Es gibt kaum verlässliche Zahlen zum Drogenkonsum in Köln. Studien, Schätzungen und Erfahrungsberichte können dennoch Aufschluss geben.
Kokain, Heroin, Ecstasy & Co.Was, wo und wie viele Drogen werden in Köln konsumiert?
Ein Abhängiger spritzt sich in der U-Bahn-Unterführung am Neumarkt Heroin. Die Gäste einer Privat-Party ziehen reihum eine „Line“ Kokain. Eine junge Frau wirft sich im angesagten Club eine bunte Ecstasy-Pille ein. Junge Erwachsene lassen im Grüngürtel einen Joint kreisen. Szenen wie diese scheinen in Köln zum Alltag zu gehören. Doch wie häufig werden illegale Drogen tatsächlich konsumiert – welche, und von wem?
Dieser Frage sind wir nachgegangen, haben Studien gelesen, Zahlen verglichen, mit Expertinnen und Experten gesprochen. So viel vorab: Genaue Daten existieren nicht. Untersuchungen, die in anderen Städten einen relativ detaillierten Überblick über den Konsum bestimmter Stoffe geben können, gibt es in Köln derzeit nicht.
Drogen in Köln: Abwasser-Proben geben anderswo Auskunft über Konsum
So zum Beispiel die Untersuchung des Abwassers, die eine Analyse aktueller Trends im Bereich des illegalen Drogenkonsums ermöglicht. Die Methode wurde in den 1990er Jahren entwickelt, um Umweltauswirkungen von häuslichem Abwasser zu beobachten. Inzwischen wird sie in verschiedenen Städten eingesetzt, um Erkenntnisse über den Drogenkonsum zu gewinnen. Dazu wird etwa am Zulauf einer Kläranlage eine Abwasserprobe genommen und auf die Konzentrationen illegaler Drogen und ihrer über den Urin ausgeschiedenen Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, untersucht. Mittels dieser Werte können Experten schätzen, wie hoch der Konsum der untersuchten Substanz in den Stunden vor der Probenentnahme war.
Diese „Wastewater analysis and drugs“-Untersuchung wird seit 2011 in mehr als 100 europäischen Städten von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) durchgeführt. In Deutschland beteiligen sich 16 Städte, wie Berlin, Stuttgart, München, Dresden, Hamburg, Frankfurt und Dortmund – nicht jedoch Köln. „Die Stadt hat die Teilnahme abgelehnt“, sagt Reinhard Oertel, Laborleiter am Institut für Klinische Pharmakologie an der TU Dresden. Er ist für die Auswertung der deutschen Studiendaten zuständig.
Drogenkonsum: Stadt Köln lehnte Teilnahme an Abwasser-Studie ab
Auf Anfrage nach den Gründen heißt es seitens der Pressestelle der Stadt Köln, dass es „genauere und relevantere wissenschaftliche Ansätze gibt“, die derzeit priorisiert würden. Zahlen, die Auskunft über den Konsum in Köln geben, liegen derzeit allerdings nicht vor. Gewisse Erkenntnisse aus der „Wastewater analysis and drugs“-Untersuchung dürften sich dennoch auf Köln übertragen lassen. Ein Überblick:
- Kokain: In den meisten Ländern war die Belastung mit Benzoylecgonin (BE), das Hauptmetabolit von Kokain, in Großstädten höher als an kleineren Orten. In Dortmund lag der Tagesdurchschnitt im Jahr 2022 bei 350, in Berlin bei 541 Milligramm pro 1000 Einwohner. Mehr als drei Viertel der Städte wiesen am Wochenende höhere Belastungen im Abwasser auf als an Wochentagen, was auf einen verstärkten Freizeitkonsum zurückzuführen sein könnte.
- Ecstasy/MDMA: Ähnlich verhält es sich mit MDMA, dem Hauptbestandteil von Ecstasy: Auch hier wurde eine höhere Belastung in Großstädten und am Wochenende festgestellt. Die Studienautorinnen und -autoren weisen darauf hin, dass „MDMA keine Nischendroge mehr darstellt, sondern mittlerweile von einem breiteren Spektrum junger Menschen konsumiert wird“. In Dortmund liegt die Belastung bei durchschnittlich 11,6, in Berlin bei 47,6 Milligramm pro 1000 Einwohner.
