Köln – „Wir können uns nicht vorstellen, die Partnerschaft mit der Stadt eines Landes fortzusetzen, das einen Angriffskrieg führt“, sagte Bürgermeister Andreas Wolter am Donnerstag. Deshalb wird die Städtepartnerschaft zwischen Köln und der russischen Stadt Wolgograd bis auf weiteres ausgesetzt.
Die Stadt wolle aus geschichtlicher Verantwortung allerdings weiterhin das „Zwangsarbeiterprojekt“ unterstützen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat diese Entscheidung in Abstimmung mit dem Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt getroffen. Die SPD kritisierte das Vorgehen.
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Seit 2002 besteht in Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, ein vom Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd mit aufgebauter sozial-medizinischer Hilfsdienst für ehemalige NS-Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die 1942 nach Deutschland verschleppt wurden und nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion als Kollaborateure diskriminiert, in ihrer beruflichen Entwicklung stark behindert wurden und deren Leid totgeschwiegen wurde.
Ihre Renten sind häufig extrem niedrig. Laut Wolter leben zurzeit noch rund 300 von diesem Schicksal betroffene Menschen. Außerdem wolle man trotz der Einstellung der offiziellen Städte-Beziehung private Kontakte zur russischen Zivilgesellschaft halten, sagte der Bürgermeister, der mehrmals in Wolgograd war. Freunde und Bekannte dort seien „völlig entsetzt“ vom Angriffskrieg auf die Ukraine.
Städtepartnerschaft zwischen Köln und Wolgograd seit 1988
Wolgograd liegt im Süden der Russischen Föderation an der Wolga, hat rund eine Million Einwohner und ist ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum. Seit 1988 sind die Stadt und Köln durch eine Partnerschaft miteinander verbunden. Ein wichtiger Träger dieser Beziehung ist der ein Jahr darauf gegründete Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd.
„Schrecklich“ findet dessen Vorsitzende Eva Aras das vorläufige Ende der Partnerschaft. „Putin ist das eine, die Bevölkerung das andere, man muss differenzieren“, sagt sie. „Je mehr Kontakte und Beziehungen man hat, umso mehr kann man Menschen verstehen und überzeugen.“
Nicht alle unterstützen die Aussetzung der Städtepartnerschaft
„Wir tragen diese Entscheidung uneingeschränkt mit – insbesondere deshalb, weil auch der Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd eine klare Haltung vermissen lässt“, sagt Bernd Petelkau, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat und fügt hinzu: „Wer in den sozialen Medien von einer Mitschuld des Westens spricht und Sanktionen gegenüber dem Aggressor Russland ablehnt, den können wir nicht weiter unterstützen.“
Für die SPD-Fraktion nimmt deren Vorsitzender Christian Joisten eine andere Position ein. Eine Städtepartnerschaft sei „auch eine Partnerschaft der Bürgerinnen und Bürger der beteiligten Städte. Nicht die russischen Bürger führen Krieg gegen die Ukraine, sondern der Autokrat Putin. In diesem Sinne halten wir es für falsch, die Verbindung zur Bürgerschaft von Wolgograd zu kappen. Dass im Einzelfall Verbindungen zu staatlichen Stellen auf Eis gelegt werden, ist richtig und notwendig, aber doch nicht die Städtepartnerschaft als Ganzes.“
Menschen in Russland solidarisch zur Seite stehen
Im Übrigen halte es seine Fraktion für „völlig inakzeptabel, eine solche Entscheidung ohne den Städtepartnerschaftsverein beziehungsweise den Dachverband Cologne Alliance zu treffen“. Auch dass der Rat nicht „in seiner Breite eingebunden“ worden sei, „halten wir unter demokratischen Gesichtspunkten für sehr problematisch. Denn immerhin sind die Angelegenheiten der Städtepartnerschaften Ratsangelegenheiten.“
Ulrich Breite, Geschäftsführer der FDP-Fraktion, begrüßt die Aussetzung der Städtepartnerschaft: „Wir können zurzeit nicht erklären, dass wir so weitermachen, als ob nichts gewesen wäre. Es ist einfach nicht möglich.“ Günter Bell, Fraktionsgeschäftsführer der Linken, fordert: „In dieser Situation müssen wir gerade die zivilgesellschaftlichen Kontakte intensivieren. In Russland demonstrieren die Menschen gegen den Krieg und nehmen dabei in Kauf, inhaftiert zu werden. Diesen Menschen müssen wir uns solidarisch an die Seite stellen“.
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In einer Stadt wie Wolgograd, das die Schrecken des Zweiten Weltkriegs extrem erlebt habe, müsse die Empathie für die leidenden Ukrainer besonders groß sein. Zum offiziellen Kontakt der Partnerstädte sagt Bell: „Wir können uns vorstellen, dass die Oberbürgermeisterin ihren Amtskollegen anruft und ihn ermuntert, sich gegen den Krieg auszusprechen.“
Unterdessen haben auch andere Städte Deutschlands Partnerschaften zu russischen Städten auf Eis gelegt. So lässt Düsseldorf seine Verbindung zu Moskau ruhen, Baden-Baden die seine zu Sotschi, und Kassel hat die Städtepartnerschaft mit Jaroslawl und seine Kooperation mit Nowy Urengoi ausgesetzt.