AboAbonnieren

Nicht nur Schönheit gefragtKölnerin will Miss Germany werden – wir haben Belen Kobe getroffen

Lesezeit 5 Minuten
Belen Kobe sitzt auf einer Mauer in Kölner Mediapark. Sie bewirbt sich in diesem Jahr als "Miss Germany".

Belen Kobe aus Köln will „Miss Germany“ werden.

„Miss Germany“ versteht sich nicht mehr als Schönheitswettbewerb, sondern als Auszeichnung für Frauen mit Verantwortung. Am Mittwoch lief eine Bewerbungsrunde im Mediapark.

Der Wind zerrt an dem roten Pavillon, dunkle Wolken sind mittlerweile aufgezogen, ein paar Tropfen fallen. Aber das darf niemanden aufhalten, der „Miss Germany“ werden will. Mehr als 1000 junge Frauen haben sich beworben, 90 haben es in die Vorrunde geschafft, noch knapp 20 von ihnen stellen sich im Kölner Mediapark das erste Mal der Öffentlichkeit vor, jede von ihnen will in die nächste Runde.

Wer an diesem Mittwochnachmittag nicht gerade Interviews gibt oder für Fotos posiert, sitzt unter dem roten Pavillon, der mittlerweile bedenklich wackelt. Die jungen Frauen treffen hier das erste Mal aufeinander, lernen sich kennen, tauschen sich aus. Für die nächsten Wochen sind sie Konkurrentinnen, werden in Prüfungssituationen miteinander verglichen. Was sie jetzt schon gemeinsam haben: Keine von ihnen wäre heute hier, wenn es bei „Miss Germany“ nur um Schönheit gehen würde.

Acht junge Frauen posieren für ein Selfie.

Der Miss-Germany-Wettbewerb hat am vergangenen Mittwoch Stopp in Köln gemacht. Kandidatinnen kamen aus ganz Deutschland.

Darunter ist auch Belen Kobe. Die 31-Jährige aus der Kölner Südstadt ist gelernte Industriekauffrau, arbeitet als Bereichsleiterin in einem großen Unternehmen und ist nebenbei Berufscoach für Frauen. „Wenn Miss Germany ein reiner Schönheitswettbewerb gewesen wäre, hätte ich mich nicht beworben“, sagt sie.

Belen Kobe will sich dafür einsetzen, mehr jungen Frauen zu Führungspositionen zu verhelfen – auch, wenn sie nicht studiert haben. „Führung ist für mich mehr als ein Bachelorabschluss, das ist etwas Persönliches, das man mitbringt.“ Auftreten und Empathie seien Dinge, die man nicht in einem Studium lernen könne. Sie selbst habe sich damals nie zugetraut, in eine Führungsposition zu kommen, weil sie nicht studiert, sondern eine Ausbildung absolviert habe. Trotzdem sei sie so gefördert worden, dass sie seit über vier Jahren in Führung arbeitet. „Ich bin der beste Beweis, dass meine Mission funktioniert“, sagt Kobe selbstbewusst.

Gründerinnen und Dax-Vorständinnen statt Beauty-Influencerinnen

„Miss Germany“ wurde ursprünglich diejenige, die sich als schönste Frau Deutschlands qualifizieren konnte. „Wir suchen jetzt Frauen, die Verantwortung übernehmen“, sagt Max Klemmer, Geschäftsführer von „Miss Germany Studios“. Seit 2014 ist er Teil des Familienunternehmens, das schon in den 1970er-Jahren die „Miss Germany-Wettbewerbe“ veranstaltete. Aber Klemmer fand das ursprüngliche Miss-Konzept nicht mehr zeitgemäß. Die Bikini-Läufe wurden abgeschafft, die Altersgrenzen verschoben – nach oben: Bewerberinnen sollen nun mindestens 18 statt 16 und höchstes 39 statt 29 Jahre alt sein. Die Anwärterinnen früher mussten kinderlos und unverheiratet sein, auch das ist passé.

Also eine Up-lift für alle: Die Firma heißt jetzt „Miss Germany Studios“ und das Konzept hat mehr Substanz bekommen. Statt um Schönheit soll es um Frauen gehen, die beruflich und gesellschaftlich Verantwortung übernehmen. Dass die Bewerberinnen hier überdurchschnittlich attraktiv sind, ist aber nicht zu übersehen.

07.08.2024 Köln. Der Miss-Germany-Wettbewerb macht Stopp in Köln. Max Klemmer (li.) und Apameh Schönauer.

Der Geschäftsführer der Miss Germany Studios Max Klemmer und Apameh Schönauer, die amtierende Miss.