- Cannabis: In der Studie konnten – im Gegensatz zu anderen Substanzen – keine ausgeprägten Unterschiede zwischen dem Konsum in Großstädten und an kleineren Orten festgestellt werden. Zudem wurde der Cannabismetabolit THC-COOH gleichmäßig über die gesamte Woche hinweg nachgewiesen.
- Amphetamin: Amphetamin ist – vor allem in Westdeutschland – wesentlich verbreiteter als die eng verwandte synthetische Stimulanzie Methamphetamin (Crystal Meth). Der Amphetaminkonsum ist zuletzt gleichmäßiger über die gesamte Woche verteilt als in den Vorjahren. In Dortmund lag der Tageswert bei 191,8, in Berlin bei 185,9 Milligramm pro 1000 Einwohner.
- Heroin: Über den Konsum von Heroin kann die Studie keine Aussage treffen, da das körpereigene Abbauprodukt des Stoffs (6-Monoacetylmorphin) im Abwasser instabil ist.
Zwar liefert die Studie Erkenntnisse zur Menge der auf Bevölkerungsebene konsumierten illegalen Drogen. Das Experten-Team weist aber darauf hin, dass „sie keine Informationen zur Prävalenz (Anteil der Bevölkerung, Anm. d. Red.) und zur Häufigkeit des Konsums, zu den Hauptkonsumentengruppen und zum Reinheitsgrad der Drogen“ liefert.
Drogenkonsum in Köln: Wie häufig wird welche illegale Substanz konsumiert?
Diese Fragen stellen sich natürlich auch in Köln: Wer sind die Konsumentinnen und Konsumenten? Wie alt sind sie, wo leben sie, wie oft nehmen sie bestimmte Substanzen ein und woher beziehen sie diese? Hier geben Daten aus anderen Studien Auskunft, zum Beispiel der Epidemiologische Suchtsurvey (ESA), mit dem seit den 1980er Jahren regelmäßig auch der Konsum illegaler Drogen in der deutschen Bevölkerung erfasst wird. Diese decken sich (zumindest in Teilen) mit Erfahrungen aus der Suchtberatung.
In der aktuellen Befragung, die den Stand von 2021 abbildet, gaben von den Befragten in Nordrhein-Westfalen zehn Prozent an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate illegalen Drogen konsumiert zu haben (Männer: 12,8 Prozent, Frauen: 7,2 Prozent), 2015 waren es noch 7,9 Prozent (Männer: 9,4 Prozent, Frauen: 6,4 Prozent).
Am höchsten war der Anteil unter den 18- bis 24-Jährigen: 22,2 Prozent dieser Altersgruppe gab an, in den vergangenen zwölf Monaten illegale Substanzen konsumiert zu haben – am häufigsten (9,2 Prozent) Cannabis. Im Jahr 2015 hatte die Prävalenz für Cannabis noch bei 5,9 Prozent gelegen.
