist in dem Statement der IG Gastro zu lesen. Schon vor der Pandemie habe man nur mit Mühe und Not Dienstpläne besetzt bekommen, nun schaue man in eine ungewisse Zukunft. „Die Grundproblematik verschärft sich gerade“, erklärt Rabe auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die Leute, die noch da sind, werden ausgebrannt – und einen Rücklauf von vorher abgewanderten Beschäftigten gibt es nicht.“
Geld allein sei kein Anreiz
Die Interessensvertretung der Gastronomen fordert daher ein Handeln der Politik: Die Mehrwertsteuer für Speisen und Getränke müsse auf sieben Prozent gesenkt werden, es brauche weniger bürokratische Prozesse und eine bundesweite Kampagne für die Vorzüge der Gastronomie. Sobald die neue Bundesregierung feststehe, werde man versuchen, überregional in den Dialog zu kommen, so Rabe.
Ein einfacher Anstieg der Gehälter, wie so oft gefordert, reicht ihmzufolge nicht aus: „Viele in der Gastronomie zahlen anständig, und wer das nicht tut, darf sich nicht wundern. Aber Geld allein ist kein Anreiz – selbst wenn ich jedem fünf Euro mehr die Stunde zahle, sind nicht mehr Leute da. Das geht in der Ausbildung schon los.“
Mathias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Nordrhein, kann diesen Mangel nur bestätigen: „Es ist leider so. Jeder Betrieb hat eine Krankheit – und das ist der Mitarbeitermangel. Wir wissen nicht so recht, wo all die Leute geblieben sind“, so Johnen. „Nun müssen wir ihnen wieder Sicherheit vermitteln und sie zurückgewinnen für den besten Job der Welt.“
Kölner Gastronomen kürzen Öffnungszeiten
In der Stadt sind die Auswirkungen des Personalmangels derweil zu spüren. Laut der IG Gastro bestuhlen viele Restaurants nicht komplett, Öffnungszeiten werden eingeschränkt. So auch im äthiopischen Restaurant „Injera“ auf der Lindenstraße. „Wir haben sonst sonntags immer um 15 Uhr geöffnet – jetzt starten wir erst am Abend. Es können ja nicht die gleichen Leute mittags den Laden aufschließen, die am Samstagabend noch spät gearbeitet haben“, sagt Betriebsleiter Ezana Bahlebi.
Im Vergleich zu vor vier bis fünf Monaten habe sich die Lage zwar schon verbessert. Doch da das Restaurant nach der Flut auch noch mit Wasserschäden zu kämpfen habe, gäbe es gerade oft mehr zu tun, als zu schaffen sei. „Wir sind teilweise am Ende unserer Kräfte. Wir räumen auf, putzen, kochen. Aber ich muss meine Angestellten auch schonen. Die werden sonst verbrannt.“
Die Gäste hätten glücklicherweise viel Verständnis für die Situation. „Aber wir müssen auch mal Gäste ablehnen, weil wir genau wissen: Wir schaffen das nicht.“ Bahlebi hofft trotzdem, dass sich die Lage bald bessert: „Als Gastronom bist du immer auch Optimist, sonst funktioniert es nicht. Viele Angestellte kommen dann über private Kontakte, weil sie mitbekommen, wie die Stimmung bei uns ist.“
Ein Anreiz für Bewerberinnen und Bewerber könne auch das Trinkgeld sein, sagt Mathias Johnen vom Dehoga. „Die Gäste sind insgesamt großzügiger." Es gebe gewisse „Nachholeffekte“, gepaart mit einer höheren Wertschätzung. „Die Menschen haben gemerkt, wie ein Leben ohne Gastro aussieht.“
Studenten fangen viel auf
Besonders schwierig sei es allerdings weiterhin, Fachpersonal zu finden, berichtet Sascha Bayer, Inhaber der „St. Louis The Breakfast Company“ an der Zülpicher Straße. „Barkeeper, Köche und Servicepersonal fehlen. Wir improvisieren gerade viel mit Studenten – was eine zusätzliche Belastung für unser Stammpersonal ist. Die Leute müssen erstmal angelernt werden. Das führt zu vielen Überstunden bei denen, die schon überlastet sind.“
Für die studentischen Aushilfen sei man aber sehr dankbar. „In der Eifel oder in der Pfalz gibt es die nicht. Da steht man noch schlechter da“, sagt Bayer. Durch den Personalmangel könnten Öffnungszeiten und die Produktvielfalt nicht erweitert werden, „Kreativität und Wachstum werden gemindert.“ Eine Lösung sieht der Gastronom in der Anhebung des Mindestlohns: „Das spielt eine wichtige Rolle, denn dann fällt es uns leichter, verlässlich die Preise zu erhöhen. Da steckt eine ganze Wertschöpfungskette dahinter. Außerdem muss das Minijob- und studentische Aushilfe-Level steigen. Mit 700 Euro Lohn machst du in Köln nicht viel.“
Im Stadtgarten hat sich die Personal-Lage wieder etwas stabilisiert, von „normalisiert“ möchte Michael Hinz, Betriebsleiter der Gastronomie, noch nicht sprechen. „Unsere Leute müssen stramme Schichten meistern und mehr rennen als früher.“ Nach dem zweiten Lockdown und sieben Monaten Schließung sei die Hälfte der Mitarbeiterschaft „verloren gegangen“ und sich in vermeintlich „coronasichere Jobs geflüchtet“ wie Drogerie- und Lebensmittelmärkte oder Lieferdienste.
Durch den Wegfall der Außengastronomie gebe es einerseits etwas Entspannung. Zugleich fänden aber wieder mehr Veranstaltungen und private Feiern statt. Bei den Kunden sei oft ein Misstrauen vorhanden: „Bekommen Sie das mit Ihrem Personal auch wirklich hin?“, werde Hinz häufig gefragt. Im Hinblick auf die Adventszeit mit Weihnachtsmarkt, Weihnachtsfeiern und Silvester sucht der Stadtgarten dringend Verstärkung. „Ansonsten weiß ich nicht, wie wir das stemmen sollen.“