Klemmer unterscheidet drei Kategorien. „Miss Germany“ sucht Frauen, die selbst Unternehmen gründen, in männerdominierten Berufen und Führungspositionen arbeiten. Klemmer, betont lässig in weitem T-Shirt, lockerer Hose und weißen Sportschuhen, spricht dabei von „Founder“, „Mover “ und „Leader“. Sein Ziel sei es, die Geschichten der Frauen zu erzählen, die sich für eine gleichberechtigte und chancengerechte Arbeitswelt einsetzen, ihnen eine Plattform zu geben. „Never waste Talent“ und „Empowering Woman“ steht auf dem T-Shirt, das er trägt. Soll heißen: Max Klemmer sucht nicht nach der nächsten Beauty-Influencerin, sondern nach zukünftigen Dax-Vorständinnen und Gründerinnen.

Shitstorm für „Miss Germany” 2024

Belen Kobe sieht sich irgendwo dazwischen. Vielleicht ein bisschen mehr in Richtung DAX-Vorständin, weil Führung und Coaching ihre Herzensthemen seien. „Ich will meine Botschaft nach außen tragen und ein Vorbild für andere sein“, sagt sie. Gleich danach wird sie zu einem Fototermin gerufen. Sie ist an diesem Vormittag sehr gefragt, gibt Interviews, posiert für Fotos, steht für den Social-Media-Auftritt von „Miss Germany“ vor der Kamera und kämpft mit dem Wind, der ihr die langen braunen Haare immer wieder ins Gesicht weht.

Die Kandidatin aus Köln, Belen Kobe im Interview mit Apameh Schönauer, das Gespräch findet in einem Auto statt.

Belen Kobe (l.) im Gespräch mit der aktuellen „Miss Germany“ Apameh Schönauer (r.).

Vor allem aber ist sie hier für ein Gespräch mit der aktuellen „Miss Germany“ Apameh Schönauer. Die Kandidatinnen haben fünf Minuten Zeit, sich selbst und ihre Mission vorzustellen. Schönauer entscheidet dann gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Miss-Unternehmens, wer in die nächste Runde der Top 45 kommt.

Apameh Schönauer, oranger Zweiteiler und breite Naturlocken, wird von allen hier Api genannt. Im Februar 2024 sicherte sie sich den Miss-Titel – und erlebte erstmal einen Shitstorm: zu alt, Mutter, gebürtige Iranerin und vermeintlich nicht schön genug. So jemand will „Miss Germany“ sein? Ja, sagt Schönauer. Im Nachhinein sei sie daran gewachsen und noch motivierter, sich für ihre Ziele einzusetzen. Die 39-Jährige stammt ursprünglich aus Teheran und kam mit sechs Jahren nach Deutschland. Mit ihrer Familie lebte sie zu viert in einer Einzimmerwohnung, heute arbeitet sie als Architektin und ist Mutter von zwei Kindern. „Wir haben bei Null angefangen, aber es geht alles, wenn man will“, sagt sie und stemmt ihre Hände in die Hüften.

Sie habe nie damit gerechnet, den Miss-Wettbewerb zu gewinnen. „Alles, was ich wollte, war im Finale auf der Bühne zu stehen und meine Mission grandios rüberzubringen.“ Ihr Ziel: junge Frauen zu unterstützen. Der Aufstand der Frauen im Iran 2022 und die Geburt ihrer Tochter im gleichen Jahr haben sie geprägt. „Es geht mir so gut – und wenn ich mir anschaue, was draußen in der Welt passiert, können wir alle viel mehr tun“, sagt Schönauer.

Was tut eine „Miss Germany“ und womit verdient sie ihr Geld? Schönauer betont, es gehe ihr nicht ums Finanzielle, sie wolle junge Frauen dabei unterstützen, sichtbarer zu werden. Sie hält Vorträge vor Schulkassen oder auf Panel-Talks. Der Titel hat ihr aber auch zu Architektur-Aufträgen verholfen, räumt sie ein. So habe etwa die Moderatorin Lola Weippert, die im Februar durch das Finale der „Miss Germany“-Wahl führte, sie auch für ihren Bauernhof in Brandenburg engagiert. Die Miss Germany-Studios übernehmen das Management der amtierenden Miss, über sie bekommt auch Apameh Schönauer lukrative Werbe- und Arbeitsaufträge.

Für Belen Kobe ist nach diesem Tag warten angesagt. Ob sie es in die nächste Runde schafft? Da ist sie sich noch nicht sicher. Die anderen Kandidatinnen seien genauso stark und inspirierend: „Ich glaube, am Ende wird die Entscheidung sehr schwer.“ Der Tag sei für sie auf jeden Fall besonders gewesen, vor allem wegen der anderen Kandidatinnen. „Wir sind alle Gewinnerinnen, weil wir hier ein super Netzwerk bekommen.“