Norbert Teutenberg, stellvertretender Fachbereichsleiter Gesundheitshilfe beim Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) bestätigt das: „Cannabis ist mit Sicherheit die illegale Substanz, die in Köln am häufigsten konsumiert wird.“ Genaue Zahlen, wie viele Menschen in Köln ab und zu oder regelmäßig Cannabis oder andere Substanzen konsumieren, gibt es aber nicht. Zudem gibt Teutenberg zu bedenken, dass „das Dunkelfeld von Substanz zu Substanz unterschiedlich groß ist.“
Er erklärt das am Beispiel von Heroinabhängigen: „Die meisten Konsumenten sind im Hilfesystem bekannt: Sie nutzen etwa niedrigschwellige Angebote, waren in Reha oder werden substituiert.“ Der Konsum sei so gravierend in seinen Auswirkungen, sozial, juristisch sowie medizinisch, dass die Abhängigen letztlich in einer Statistik auftauchten. „Cannabiskonsumierende hingegen haben oft null Kontakt zum Hilfesystem, da die allermeisten mit ihrem Konsum noch klarkommen.“
Auswirkungen von Cannabis: Psychische Probleme nehmen zu
Ausnahmen bestätigen die Regel: „Wir erleben, dass der Kontakt zu Cannabis-Konsumierenden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.“ Das dürfte nicht nur an der steigenden Zahl der Konsumenten liegen, sondern an Veränderungen der Droge selbst: „Das heutige Cannabis ist wesentlich potenter. Haschisch hat mit dem, was man in den 70er Jahren gekifft hat, nicht mehr viel zu tun. Die Auswirkungen sind daher auch andere, vor allem psychische Probleme nehmen zu.“
Kölns dunkle Seite – Recherchen aus einer Schattenwelt
Alle Folgen:
Immer mehr Cannabis-Konsumierende kämen dadurch in Kontakt mit der Suchthilfe, weil sie nicht mehr so gut in der Lage seien, ihren Alltag zu bewältigen. „Jemand, der am Wochenende mal einen Joint raucht, kriegt sein Leben in der Regel noch gut auf die Reihe. Das trifft auf einen großen Teil der Konsumierenden zu“, sagt Teutenberg. „Andere sind so stark abhängig, dass sie nicht mehr zu unterscheiden sind von Abhängigen anderer Substanzen.“
Illegale Drogen in NRW: Cannabis auf Rang 1, Kokain auf Rang 2
Im Epidemiologischen Suchtsurvey liegt bei den illegalen Drogen in NRW Kokain gemeinsam mit Amphetaminen/Methamphetaminen auf Rang zwei, mit einer Prävalenz von 1,2 Prozent. Ob sich die Zahlen für Köln auf einem ähnlichen Niveau bewegen, kann Teutenberg nicht beurteilen. Wohl aber aus Erfahrung berichten: „Kokain ist in Köln ein großes Thema, weil es gerade so leicht verfügbar und günstig ist.“ Die Auswirkungen zeigen sich auch in den Konsumräumen: „Hier haben wir mit zunehmendem Konsum von Crack, also dem inhalativen Konsum von Kokain, zu tun.“
Die Prävalenz anderer Substanzen liegt NRW-weit für Ecstasy bei 0,8 Prozent, für LSD bei 0,7 und für Heroin bei 0,2 Prozent. Auch hier ist schwer zu beurteilen, inwiefern sich diese Zahlen auf Köln übertragen lassen, denn sie gelten auch für ländliche Gebiete Nordrhein-Westfalens.
Das Kölner Gesundheitsamt geht laut einer Schätzung aus dem Jahr 2016 von 801 bis 2330 Menschen mit problematischem Konsum im Stadtgebiet aus, also Personen, die regelmäßig oder intravenös Opiate, Kokain oder Amphetamine konsumieren. Die Polizei Köln rechnet sogar mit bis zu 5000 Schwerstabhängigen in Köln.
Verlässliche Zahlen zu erhalten, ist also schwierig. Köln ist zudem beliebt bei Szene-Anhängern, die unterschiedliche illegale Drogen konsumieren. Innerhalb dieser Szenen schwankt der Konsum, weiß Teutenberger: „In der illegalen Drogenszene wird das konsumiert, was man kriegen kann.“ Die meisten Heroinabhängigen seien polytoxikoman, nehmen also unterschiedlichste Substanzen. „Der durchschnittliche Heroinabhängige kann sich gar nicht so viel Heroin leisten, wie er bräuchte. Der nimmt dann stattdessen Tabletten, trinkt Alkohol.“
In der Partyszene wiederum würden laut Teutenberg sehr gezielt bestimmte Substanzen genommen, „dort schaut man, dass man Ecstasy bekommt." Der Straßendrogenabhängige in Köln hingegen habe mit Ecstasy nicht viel am Hut, „dort spielt Heroin eine Riesenrolle beziehungsweise alles, was mit Opioiden zu tun hat. Und Kokain, seit jeher.“